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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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treiben auch der männlichen Zeugungsstoffe im Liebesakt. Der
schlichte Wasserhahn, der bloß ein paarmal täglich auf und
zu gedreht wurde, erhielt hierbei jenen unvergleichlich ge¬
waltigeren, aktiveren Ejakulationsmechanismus, der im Akt die
köstliche Lebenswelle weit vorschleudern mußte.

Mit dieser neuen Aufgabe und Einrichtung aber trat
offenbar jetzt jene Verschlußhaut in den ernstesten Konflikt.
So nützlich es für gewöhnlich sein mochte, auch die ruhende
Geschlechtsöffnung vor unberufen einkrabbelnden Gästen und
anderem Eindringsel zu schützen: im Moment des Aktes war
jede Einengung da vorne eine fatalste, zweckwidrigste Hemmung.
Und um welchen größten Zweck handelte es sich doch!

Das Naturgemäßeste wäre gewesen, daß die zu weit
gehende Vorhautkapsel etwa beim ersten reifen Liebesakt ge¬
platzt und so einfach beiseite getreten wäre nach Art des
weiblichen Jungfernhäutchens. In der That bietet dieser kleine
Hautvorhang der weiblichen engeren Geschlechtspforte ein geradezu
auffälliges Seitenstück dar zur männlichen Vorhaut. Auch hier
zeigt sich ein kleiner Hautverschluß, der allerdings mit dem
Urinkranen beim Weibe nichts zu thun hat. Durch und durch
macht auch er den Eindruck eines Schutzsegels vor einer
wichtigsten Leibesöffnung. Auch er läßt soviel Raum, daß
eine glatt abströmende Welle durch kann, ohne ihn zu zer¬
sprengen: die Menstruationsblutung nämlich. Wenn aber zum
erstenmal der, dagegen gehalten, ungeheure Zeugungsakt hier
Bahn haben will, so reißt eben das Jungfernhäutlein, -- das
alte Schutzsegel muß brechen gegenüber diesem höheren Zweck.

Immerhin macht auch hier das mit Blutung verknüpfte
gewaltthätige Reißen den Eindruck einer kleinen Unvollkommen¬
heit, als hätten sich zwei Zwecke da im sonst so harmonischen
Prachtbau des Organismus nicht ganz reinlich voreinander auf¬
gelöst. Ich halte es für sehr wohl möglich, daß das Jungfern¬
häutchen seinen eigentlichen logischen Naturzweck hatte bei tie¬
rischen Vorfahren des Menschen, bei denen die Brunstzeit noch

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treiben auch der männlichen Zeugungsſtoffe im Liebesakt. Der
ſchlichte Waſſerhahn, der bloß ein paarmal täglich auf und
zu gedreht wurde, erhielt hierbei jenen unvergleichlich ge¬
waltigeren, aktiveren Ejakulationsmechanismus, der im Akt die
köſtliche Lebenswelle weit vorſchleudern mußte.

Mit dieſer neuen Aufgabe und Einrichtung aber trat
offenbar jetzt jene Verſchlußhaut in den ernſteſten Konflikt.
So nützlich es für gewöhnlich ſein mochte, auch die ruhende
Geſchlechtsöffnung vor unberufen einkrabbelnden Gäſten und
anderem Eindringſel zu ſchützen: im Moment des Aktes war
jede Einengung da vorne eine fatalſte, zweckwidrigſte Hemmung.
Und um welchen größten Zweck handelte es ſich doch!

Das Naturgemäßeſte wäre geweſen, daß die zu weit
gehende Vorhautkapſel etwa beim erſten reifen Liebesakt ge¬
platzt und ſo einfach beiſeite getreten wäre nach Art des
weiblichen Jungfernhäutchens. In der That bietet dieſer kleine
Hautvorhang der weiblichen engeren Geſchlechtspforte ein geradezu
auffälliges Seitenſtück dar zur männlichen Vorhaut. Auch hier
zeigt ſich ein kleiner Hautverſchluß, der allerdings mit dem
Urinkranen beim Weibe nichts zu thun hat. Durch und durch
macht auch er den Eindruck eines Schutzſegels vor einer
wichtigſten Leibesöffnung. Auch er läßt ſoviel Raum, daß
eine glatt abſtrömende Welle durch kann, ohne ihn zu zer¬
ſprengen: die Menſtruationsblutung nämlich. Wenn aber zum
erſtenmal der, dagegen gehalten, ungeheure Zeugungsakt hier
Bahn haben will, ſo reißt eben das Jungfernhäutlein, — das
alte Schutzſegel muß brechen gegenüber dieſem höheren Zweck.

Immerhin macht auch hier das mit Blutung verknüpfte
gewaltthätige Reißen den Eindruck einer kleinen Unvollkommen¬
heit, als hätten ſich zwei Zwecke da im ſonſt ſo harmoniſchen
Prachtbau des Organismus nicht ganz reinlich voreinander auf¬
gelöſt. Ich halte es für ſehr wohl möglich, daß das Jungfern¬
häutchen ſeinen eigentlichen logiſchen Naturzweck hatte bei tie¬
riſchen Vorfahren des Menſchen, bei denen die Brunſtzeit noch

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[115/0129] treiben auch der männlichen Zeugungsſtoffe im Liebesakt. Der ſchlichte Waſſerhahn, der bloß ein paarmal täglich auf und zu gedreht wurde, erhielt hierbei jenen unvergleichlich ge¬ waltigeren, aktiveren Ejakulationsmechanismus, der im Akt die köſtliche Lebenswelle weit vorſchleudern mußte. Mit dieſer neuen Aufgabe und Einrichtung aber trat offenbar jetzt jene Verſchlußhaut in den ernſteſten Konflikt. So nützlich es für gewöhnlich ſein mochte, auch die ruhende Geſchlechtsöffnung vor unberufen einkrabbelnden Gäſten und anderem Eindringſel zu ſchützen: im Moment des Aktes war jede Einengung da vorne eine fatalſte, zweckwidrigſte Hemmung. Und um welchen größten Zweck handelte es ſich doch! Das Naturgemäßeſte wäre geweſen, daß die zu weit gehende Vorhautkapſel etwa beim erſten reifen Liebesakt ge¬ platzt und ſo einfach beiſeite getreten wäre nach Art des weiblichen Jungfernhäutchens. In der That bietet dieſer kleine Hautvorhang der weiblichen engeren Geſchlechtspforte ein geradezu auffälliges Seitenſtück dar zur männlichen Vorhaut. Auch hier zeigt ſich ein kleiner Hautverſchluß, der allerdings mit dem Urinkranen beim Weibe nichts zu thun hat. Durch und durch macht auch er den Eindruck eines Schutzſegels vor einer wichtigſten Leibesöffnung. Auch er läßt ſoviel Raum, daß eine glatt abſtrömende Welle durch kann, ohne ihn zu zer¬ ſprengen: die Menſtruationsblutung nämlich. Wenn aber zum erſtenmal der, dagegen gehalten, ungeheure Zeugungsakt hier Bahn haben will, ſo reißt eben das Jungfernhäutlein, — das alte Schutzſegel muß brechen gegenüber dieſem höheren Zweck. Immerhin macht auch hier das mit Blutung verknüpfte gewaltthätige Reißen den Eindruck einer kleinen Unvollkommen¬ heit, als hätten ſich zwei Zwecke da im ſonſt ſo harmoniſchen Prachtbau des Organismus nicht ganz reinlich voreinander auf¬ gelöſt. Ich halte es für ſehr wohl möglich, daß das Jungfern¬ häutchen ſeinen eigentlichen logiſchen Naturzweck hatte bei tie¬ riſchen Vorfahren des Menſchen, bei denen die Brunſtzeit noch 8*

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/129>, abgerufen am 21.11.2024.