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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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fasern. Um diese Zelle zieht sich ein überaus sinnreiches Ring¬
system von Vexiergängen zum Entrinnen und unbemerkten Ver¬
lassen. Zunächst strahlen drei Röhren von der Kammer aus,
die oberhalb der Wohnzelle ein kleiner Kreiskanal ringförmig
vereint. Von diesem oberen Kreise aber fallen sechs Zwischen¬
röhren ab in einen größeren Ringkanal, der parallel dem kleinen,
aber tiefer, genau auf dem Kammerniveau, die Wohnzelle um¬
kreist. Wieder von diesem großen Ring fahren zehn neue
Röhren scheinbar ganz ins Weite in die Erde hinaus. Doch
im Verfolg biegen sie fast alle um und münden schließlich wie
ein verkrümmtes Stromnetz in eine längste ein, die selber dann
wirklich weiter und weiter geht und endlich nichts anderes
ist als jene Laufröhre, die viele Meter weit zum Jagdrevier
in die Wiese leitet. Vorher aber kommt in diesen Externkanal
noch eine allerintimste Versenkungsöffnung, nämlich eine Röhre,
die senkrecht aus dem Boden der Kammer abfiel, um sich auch
im Bogen hier heranzukrümmen. Die Pforte zu diesem raffi¬
niertesten Geheimgang liegt unmittelbar unter dem Polster¬
bettlein des Maulwurfs. Deckt ein Unberufener die Kammer
von oben auf, so verschiebt der Alte seine Mooskissen, plumpst
einfach zwischen ihnen in die Tiefe, erreicht mit einem Purzel¬
baum und einer Richtungsänderung durch den krummen Ast
seinen Laufgang und saust bereits seine fünfzig Meter dort
unsichtbar ab, während der plumpe Spaten oben noch nach
ihm wühlt.

Dieser Maulwurf in seiner Burg ist ein wunderbares
Beispiel aus der niedrigeren Säugetierwelt für unsere Station
Numero Vier in der Genesis der Ehe. Er kennt noch keine
Dauerehe, dagegen schon alles Tiefere: Zeitehe, individuelle
Wahl und die tollste Eifersucht.

Nicht umsonst haust er unter dem Spinnenzaun. In
seiner außerehelichen Zeit ist er, Männlein wie Weiblein, der
spinnefeindlichste Eremit und Hasser seines eigenen Volks, ganz
einerlei ob es Mannsperson oder Weibsbild sei. Schnüffelt

faſern. Um dieſe Zelle zieht ſich ein überaus ſinnreiches Ring¬
ſyſtem von Vexiergängen zum Entrinnen und unbemerkten Ver¬
laſſen. Zunächſt ſtrahlen drei Röhren von der Kammer aus,
die oberhalb der Wohnzelle ein kleiner Kreiskanal ringförmig
vereint. Von dieſem oberen Kreiſe aber fallen ſechs Zwiſchen¬
röhren ab in einen größeren Ringkanal, der parallel dem kleinen,
aber tiefer, genau auf dem Kammerniveau, die Wohnzelle um¬
kreiſt. Wieder von dieſem großen Ring fahren zehn neue
Röhren ſcheinbar ganz ins Weite in die Erde hinaus. Doch
im Verfolg biegen ſie faſt alle um und münden ſchließlich wie
ein verkrümmtes Stromnetz in eine längſte ein, die ſelber dann
wirklich weiter und weiter geht und endlich nichts anderes
iſt als jene Laufröhre, die viele Meter weit zum Jagdrevier
in die Wieſe leitet. Vorher aber kommt in dieſen Externkanal
noch eine allerintimſte Verſenkungsöffnung, nämlich eine Röhre,
die ſenkrecht aus dem Boden der Kammer abfiel, um ſich auch
im Bogen hier heranzukrümmen. Die Pforte zu dieſem raffi¬
nierteſten Geheimgang liegt unmittelbar unter dem Polſter¬
bettlein des Maulwurfs. Deckt ein Unberufener die Kammer
von oben auf, ſo verſchiebt der Alte ſeine Mooskiſſen, plumpſt
einfach zwiſchen ihnen in die Tiefe, erreicht mit einem Purzel¬
baum und einer Richtungsänderung durch den krummen Aſt
ſeinen Laufgang und ſauſt bereits ſeine fünfzig Meter dort
unſichtbar ab, während der plumpe Spaten oben noch nach
ihm wühlt.

Dieſer Maulwurf in ſeiner Burg iſt ein wunderbares
Beiſpiel aus der niedrigeren Säugetierwelt für unſere Station
Numero Vier in der Geneſis der Ehe. Er kennt noch keine
Dauerehe, dagegen ſchon alles Tiefere: Zeitehe, individuelle
Wahl und die tollſte Eiferſucht.

Nicht umſonſt hauſt er unter dem Spinnenzaun. In
ſeiner außerehelichen Zeit iſt er, Männlein wie Weiblein, der
ſpinnefeindlichſte Eremit und Haſſer ſeines eigenen Volks, ganz
einerlei ob es Mannsperſon oder Weibsbild ſei. Schnüffelt

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[168/0182] faſern. Um dieſe Zelle zieht ſich ein überaus ſinnreiches Ring¬ ſyſtem von Vexiergängen zum Entrinnen und unbemerkten Ver¬ laſſen. Zunächſt ſtrahlen drei Röhren von der Kammer aus, die oberhalb der Wohnzelle ein kleiner Kreiskanal ringförmig vereint. Von dieſem oberen Kreiſe aber fallen ſechs Zwiſchen¬ röhren ab in einen größeren Ringkanal, der parallel dem kleinen, aber tiefer, genau auf dem Kammerniveau, die Wohnzelle um¬ kreiſt. Wieder von dieſem großen Ring fahren zehn neue Röhren ſcheinbar ganz ins Weite in die Erde hinaus. Doch im Verfolg biegen ſie faſt alle um und münden ſchließlich wie ein verkrümmtes Stromnetz in eine längſte ein, die ſelber dann wirklich weiter und weiter geht und endlich nichts anderes iſt als jene Laufröhre, die viele Meter weit zum Jagdrevier in die Wieſe leitet. Vorher aber kommt in dieſen Externkanal noch eine allerintimſte Verſenkungsöffnung, nämlich eine Röhre, die ſenkrecht aus dem Boden der Kammer abfiel, um ſich auch im Bogen hier heranzukrümmen. Die Pforte zu dieſem raffi¬ nierteſten Geheimgang liegt unmittelbar unter dem Polſter¬ bettlein des Maulwurfs. Deckt ein Unberufener die Kammer von oben auf, ſo verſchiebt der Alte ſeine Mooskiſſen, plumpſt einfach zwiſchen ihnen in die Tiefe, erreicht mit einem Purzel¬ baum und einer Richtungsänderung durch den krummen Aſt ſeinen Laufgang und ſauſt bereits ſeine fünfzig Meter dort unſichtbar ab, während der plumpe Spaten oben noch nach ihm wühlt. Dieſer Maulwurf in ſeiner Burg iſt ein wunderbares Beiſpiel aus der niedrigeren Säugetierwelt für unſere Station Numero Vier in der Geneſis der Ehe. Er kennt noch keine Dauerehe, dagegen ſchon alles Tiefere: Zeitehe, individuelle Wahl und die tollſte Eiferſucht. Nicht umſonſt hauſt er unter dem Spinnenzaun. In ſeiner außerehelichen Zeit iſt er, Männlein wie Weiblein, der ſpinnefeindlichſte Eremit und Haſſer ſeines eigenen Volks, ganz einerlei ob es Mannsperſon oder Weibsbild ſei. Schnüffelt

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/182>, abgerufen am 23.11.2024.