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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Es ist in diesem Falle durchaus keine Afterweisheit, die
der After dich lehrt, sondern abermals ein Stück Erkenntnis in
unserer Linie. Denke dir, du wärst von Jugend auf mit dem
Gegenpol deines Leibes irgendwo festgewachsen. Ein Stück der
Unmöglichkeit wäre für diesen Fall, daß die Afterpforte wirklich
funktionierte. Wollte dein Magen und Darm das Unverdauliche,
wie er doch muß, wieder aus dem Leibe herausschaffen, so
bliebe ihm kein anderer Weg als Wiederausspuken nach oben, --
durch denselben Mund, der die Nahrung zunächst nur so ganz
allgemein besehen und ohne feinere Auswahl hineingeschluckt hat.
Damit nun wärst du auf einem Standpunkt, den abermals ein
großer engerer Kreis von magenbesitzenden Obertieren wirklich
einnimmt. Es sind just alle die, die sich enger an jenen Hydra¬
polypen anschließen. Der sitzt selber schon hinten auf, und die
nach ihm machen's alle so. Sie leben ohne After und spucken,
wenn sie genügend verdaut haben, alles wieder nach oben, was
unverdaulich ist. Solche Tiere sind die vielgestaltigen Gruppen
der Schwämme, der Korallen, Polypen, Seerosen, schließlich
auch der Quallen. Denn ob die Qualle zwar vom Polypen¬
stadium sich loslöst und wie eine abgekehrte Glocke frei durchs
Wasser schwimmt, so bleibt sie doch zeitlebens hinten zugewachsen
wie eine Käseglocke und ihr gesamter Leibesbau bleibt in dieser
einseitig offenen Glockenform permanent. Du aber, der Mensch,
mit deinem Mund und After, zwischen denen das Magen- oder
Darmrohr einen einzigen, vorne und hinten offenen Schlauch
bildet, du zählst dich damit selber einer nochmals darüber
erhabenen engeren Tiergruppe zu.

Du bist nicht Schwamm, noch Koralle, noch Qualle.

Die niedrigste Form des Tierreiches, bei der solche After¬
bildung beginnt, ist der Wurm.

Von einer gewissen Gruppe ab zeigen die Würmer schon
vollkommen dieselbe Grundschlauchform wie du. Und von da
ab bleibt das durch das ganze obere Stockwerk jetzt der Tier¬
völker so. Es kommen aber hier, wenn schon einmal Mensch

Es iſt in dieſem Falle durchaus keine Afterweisheit, die
der After dich lehrt, ſondern abermals ein Stück Erkenntnis in
unſerer Linie. Denke dir, du wärſt von Jugend auf mit dem
Gegenpol deines Leibes irgendwo feſtgewachſen. Ein Stück der
Unmöglichkeit wäre für dieſen Fall, daß die Afterpforte wirklich
funktionierte. Wollte dein Magen und Darm das Unverdauliche,
wie er doch muß, wieder aus dem Leibe herausſchaffen, ſo
bliebe ihm kein anderer Weg als Wiederausſpuken nach oben, —
durch denſelben Mund, der die Nahrung zunächſt nur ſo ganz
allgemein beſehen und ohne feinere Auswahl hineingeſchluckt hat.
Damit nun wärſt du auf einem Standpunkt, den abermals ein
großer engerer Kreis von magenbeſitzenden Obertieren wirklich
einnimmt. Es ſind juſt alle die, die ſich enger an jenen Hydra¬
polypen anſchließen. Der ſitzt ſelber ſchon hinten auf, und die
nach ihm machen's alle ſo. Sie leben ohne After und ſpucken,
wenn ſie genügend verdaut haben, alles wieder nach oben, was
unverdaulich iſt. Solche Tiere ſind die vielgeſtaltigen Gruppen
der Schwämme, der Korallen, Polypen, Seeroſen, ſchließlich
auch der Quallen. Denn ob die Qualle zwar vom Polypen¬
ſtadium ſich loslöſt und wie eine abgekehrte Glocke frei durchs
Waſſer ſchwimmt, ſo bleibt ſie doch zeitlebens hinten zugewachſen
wie eine Käſeglocke und ihr geſamter Leibesbau bleibt in dieſer
einſeitig offenen Glockenform permanent. Du aber, der Menſch,
mit deinem Mund und After, zwiſchen denen das Magen- oder
Darmrohr einen einzigen, vorne und hinten offenen Schlauch
bildet, du zählſt dich damit ſelber einer nochmals darüber
erhabenen engeren Tiergruppe zu.

Du biſt nicht Schwamm, noch Koralle, noch Qualle.

Die niedrigſte Form des Tierreiches, bei der ſolche After¬
bildung beginnt, iſt der Wurm.

Von einer gewiſſen Gruppe ab zeigen die Würmer ſchon
vollkommen dieſelbe Grundſchlauchform wie du. Und von da
ab bleibt das durch das ganze obere Stockwerk jetzt der Tier¬
völker ſo. Es kommen aber hier, wenn ſchon einmal Menſch

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[71/0087] Es iſt in dieſem Falle durchaus keine Afterweisheit, die der After dich lehrt, ſondern abermals ein Stück Erkenntnis in unſerer Linie. Denke dir, du wärſt von Jugend auf mit dem Gegenpol deines Leibes irgendwo feſtgewachſen. Ein Stück der Unmöglichkeit wäre für dieſen Fall, daß die Afterpforte wirklich funktionierte. Wollte dein Magen und Darm das Unverdauliche, wie er doch muß, wieder aus dem Leibe herausſchaffen, ſo bliebe ihm kein anderer Weg als Wiederausſpuken nach oben, — durch denſelben Mund, der die Nahrung zunächſt nur ſo ganz allgemein beſehen und ohne feinere Auswahl hineingeſchluckt hat. Damit nun wärſt du auf einem Standpunkt, den abermals ein großer engerer Kreis von magenbeſitzenden Obertieren wirklich einnimmt. Es ſind juſt alle die, die ſich enger an jenen Hydra¬ polypen anſchließen. Der ſitzt ſelber ſchon hinten auf, und die nach ihm machen's alle ſo. Sie leben ohne After und ſpucken, wenn ſie genügend verdaut haben, alles wieder nach oben, was unverdaulich iſt. Solche Tiere ſind die vielgeſtaltigen Gruppen der Schwämme, der Korallen, Polypen, Seeroſen, ſchließlich auch der Quallen. Denn ob die Qualle zwar vom Polypen¬ ſtadium ſich loslöſt und wie eine abgekehrte Glocke frei durchs Waſſer ſchwimmt, ſo bleibt ſie doch zeitlebens hinten zugewachſen wie eine Käſeglocke und ihr geſamter Leibesbau bleibt in dieſer einſeitig offenen Glockenform permanent. Du aber, der Menſch, mit deinem Mund und After, zwiſchen denen das Magen- oder Darmrohr einen einzigen, vorne und hinten offenen Schlauch bildet, du zählſt dich damit ſelber einer nochmals darüber erhabenen engeren Tiergruppe zu. Du biſt nicht Schwamm, noch Koralle, noch Qualle. Die niedrigſte Form des Tierreiches, bei der ſolche After¬ bildung beginnt, iſt der Wurm. Von einer gewiſſen Gruppe ab zeigen die Würmer ſchon vollkommen dieſelbe Grundſchlauchform wie du. Und von da ab bleibt das durch das ganze obere Stockwerk jetzt der Tier¬ völker ſo. Es kommen aber hier, wenn ſchon einmal Menſch

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/87>, abgerufen am 24.11.2024.