werden, so ist es, als sei mit der Wirbelsäule ein steifes Brett unter die Rückenwand dieses Schlauches gestoßen -- ein Brett, das dem ganzen jetzt erst derartig den Halt und Stütz¬ punkt giebt, daß der Schlauch nachträglich beinah bloß wie ein Überzug und bauchseitiges weiches Anhängsel dieses Brettes erscheint.
Dabei ist sehr interessant, wie dieses Brett in den Schlauch eingestoßen ist. Es liegt zunächst, wie gesagt, auffällig an der Rückenseite -- das Wort Rückgrat trägt dem ja schon Rechnung. Die Haut mit ihrer darunterliegenden Muskelschicht, also die äußerste Schlauchwand, faßt zwar ganz darum herum. Der innere Separat-Schlauch des Magens und Darmes dagegen liegt wesentlich frei davor an der Bauchseite. Gehirn und Rückenmark, also die wichtigsten Nervensubstanz-Massen des Schlauches, sind für den ersten Anblick sozusagen hineingeraten in das Brett. Schaut man aber genauer zu, so hat man vor allem bei der Wirbelsäule doch den Eindruck, daß das Brett in seiner soliden Masse eigentlich so eingeschoben ist, daß es genau zwischen diesem Nervenmark und dem Magenschlauch steckt. Von dieser Basis erst haben dann Wirbel für Wirbel und endlich auch beim Schädel harte Brettteile (-- also Kno¬ chenteile!) so nach oben um die weichen Gehirn- und Rücken¬ markteile herumgegriffen, daß schließlich diese Teile geradezu in die oberste Brettschicht wie in einen übergreifenden Kanal mit hineingeraten sind.
Diese famose innere Rückenstütze deines Leibes ist nun des Rätsels Lösung, wo du oberhalb des Wurmes hingehörst. Da findest du in den Tierstämmen jenseits der Würmer ja allerlei ähnliche Versuche, den weichen Schlauchleib des Wurmes irgendwie zu festigen, zu stützen und zu schützen durch allerlei Verknöcherungen und Verhärtungen -- durch so und so viel Bretter, die bald über, bald untergestülpt werden. Die Schnecke hat ihr Haus, die Muschel ihre Doppelschale, der Seeigel seine sonderbare Melone voller Stacheln, in der er wie eine Kastanie
werden, ſo iſt es, als ſei mit der Wirbelſäule ein ſteifes Brett unter die Rückenwand dieſes Schlauches geſtoßen — ein Brett, das dem ganzen jetzt erſt derartig den Halt und Stütz¬ punkt giebt, daß der Schlauch nachträglich beinah bloß wie ein Überzug und bauchſeitiges weiches Anhängſel dieſes Brettes erſcheint.
Dabei iſt ſehr intereſſant, wie dieſes Brett in den Schlauch eingeſtoßen iſt. Es liegt zunächſt, wie geſagt, auffällig an der Rückenſeite — das Wort Rückgrat trägt dem ja ſchon Rechnung. Die Haut mit ihrer darunterliegenden Muskelſchicht, alſo die äußerſte Schlauchwand, faßt zwar ganz darum herum. Der innere Separat-Schlauch des Magens und Darmes dagegen liegt weſentlich frei davor an der Bauchſeite. Gehirn und Rückenmark, alſo die wichtigſten Nervenſubſtanz-Maſſen des Schlauches, ſind für den erſten Anblick ſozuſagen hineingeraten in das Brett. Schaut man aber genauer zu, ſo hat man vor allem bei der Wirbelſäule doch den Eindruck, daß das Brett in ſeiner ſoliden Maſſe eigentlich ſo eingeſchoben iſt, daß es genau zwiſchen dieſem Nervenmark und dem Magenſchlauch ſteckt. Von dieſer Baſis erſt haben dann Wirbel für Wirbel und endlich auch beim Schädel harte Brettteile (— alſo Kno¬ chenteile!) ſo nach oben um die weichen Gehirn- und Rücken¬ markteile herumgegriffen, daß ſchließlich dieſe Teile geradezu in die oberſte Brettſchicht wie in einen übergreifenden Kanal mit hineingeraten ſind.
Dieſe famoſe innere Rückenſtütze deines Leibes iſt nun des Rätſels Löſung, wo du oberhalb des Wurmes hingehörſt. Da findeſt du in den Tierſtämmen jenſeits der Würmer ja allerlei ähnliche Verſuche, den weichen Schlauchleib des Wurmes irgendwie zu feſtigen, zu ſtützen und zu ſchützen durch allerlei Verknöcherungen und Verhärtungen — durch ſo und ſo viel Bretter, die bald über, bald untergeſtülpt werden. Die Schnecke hat ihr Haus, die Muſchel ihre Doppelſchale, der Seeigel ſeine ſonderbare Melone voller Stacheln, in der er wie eine Kaſtanie
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werden, ſo iſt es, als ſei mit der Wirbelſäule ein ſteifes
Brett unter die Rückenwand dieſes Schlauches geſtoßen — ein
Brett, das dem ganzen jetzt erſt derartig den Halt und Stütz¬
punkt giebt, daß der Schlauch nachträglich beinah bloß wie
ein Überzug und bauchſeitiges weiches Anhängſel dieſes Brettes
erſcheint.
Dabei iſt ſehr intereſſant, wie dieſes Brett in den Schlauch
eingeſtoßen iſt. Es liegt zunächſt, wie geſagt, auffällig an der
Rückenſeite — das Wort Rückgrat trägt dem ja ſchon Rechnung.
Die Haut mit ihrer darunterliegenden Muskelſchicht, alſo die
äußerſte Schlauchwand, faßt zwar ganz darum herum. Der
innere Separat-Schlauch des Magens und Darmes dagegen
liegt weſentlich frei davor an der Bauchſeite. Gehirn und
Rückenmark, alſo die wichtigſten Nervenſubſtanz-Maſſen des
Schlauches, ſind für den erſten Anblick ſozuſagen hineingeraten
in das Brett. Schaut man aber genauer zu, ſo hat man vor
allem bei der Wirbelſäule doch den Eindruck, daß das Brett
in ſeiner ſoliden Maſſe eigentlich ſo eingeſchoben iſt, daß es
genau zwiſchen dieſem Nervenmark und dem Magenſchlauch
ſteckt. Von dieſer Baſis erſt haben dann Wirbel für Wirbel
und endlich auch beim Schädel harte Brettteile (— alſo Kno¬
chenteile!) ſo nach oben um die weichen Gehirn- und Rücken¬
markteile herumgegriffen, daß ſchließlich dieſe Teile geradezu in
die oberſte Brettſchicht wie in einen übergreifenden Kanal mit
hineingeraten ſind.
Dieſe famoſe innere Rückenſtütze deines Leibes iſt nun
des Rätſels Löſung, wo du oberhalb des Wurmes hingehörſt.
Da findeſt du in den Tierſtämmen jenſeits der Würmer ja
allerlei ähnliche Verſuche, den weichen Schlauchleib des Wurmes
irgendwie zu feſtigen, zu ſtützen und zu ſchützen durch allerlei
Verknöcherungen und Verhärtungen — durch ſo und ſo viel
Bretter, die bald über, bald untergeſtülpt werden. Die Schnecke
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/91>, abgerufen am 23.11.2024.
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