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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Weiber dürfen nicht dabei sein, das ist nun 'mal geheiligte
Sitte, -- so wie es ja im Kölner Karneval auch eine drollige
Trennung wenigstens von Herrn- und Damenkomitees in dieser
hanswurstlich auf den Kopf gestellten Zeit giebt. Nun und
diese Masken jetzt sind veritable Maskenkostüme, -- Kostüme
plötzlich der Nackten! Aus Blattstreifen und Stroh werden
da Mützen, Röcke mit Ärmeln und gleich daran gewebten
langen Hosen hergestellt. Die Phantasie sieht in den grotesken
Sachen Tiere verschiedener Art: der nackte Mensch verkleidet
sich als "Tier," indem er fellartige Kleider anlegt! Daß
Kleider "schamhafter" sind, davon hat der gute Bakairi noch
keine Ahnung. Wie um's mit Absicht klärlich zu erweisen,
hängt er nämlich außen auf seine Hosen einen Maiskolben als
Geschlechtsglied. Hier im Männerkasino braucht's ja keine
Symbolstrenge, die Marke gilt als "Tier," und zudem hat der
Karneval aller Völker und Kulturen einen Zug von erotischem
Generalablaß. Sollte nicht in dieser Kleiderkenntnis eine alte
Reminiscenz stecken? Eine dunkle Tradition des nackt ge¬
wordenen Tropenwilden an eine Kleiderzeit im Norden?
Karnevalsgebräuche haben ein unglaublich konservatives Element
in sich: im rheinischen Karneval leben die alten Stadtsoldaten
wie unsterblich weiter, und ich glaube, wenn es sonst in der
ganzen Welt keine Mönche mehr giebt, wird man sie auf der
Redoute finden.

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Weiber dürfen nicht dabei ſein, das iſt nun 'mal geheiligte
Sitte, — ſo wie es ja im Kölner Karneval auch eine drollige
Trennung wenigſtens von Herrn- und Damenkomitees in dieſer
hanswurſtlich auf den Kopf geſtellten Zeit giebt. Nun und
dieſe Masken jetzt ſind veritable Maskenkoſtüme, — Koſtüme
plötzlich der Nackten! Aus Blattſtreifen und Stroh werden
da Mützen, Röcke mit Ärmeln und gleich daran gewebten
langen Hoſen hergeſtellt. Die Phantaſie ſieht in den grotesken
Sachen Tiere verſchiedener Art: der nackte Menſch verkleidet
ſich als „Tier,“ indem er fellartige Kleider anlegt! Daß
Kleider „ſchamhafter“ ſind, davon hat der gute Bakaïrí noch
keine Ahnung. Wie um's mit Abſicht klärlich zu erweiſen,
hängt er nämlich außen auf ſeine Hoſen einen Maiskolben als
Geſchlechtsglied. Hier im Männerkaſino braucht's ja keine
Symbolſtrenge, die Marke gilt als „Tier,“ und zudem hat der
Karneval aller Völker und Kulturen einen Zug von erotiſchem
Generalablaß. Sollte nicht in dieſer Kleiderkenntnis eine alte
Reminiscenz ſtecken? Eine dunkle Tradition des nackt ge¬
wordenen Tropenwilden an eine Kleiderzeit im Norden?
Karnevalsgebräuche haben ein unglaublich konſervatives Element
in ſich: im rheiniſchen Karneval leben die alten Stadtſoldaten
wie unſterblich weiter, und ich glaube, wenn es ſonſt in der
ganzen Welt keine Mönche mehr giebt, wird man ſie auf der
Redoute finden.

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[128/0142] Weiber dürfen nicht dabei ſein, das iſt nun 'mal geheiligte Sitte, — ſo wie es ja im Kölner Karneval auch eine drollige Trennung wenigſtens von Herrn- und Damenkomitees in dieſer hanswurſtlich auf den Kopf geſtellten Zeit giebt. Nun und dieſe Masken jetzt ſind veritable Maskenkoſtüme, — Koſtüme plötzlich der Nackten! Aus Blattſtreifen und Stroh werden da Mützen, Röcke mit Ärmeln und gleich daran gewebten langen Hoſen hergeſtellt. Die Phantaſie ſieht in den grotesken Sachen Tiere verſchiedener Art: der nackte Menſch verkleidet ſich als „Tier,“ indem er fellartige Kleider anlegt! Daß Kleider „ſchamhafter“ ſind, davon hat der gute Bakaïrí noch keine Ahnung. Wie um's mit Abſicht klärlich zu erweiſen, hängt er nämlich außen auf ſeine Hoſen einen Maiskolben als Geſchlechtsglied. Hier im Männerkaſino braucht's ja keine Symbolſtrenge, die Marke gilt als „Tier,“ und zudem hat der Karneval aller Völker und Kulturen einen Zug von erotiſchem Generalablaß. Sollte nicht in dieſer Kleiderkenntnis eine alte Reminiscenz ſtecken? Eine dunkle Tradition des nackt ge¬ wordenen Tropenwilden an eine Kleiderzeit im Norden? Karnevalsgebräuche haben ein unglaublich konſervatives Element in ſich: im rheiniſchen Karneval leben die alten Stadtſoldaten wie unſterblich weiter, und ich glaube, wenn es ſonſt in der ganzen Welt keine Mönche mehr giebt, wird man ſie auf der Redoute finden. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/142>, abgerufen am 21.11.2024.