herkulische Wächter mit blanker Waffe -- für dich. Denn du bist nicht -- der Mann dieses Schmetterlings.
Dort, wo er auskriechen, seine nackten Menschenschwingen regen darf, gehörst Du überhaupt nicht mehr hin. Denn du bist zwar ein Mann, aber nicht der Mann. Um dieses ver¬ schleierte Weib zieht sich eine doppelte Puppe: die eine, die das erotische Weib überhaupt trennt von dem Alltagsweibe; und die andere, hier noch viel wichtigere, die dieses erotische Weib noch wieder mit ehernen Wänden trennt von allen siebenhundertfünfzig Millionen Männern der Erde mit Aus¬ nahme des einen einzigen, der -- sein Mann ist.
Hier liegt eine Einpuppung des Schmetterlings vor, die nicht mit dem allgemeinen Scham-Puppenstand, wie wir ihn bisher verfolgt und ausgewickelt haben, allein zu verstehen ist.
[Abbildung]
Denke dir zu dieser Stunde einen tollen Spuk. Das Machtwort eines Zauberers soll hereinbrechen über die ganze nichts ahnende Kulturwelt. Er ist vielleicht ein Grübler, dieser Zauberer, wie sie es alle waren, die Paracelse und Fauste der Geheimgeschichte. Er hat ins Extrem gegrübelt, was auch uns im schlichten Gespräch immerhin auftauchte. Wie eine Zuchtwahl wieder not thäte auch für die Leiber bei uns, eine Auslese der schönen, starken Rasse im Körpersinn. Und wie wir alle uns jählings einmal nackt sehen müßten, um zu begreifen, wie arm, wie verwildert scheußlich wir unter unseren Kulturhüllen geworden sind, gleich sprossenden Kar¬ toffeln in der Kellernacht. Der Gedanke aber würde seinen Kräften Zaubermacht. Und plötzlich, mit magischem Ruck, wären alle Kleider von uns allen fortverweht. Was würde der Erfolg sein?
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herkuliſche Wächter mit blanker Waffe — für dich. Denn du biſt nicht — der Mann dieſes Schmetterlings.
Dort, wo er auskriechen, ſeine nackten Menſchenſchwingen regen darf, gehörſt Du überhaupt nicht mehr hin. Denn du biſt zwar ein Mann, aber nicht der Mann. Um dieſes ver¬ ſchleierte Weib zieht ſich eine doppelte Puppe: die eine, die das erotiſche Weib überhaupt trennt von dem Alltagsweibe; und die andere, hier noch viel wichtigere, die dieſes erotiſche Weib noch wieder mit ehernen Wänden trennt von allen ſiebenhundertfünfzig Millionen Männern der Erde mit Aus¬ nahme des einen einzigen, der — ſein Mann iſt.
Hier liegt eine Einpuppung des Schmetterlings vor, die nicht mit dem allgemeinen Scham-Puppenſtand, wie wir ihn bisher verfolgt und ausgewickelt haben, allein zu verſtehen iſt.
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Denke dir zu dieſer Stunde einen tollen Spuk. Das Machtwort eines Zauberers ſoll hereinbrechen über die ganze nichts ahnende Kulturwelt. Er iſt vielleicht ein Grübler, dieſer Zauberer, wie ſie es alle waren, die Paracelſe und Fauſte der Geheimgeſchichte. Er hat ins Extrem gegrübelt, was auch uns im ſchlichten Geſpräch immerhin auftauchte. Wie eine Zuchtwahl wieder not thäte auch für die Leiber bei uns, eine Ausleſe der ſchönen, ſtarken Raſſe im Körperſinn. Und wie wir alle uns jählings einmal nackt ſehen müßten, um zu begreifen, wie arm, wie verwildert ſcheußlich wir unter unſeren Kulturhüllen geworden ſind, gleich ſproſſenden Kar¬ toffeln in der Kellernacht. Der Gedanke aber würde ſeinen Kräften Zaubermacht. Und plötzlich, mit magiſchem Ruck, wären alle Kleider von uns allen fortverweht. Was würde der Erfolg ſein?
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herkuliſche Wächter mit blanker Waffe — für dich. Denn
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regen darf, gehörſt Du überhaupt nicht mehr hin. Denn du
biſt zwar ein Mann, aber nicht der Mann. Um dieſes ver¬
ſchleierte Weib zieht ſich eine doppelte Puppe: die eine, die
das erotiſche Weib überhaupt trennt von dem Alltagsweibe;
und die andere, hier noch viel wichtigere, die dieſes erotiſche
Weib noch wieder mit ehernen Wänden trennt von allen
ſiebenhundertfünfzig Millionen Männern der Erde mit Aus¬
nahme des einen einzigen, der — ſein Mann iſt.
Hier liegt eine Einpuppung des Schmetterlings vor, die
nicht mit dem allgemeinen Scham-Puppenſtand, wie wir ihn
bisher verfolgt und ausgewickelt haben, allein zu verſtehen iſt.
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Denke dir zu dieſer Stunde einen tollen Spuk. Das
Machtwort eines Zauberers ſoll hereinbrechen über die ganze
nichts ahnende Kulturwelt. Er iſt vielleicht ein Grübler,
dieſer Zauberer, wie ſie es alle waren, die Paracelſe und
Fauſte der Geheimgeſchichte. Er hat ins Extrem gegrübelt,
was auch uns im ſchlichten Geſpräch immerhin auftauchte.
Wie eine Zuchtwahl wieder not thäte auch für die Leiber bei
uns, eine Ausleſe der ſchönen, ſtarken Raſſe im Körperſinn.
Und wie wir alle uns jählings einmal nackt ſehen müßten,
um zu begreifen, wie arm, wie verwildert ſcheußlich wir unter
unſeren Kulturhüllen geworden ſind, gleich ſproſſenden Kar¬
toffeln in der Kellernacht. Der Gedanke aber würde ſeinen
Kräften Zaubermacht. Und plötzlich, mit magiſchem Ruck,
wären alle Kleider von uns allen fortverweht. Was würde
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/161>, abgerufen am 24.11.2024.
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