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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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allerdings eine gefährliche Verblutung aus der Schnittöffnung.
Wenn ich aber die gleiche Ader durchreiße oder durchquetsche,
so pflegt sie derartig in sich einzuschnurren, daß die Blutung
von selber zum Stillstand kommt, ehe die Sache bös wird.
Solches Reißen gerade und kauende Zerquetschen haben wir
aber in der Hebammensorge, die das Muttertier seinem Jungen
angedeihen läßt. Und nun sieh auf die Abnabelungsmethoden
der wilden Völker und du stößt auf Schritt und Tritt auch da
auf Ausnutzung dieses gleichen Prinzips. Die Negritos auf
den Philippinen, deren Weiber besonders oft allein gebären,
zerreißen die Nabelschnur mit einem Splitter Bambusrohr,
einem Stein oder einer Austernschale. Die Indianerin
Brasiliens beißt, wenn sie in ihrem Urwalde einsam nieder¬
kommt, wie eine Katze den Strang mit den Zähnen durch.
Im letzteren Fall hast du noch ganz das alte angewachsene
Tierorgan: den Zahn, als Mittel. Im andern stehst du schon
beim Werkzeug, doch noch unterhalb des Metalls. So wie
diese Negritos es machen, haben es zweifellos auch die Eis¬
zeit-Menschen gemacht. Es war nichts neues in ihrer Methode
gegen das Tier als eben das Werkzeug selbst, das Steinmesser,
der Holzsplitter. Erst die Anwendung des wirklichen Metall¬
messers und der Schere, also das Mittel einer schon vor¬
geschrittenen Kultur, hat mit seiner stärkeren Blutungsursache
dann auch die Notwendigkeit einer nachhelfenden Unterbindung
der Ader geschaffen, deren hygieinischer Triumph die eingepaukte
Art der heutigen Hebamme bei uns ist.

Und so magst du immer vergebens durchgreifende Trennungen
suchen. Auch der alte zähe Glaube, daß die Menstruation eine
eigentümliche Erwerbung des menschlichen Liebeslebens sei, ist
heute völlig unhaltbar, seitdem die Brunstperioden der Tiere
sich als deutlichste Parallelerscheinung herausgestellt haben und
schließlich auch noch beim Schimpanse-Weibchen die regelmäßige
Menstruationsblutung selber nachgewiesen worden ist.

Selbst jene Liebeswahl mit ihren Schönheitsempfindungen,

allerdings eine gefährliche Verblutung aus der Schnittöffnung.
Wenn ich aber die gleiche Ader durchreiße oder durchquetſche,
ſo pflegt ſie derartig in ſich einzuſchnurren, daß die Blutung
von ſelber zum Stillſtand kommt, ehe die Sache bös wird.
Solches Reißen gerade und kauende Zerquetſchen haben wir
aber in der Hebammenſorge, die das Muttertier ſeinem Jungen
angedeihen läßt. Und nun ſieh auf die Abnabelungsmethoden
der wilden Völker und du ſtößt auf Schritt und Tritt auch da
auf Ausnutzung dieſes gleichen Prinzips. Die Negritos auf
den Philippinen, deren Weiber beſonders oft allein gebären,
zerreißen die Nabelſchnur mit einem Splitter Bambusrohr,
einem Stein oder einer Auſternſchale. Die Indianerin
Braſiliens beißt, wenn ſie in ihrem Urwalde einſam nieder¬
kommt, wie eine Katze den Strang mit den Zähnen durch.
Im letzteren Fall haſt du noch ganz das alte angewachſene
Tierorgan: den Zahn, als Mittel. Im andern ſtehſt du ſchon
beim Werkzeug, doch noch unterhalb des Metalls. So wie
dieſe Negritos es machen, haben es zweifellos auch die Eis¬
zeit-Menſchen gemacht. Es war nichts neues in ihrer Methode
gegen das Tier als eben das Werkzeug ſelbſt, das Steinmeſſer,
der Holzſplitter. Erſt die Anwendung des wirklichen Metall¬
meſſers und der Schere, alſo das Mittel einer ſchon vor¬
geſchrittenen Kultur, hat mit ſeiner ſtärkeren Blutungsurſache
dann auch die Notwendigkeit einer nachhelfenden Unterbindung
der Ader geſchaffen, deren hygieiniſcher Triumph die eingepaukte
Art der heutigen Hebamme bei uns iſt.

Und ſo magſt du immer vergebens durchgreifende Trennungen
ſuchen. Auch der alte zähe Glaube, daß die Menſtruation eine
eigentümliche Erwerbung des menſchlichen Liebeslebens ſei, iſt
heute völlig unhaltbar, ſeitdem die Brunſtperioden der Tiere
ſich als deutlichſte Parallelerſcheinung herausgeſtellt haben und
ſchließlich auch noch beim Schimpanſe-Weibchen die regelmäßige
Menſtruationsblutung ſelber nachgewieſen worden iſt.

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[98/0112] allerdings eine gefährliche Verblutung aus der Schnittöffnung. Wenn ich aber die gleiche Ader durchreiße oder durchquetſche, ſo pflegt ſie derartig in ſich einzuſchnurren, daß die Blutung von ſelber zum Stillſtand kommt, ehe die Sache bös wird. Solches Reißen gerade und kauende Zerquetſchen haben wir aber in der Hebammenſorge, die das Muttertier ſeinem Jungen angedeihen läßt. Und nun ſieh auf die Abnabelungsmethoden der wilden Völker und du ſtößt auf Schritt und Tritt auch da auf Ausnutzung dieſes gleichen Prinzips. Die Negritos auf den Philippinen, deren Weiber beſonders oft allein gebären, zerreißen die Nabelſchnur mit einem Splitter Bambusrohr, einem Stein oder einer Auſternſchale. Die Indianerin Braſiliens beißt, wenn ſie in ihrem Urwalde einſam nieder¬ kommt, wie eine Katze den Strang mit den Zähnen durch. Im letzteren Fall haſt du noch ganz das alte angewachſene Tierorgan: den Zahn, als Mittel. Im andern ſtehſt du ſchon beim Werkzeug, doch noch unterhalb des Metalls. So wie dieſe Negritos es machen, haben es zweifellos auch die Eis¬ zeit-Menſchen gemacht. Es war nichts neues in ihrer Methode gegen das Tier als eben das Werkzeug ſelbſt, das Steinmeſſer, der Holzſplitter. Erſt die Anwendung des wirklichen Metall¬ meſſers und der Schere, alſo das Mittel einer ſchon vor¬ geſchrittenen Kultur, hat mit ſeiner ſtärkeren Blutungsurſache dann auch die Notwendigkeit einer nachhelfenden Unterbindung der Ader geſchaffen, deren hygieiniſcher Triumph die eingepaukte Art der heutigen Hebamme bei uns iſt. Und ſo magſt du immer vergebens durchgreifende Trennungen ſuchen. Auch der alte zähe Glaube, daß die Menſtruation eine eigentümliche Erwerbung des menſchlichen Liebeslebens ſei, iſt heute völlig unhaltbar, ſeitdem die Brunſtperioden der Tiere ſich als deutlichſte Parallelerſcheinung herausgeſtellt haben und ſchließlich auch noch beim Schimpanſe-Weibchen die regelmäßige Menſtruationsblutung ſelber nachgewieſen worden iſt. Selbſt jene Liebeswahl mit ihren Schönheitsempfindungen,

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/112>, abgerufen am 21.11.2024.