Stockwerk innerhalb unserer Gesamt-Individualität, -- ein Stück höher projizierten Leibes selbst.
Was unten tief darin lag als einfache Körperhandlung, kommt hier nur als komplizierte Geisteshandlung auf der gleichen Basis wieder heraus.
Und da jetzt zeigt sich für mich (immer im Apercu!) der eigentlich verknüpfende Punkt.
Der Leib bahnt Rhythmisches in Farben an. Nicht vom Centralbewußtsein aus. Bei den Hautteilchen für sich, die sich rhythmisch lagern. Mag wohl sein: die Liebeszeit mit ihrer er¬ höhten leiblichen Energie giebt da einen großen Drücker. Zumal jenseits aller Kampf- ums Dasein-Anpassungen. So kommt von hier reiches rhythmisches, schon auf Schönheit gestimmtes Material entgegen. Das nun faßt aber das obere Stockwerk der Liebes-Individualitäten durch das Auge und Gehirn des wählenden Weibchens und baut es nach dem Prinzip der ge¬ schlechtlichen Zuchtwahl aus.
Die Schlange beißt sich in den Schwanz. Der "dunkle Punkt" erscheint in dieser Betrachtungsart nur wie die untere Hälfte desselben Prinzips, das oben vom Gehirn aus wählt. Unten dumpfer rhythmischer Drang der Hautteile, sich, wenn Rotlagerung gegeben, nun auch zu Grünlagerung und endlich Weißlagerung daneben zu ordnen. Die Einzelteilchen fühlen sich physikalisch und seelisch beruhigt dabei. Zugleich aber wirkt das nach oben in andere, höhere Zellenressorts als An¬ lage zu "Schönem", wie man es vergeistigt dort faßt. Die eigentlich ästhetische Auslese nimmt von oben jetzt das Heft in die Hand, dirigiert die letzte plumpe Unvollkommenheit, wählt so zu sagen von tausend Modellen stets wieder das vom über¬ schauenden Auge aus vollkommenste -- und schafft so endlich das große Fazit in Darwins Sinn.
Es ist das Hübscheste immer, wie hier das obere Prinzip bloß als Entwickelungsstufe des unteren erscheint. Im Geistigen bricht das Ästhetische sehend und wählend aus, das unten schon
Stockwerk innerhalb unſerer Geſamt-Individualität, — ein Stück höher projizierten Leibes ſelbſt.
Was unten tief darin lag als einfache Körperhandlung, kommt hier nur als komplizierte Geiſteshandlung auf der gleichen Baſis wieder heraus.
Und da jetzt zeigt ſich für mich (immer im Aperçu!) der eigentlich verknüpfende Punkt.
Der Leib bahnt Rhythmiſches in Farben an. Nicht vom Centralbewußtſein aus. Bei den Hautteilchen für ſich, die ſich rhythmiſch lagern. Mag wohl ſein: die Liebeszeit mit ihrer er¬ höhten leiblichen Energie giebt da einen großen Drücker. Zumal jenſeits aller Kampf- ums Daſein-Anpaſſungen. So kommt von hier reiches rhythmiſches, ſchon auf Schönheit geſtimmtes Material entgegen. Das nun faßt aber das obere Stockwerk der Liebes-Individualitäten durch das Auge und Gehirn des wählenden Weibchens und baut es nach dem Prinzip der ge¬ ſchlechtlichen Zuchtwahl aus.
Die Schlange beißt ſich in den Schwanz. Der „dunkle Punkt“ erſcheint in dieſer Betrachtungsart nur wie die untere Hälfte deſſelben Prinzips, das oben vom Gehirn aus wählt. Unten dumpfer rhythmiſcher Drang der Hautteile, ſich, wenn Rotlagerung gegeben, nun auch zu Grünlagerung und endlich Weißlagerung daneben zu ordnen. Die Einzelteilchen fühlen ſich phyſikaliſch und ſeeliſch beruhigt dabei. Zugleich aber wirkt das nach oben in andere, höhere Zellenreſſorts als An¬ lage zu „Schönem“, wie man es vergeiſtigt dort faßt. Die eigentlich äſthetiſche Ausleſe nimmt von oben jetzt das Heft in die Hand, dirigiert die letzte plumpe Unvollkommenheit, wählt ſo zu ſagen von tauſend Modellen ſtets wieder das vom über¬ ſchauenden Auge aus vollkommenſte — und ſchafft ſo endlich das große Fazit in Darwins Sinn.
Es iſt das Hübſcheſte immer, wie hier das obere Prinzip bloß als Entwickelungsſtufe des unteren erſcheint. Im Geiſtigen bricht das Äſthetiſche ſehend und wählend aus, das unten ſchon
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Stockwerk innerhalb unſerer Geſamt-Individualität, —
ein Stück höher projizierten Leibes ſelbſt.
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kommt hier nur als komplizierte Geiſteshandlung auf der
gleichen Baſis wieder heraus.
Und da jetzt zeigt ſich für mich (immer im Aperçu!) der
eigentlich verknüpfende Punkt.
Der Leib bahnt Rhythmiſches in Farben an. Nicht vom
Centralbewußtſein aus. Bei den Hautteilchen für ſich, die ſich
rhythmiſch lagern. Mag wohl ſein: die Liebeszeit mit ihrer er¬
höhten leiblichen Energie giebt da einen großen Drücker. Zumal
jenſeits aller Kampf- ums Daſein-Anpaſſungen. So kommt
von hier reiches rhythmiſches, ſchon auf Schönheit geſtimmtes
Material entgegen. Das nun faßt aber das obere Stockwerk
der Liebes-Individualitäten durch das Auge und Gehirn des
wählenden Weibchens und baut es nach dem Prinzip der ge¬
ſchlechtlichen Zuchtwahl aus.
Die Schlange beißt ſich in den Schwanz. Der „dunkle
Punkt“ erſcheint in dieſer Betrachtungsart nur wie die untere
Hälfte deſſelben Prinzips, das oben vom Gehirn aus wählt.
Unten dumpfer rhythmiſcher Drang der Hautteile, ſich, wenn
Rotlagerung gegeben, nun auch zu Grünlagerung und endlich
Weißlagerung daneben zu ordnen. Die Einzelteilchen fühlen
ſich phyſikaliſch und ſeeliſch beruhigt dabei. Zugleich aber
wirkt das nach oben in andere, höhere Zellenreſſorts als An¬
lage zu „Schönem“, wie man es vergeiſtigt dort faßt. Die
eigentlich äſthetiſche Ausleſe nimmt von oben jetzt das Heft in
die Hand, dirigiert die letzte plumpe Unvollkommenheit, wählt
ſo zu ſagen von tauſend Modellen ſtets wieder das vom über¬
ſchauenden Auge aus vollkommenſte — und ſchafft ſo endlich
das große Fazit in Darwins Sinn.
Es iſt das Hübſcheſte immer, wie hier das obere Prinzip
bloß als Entwickelungsſtufe des unteren erſcheint. Im Geiſtigen
bricht das Äſthetiſche ſehend und wählend aus, das unten ſchon
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/409>, abgerufen am 24.11.2024.
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