Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Gipfel des Wunderbaren in diesem Falle ist, daß
sogar dein Mannesleib -- und das vollends ohne Zuthun
deines Bewußtseins -- eine dunkle Kenntnis besitzt jenes
Suppenapparates für den zahnlosen Säugling. Laß deine
Hand über deine nackte Brust gleiten. Was fühlst Du? Rechts
und links eine Erhöhung, die Brustwarze. Sie entspricht dem
kleinen Saugpfropfen auf jeder Weiberbrust, den der Säugling
so hübsch zu benutzen weiß, wenn die Nährflasche gefüllt ist.
Es sind in alten und neuen Zeiten immer wieder vereinzelte
Fälle beobachtet worden, wo ein Mann nicht nur die Brust¬
warzen, sondern auch den wirklichen Milchapparat in voller
Thätigkeit besaß und sein Kind trotz der Mutter ernähren
konnte. Das ist ja nun offenbar seltene Ausnahme statt der
Regel. Aber auf alle Fälle sitzen die männlichen Brustwarzen
da wie ein geheimes Wissen, ein geheimes Sicherinnern nun
gar auch des Mannesleibes an jenes Bedürfnis des Neu¬
geborenen -- mag es auch ein Wissen und Erinnern sein, das
für gewöhnlich zwecklos geworden ist. Ich komme auf den
Punkt noch zurück. Denke für jetzt nur noch einmal an jenen
einsiedlerischen Knaben auf Salas y Gomez, der nie, mit
Bewußtsein von der Existenz von Weibern und Kindern erfährt.
Laß ihn weise werden wie Salomo: wie sollte er wohl je
das dunkle Wissen und Deuten seines Leibes in diesen seinen
eigenen Brustwarzen, die er alle Tage vor Augen sieht, ver¬
stehen lernen?

[Abbildung]

Die Beispiele genügen, da sie ja doch alle auf das gleiche
hinauslaufen. Ich denke, du ahnst jetzt, welcher Weise da vor
dir liegt im grünen Uferkraut. Ein Adept, ein Wissender, der
dich wirklich wie ein Kind lehren mag.

Der Gipfel des Wunderbaren in dieſem Falle iſt, daß
ſogar dein Mannesleib — und das vollends ohne Zuthun
deines Bewußtſeins — eine dunkle Kenntnis beſitzt jenes
Suppenapparates für den zahnloſen Säugling. Laß deine
Hand über deine nackte Bruſt gleiten. Was fühlſt Du? Rechts
und links eine Erhöhung, die Bruſtwarze. Sie entſpricht dem
kleinen Saugpfropfen auf jeder Weiberbruſt, den der Säugling
ſo hübſch zu benutzen weiß, wenn die Nährflaſche gefüllt iſt.
Es ſind in alten und neuen Zeiten immer wieder vereinzelte
Fälle beobachtet worden, wo ein Mann nicht nur die Bruſt¬
warzen, ſondern auch den wirklichen Milchapparat in voller
Thätigkeit beſaß und ſein Kind trotz der Mutter ernähren
konnte. Das iſt ja nun offenbar ſeltene Ausnahme ſtatt der
Regel. Aber auf alle Fälle ſitzen die männlichen Bruſtwarzen
da wie ein geheimes Wiſſen, ein geheimes Sicherinnern nun
gar auch des Mannesleibes an jenes Bedürfnis des Neu¬
geborenen — mag es auch ein Wiſſen und Erinnern ſein, das
für gewöhnlich zwecklos geworden iſt. Ich komme auf den
Punkt noch zurück. Denke für jetzt nur noch einmal an jenen
einſiedleriſchen Knaben auf Salas y Gomez, der nie, mit
Bewußtſein von der Exiſtenz von Weibern und Kindern erfährt.
Laß ihn weiſe werden wie Salomo: wie ſollte er wohl je
das dunkle Wiſſen und Deuten ſeines Leibes in dieſen ſeinen
eigenen Bruſtwarzen, die er alle Tage vor Augen ſieht, ver¬
ſtehen lernen?

[Abbildung]

Die Beiſpiele genügen, da ſie ja doch alle auf das gleiche
hinauslaufen. Ich denke, du ahnſt jetzt, welcher Weiſe da vor
dir liegt im grünen Uferkraut. Ein Adept, ein Wiſſender, der
dich wirklich wie ein Kind lehren mag.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0071" n="55"/>
        <p>Der Gipfel des Wunderbaren in die&#x017F;em Falle i&#x017F;t, daß<lb/>
&#x017F;ogar dein Mannesleib &#x2014; und das vollends ohne Zuthun<lb/>
deines Bewußt&#x017F;eins &#x2014; eine dunkle Kenntnis be&#x017F;itzt jenes<lb/>
Suppenapparates für den zahnlo&#x017F;en Säugling. Laß deine<lb/>
Hand über deine nackte Bru&#x017F;t gleiten. Was fühl&#x017F;t Du? Rechts<lb/>
und links eine Erhöhung, die Bru&#x017F;twarze. Sie ent&#x017F;pricht dem<lb/>
kleinen Saugpfropfen auf jeder Weiberbru&#x017F;t, den der Säugling<lb/>
&#x017F;o hüb&#x017F;ch zu benutzen weiß, wenn die Nährfla&#x017F;che gefüllt i&#x017F;t.<lb/>
Es &#x017F;ind in alten und neuen Zeiten immer wieder vereinzelte<lb/>
Fälle beobachtet worden, wo ein Mann nicht nur die Bru&#x017F;<lb/>
warzen, &#x017F;ondern auch den wirklichen Milchapparat in voller<lb/>
Thätigkeit be&#x017F;aß und &#x017F;ein Kind trotz der Mutter ernähren<lb/>
konnte. Das i&#x017F;t ja nun offenbar &#x017F;eltene Ausnahme &#x017F;tatt der<lb/>
Regel. Aber auf alle Fälle &#x017F;itzen die männlichen Bru&#x017F;twarzen<lb/>
da wie ein geheimes Wi&#x017F;&#x017F;en, ein geheimes Sicherinnern nun<lb/>
gar auch des Mannesleibes an jenes Bedürfnis des Neu¬<lb/>
geborenen &#x2014; mag es auch ein Wi&#x017F;&#x017F;en und Erinnern &#x017F;ein, das<lb/>
für gewöhnlich zwecklos geworden i&#x017F;t. Ich komme auf den<lb/>
Punkt noch zurück. Denke für jetzt nur noch einmal an jenen<lb/>
ein&#x017F;iedleri&#x017F;chen Knaben auf Salas y Gomez, der nie, mit<lb/>
Bewußt&#x017F;ein von der Exi&#x017F;tenz von Weibern und Kindern erfährt.<lb/>
Laß ihn wei&#x017F;e werden wie Salomo: wie &#x017F;ollte er wohl je<lb/>
das dunkle Wi&#x017F;&#x017F;en und Deuten &#x017F;eines Leibes in die&#x017F;en &#x017F;einen<lb/>
eigenen Bru&#x017F;twarzen, die er alle Tage vor Augen &#x017F;ieht, ver¬<lb/>
&#x017F;tehen lernen?</p><lb/>
        <figure/>
        <p>Die Bei&#x017F;piele genügen, da &#x017F;ie ja doch alle auf das gleiche<lb/>
hinauslaufen. Ich denke, du ahn&#x017F;t jetzt, welcher Wei&#x017F;e da vor<lb/>
dir liegt im grünen Uferkraut. Ein Adept, ein Wi&#x017F;&#x017F;ender, der<lb/>
dich wirklich wie ein Kind lehren mag.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0071] Der Gipfel des Wunderbaren in dieſem Falle iſt, daß ſogar dein Mannesleib — und das vollends ohne Zuthun deines Bewußtſeins — eine dunkle Kenntnis beſitzt jenes Suppenapparates für den zahnloſen Säugling. Laß deine Hand über deine nackte Bruſt gleiten. Was fühlſt Du? Rechts und links eine Erhöhung, die Bruſtwarze. Sie entſpricht dem kleinen Saugpfropfen auf jeder Weiberbruſt, den der Säugling ſo hübſch zu benutzen weiß, wenn die Nährflaſche gefüllt iſt. Es ſind in alten und neuen Zeiten immer wieder vereinzelte Fälle beobachtet worden, wo ein Mann nicht nur die Bruſt¬ warzen, ſondern auch den wirklichen Milchapparat in voller Thätigkeit beſaß und ſein Kind trotz der Mutter ernähren konnte. Das iſt ja nun offenbar ſeltene Ausnahme ſtatt der Regel. Aber auf alle Fälle ſitzen die männlichen Bruſtwarzen da wie ein geheimes Wiſſen, ein geheimes Sicherinnern nun gar auch des Mannesleibes an jenes Bedürfnis des Neu¬ geborenen — mag es auch ein Wiſſen und Erinnern ſein, das für gewöhnlich zwecklos geworden iſt. Ich komme auf den Punkt noch zurück. Denke für jetzt nur noch einmal an jenen einſiedleriſchen Knaben auf Salas y Gomez, der nie, mit Bewußtſein von der Exiſtenz von Weibern und Kindern erfährt. Laß ihn weiſe werden wie Salomo: wie ſollte er wohl je das dunkle Wiſſen und Deuten ſeines Leibes in dieſen ſeinen eigenen Bruſtwarzen, die er alle Tage vor Augen ſieht, ver¬ ſtehen lernen? [Abbildung] Die Beiſpiele genügen, da ſie ja doch alle auf das gleiche hinauslaufen. Ich denke, du ahnſt jetzt, welcher Weiſe da vor dir liegt im grünen Uferkraut. Ein Adept, ein Wiſſender, der dich wirklich wie ein Kind lehren mag.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/71
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/71>, abgerufen am 27.11.2024.