Diese ganze Loslösung und innere Wanderung des Eies ist aber durchaus eine aktive Geschlechtshandlung des Leibes. Er "weiß", um das Wörtchen noch einmal so anzubringen, daß von außen die Samentierchen gegen die Gebärmutter vor¬ dringen werden. Weiß, daß der Ort, wo die Entwickelung des befruchteten Eies am besten vor sich geht, die Gebärmutter ist. Weiß, daß in der geschlossenen Blase am Eierstock (dem sogenannten Follikel), in dem das Ei zunächst steckt, eine Be¬ fruchtung nicht möglich ist. Daher also das Entgegenkommen. Wenn das Mädchen wirklich Einsiedlerin ist, wird ja alles Ent¬ gegenkommen thatsächlich umsonst sein. Die Samenzellen werden sich nicht einfinden, ob auch allmonatlich mindestens eine har¬ rende Eizelle ihnen entgegen in die Gebärmutter wandere. Aber auch so: welche Weisheit der Zellen tief da drinnen im Geschlechtsapparat gegenüber dem Wissen dieses ganzen Mädchens, das weder weiß, was dieser monatliche Bluterguß überhaupt bedeute, noch in seiner Einsiedelei jemals aus sich selbst geistig auch nur darauf kommen wird, was für ein Unterschied zwischen Mann und Weib besteht und was ein Geschlechtsakt sein kann! Haben wir doch hinsichtlich der Blutung selbst bei uns unter Verhältnissen, die gar nichts mit Salas y Gomez zu thun haben, Mädchen und Frauen zu tausenden und abertausenden, die in ihrem ganzen Leben sich nie darüber unterrichtet haben, was diese Erscheinung soll. Sie nehmen sie wie eine häßliche Zu¬ fallsgabe, die das Schicksal mit dem edlen Begriffe Weib ver¬ knüpft hat. Und ahnen nie, wie sie gerade mit diesem Prozeß weit überflügelt werden durch die Weisheit ihres Leibes, ohne die das Menschengeschlecht längst elendiglich ausgestorben wäre. Diese rote Welle ist in der That eine Lebenswelle der Menschheit.
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Dieſe ganze Loslöſung und innere Wanderung des Eies iſt aber durchaus eine aktive Geſchlechtshandlung des Leibes. Er „weiß“, um das Wörtchen noch einmal ſo anzubringen, daß von außen die Samentierchen gegen die Gebärmutter vor¬ dringen werden. Weiß, daß der Ort, wo die Entwickelung des befruchteten Eies am beſten vor ſich geht, die Gebärmutter iſt. Weiß, daß in der geſchloſſenen Blaſe am Eierſtock (dem ſogenannten Follikel), in dem das Ei zunächſt ſteckt, eine Be¬ fruchtung nicht möglich iſt. Daher alſo das Entgegenkommen. Wenn das Mädchen wirklich Einſiedlerin iſt, wird ja alles Ent¬ gegenkommen thatſächlich umſonſt ſein. Die Samenzellen werden ſich nicht einfinden, ob auch allmonatlich mindeſtens eine har¬ rende Eizelle ihnen entgegen in die Gebärmutter wandere. Aber auch ſo: welche Weisheit der Zellen tief da drinnen im Geſchlechtsapparat gegenüber dem Wiſſen dieſes ganzen Mädchens, das weder weiß, was dieſer monatliche Bluterguß überhaupt bedeute, noch in ſeiner Einſiedelei jemals aus ſich ſelbſt geiſtig auch nur darauf kommen wird, was für ein Unterſchied zwiſchen Mann und Weib beſteht und was ein Geſchlechtsakt ſein kann! Haben wir doch hinſichtlich der Blutung ſelbſt bei uns unter Verhältniſſen, die gar nichts mit Salas y Gomez zu thun haben, Mädchen und Frauen zu tauſenden und abertauſenden, die in ihrem ganzen Leben ſich nie darüber unterrichtet haben, was dieſe Erſcheinung ſoll. Sie nehmen ſie wie eine häßliche Zu¬ fallsgabe, die das Schickſal mit dem edlen Begriffe Weib ver¬ knüpft hat. Und ahnen nie, wie ſie gerade mit dieſem Prozeß weit überflügelt werden durch die Weisheit ihres Leibes, ohne die das Menſchengeſchlecht längſt elendiglich ausgeſtorben wäre. Dieſe rote Welle iſt in der That eine Lebenswelle der Menſchheit.
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Dieſe ganze Loslöſung und innere Wanderung des Eies
iſt aber durchaus eine aktive Geſchlechtshandlung des Leibes.
Er „weiß“, um das Wörtchen noch einmal ſo anzubringen,
daß von außen die Samentierchen gegen die Gebärmutter vor¬
dringen werden. Weiß, daß der Ort, wo die Entwickelung
des befruchteten Eies am beſten vor ſich geht, die Gebärmutter
iſt. Weiß, daß in der geſchloſſenen Blaſe am Eierſtock (dem
ſogenannten Follikel), in dem das Ei zunächſt ſteckt, eine Be¬
fruchtung nicht möglich iſt. Daher alſo das Entgegenkommen.
Wenn das Mädchen wirklich Einſiedlerin iſt, wird ja alles Ent¬
gegenkommen thatſächlich umſonſt ſein. Die Samenzellen werden
ſich nicht einfinden, ob auch allmonatlich mindeſtens eine har¬
rende Eizelle ihnen entgegen in die Gebärmutter wandere.
Aber auch ſo: welche Weisheit der Zellen tief da drinnen im
Geſchlechtsapparat gegenüber dem Wiſſen dieſes ganzen Mädchens,
das weder weiß, was dieſer monatliche Bluterguß überhaupt
bedeute, noch in ſeiner Einſiedelei jemals aus ſich ſelbſt geiſtig
auch nur darauf kommen wird, was für ein Unterſchied zwiſchen
Mann und Weib beſteht und was ein Geſchlechtsakt ſein kann!
Haben wir doch hinſichtlich der Blutung ſelbſt bei uns unter
Verhältniſſen, die gar nichts mit Salas y Gomez zu thun haben,
Mädchen und Frauen zu tauſenden und abertauſenden, die in
ihrem ganzen Leben ſich nie darüber unterrichtet haben, was
dieſe Erſcheinung ſoll. Sie nehmen ſie wie eine häßliche Zu¬
fallsgabe, die das Schickſal mit dem edlen Begriffe Weib ver¬
knüpft hat. Und ahnen nie, wie ſie gerade mit dieſem Prozeß
weit überflügelt werden durch die Weisheit ihres Leibes, ohne
die das Menſchengeſchlecht längſt elendiglich ausgeſtorben wäre.
Dieſe rote Welle iſt in der That eine Lebenswelle der Menſchheit.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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