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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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diesvögeln, daß er geradezu mit ihnen vereinigt werden kann,
und auf alle Fälle ist er ein Muster dafür, was wir vom Gehirn
etwa auch unseres blauen Rudolfs-Vogels zu gewärtigen haben.

Bloß daß der Ort diesmal das Festland von Australien ist.

Dort im "Skrub", im echten neuholländischen Busch, hausen
wundersame Tiere aller Art. Da huscht nachts das groteske
Echidna-Tier aus seinem Versteck, das Land-Schnabeltier, das,
obwohl ein Säugetier, doch noch Eier legt wie ein Vogel. Da
scharrt das Skrub-Truthuhn, der berühmte Talegallus-Vogel,
der irgendwie in seinem Vogelverstande doch ein großes Gesetz
der Chemie dämmernd entdeckt hat: daß nämlich gewisse
Gährungserscheinungen faulender Pflanzenstoffe Wärme erzeugen.
Es ist das Gesetz, nach dem feuchte Heuschober sich so leicht
im Innern selbst entzünden. Der Talegallus aber hat diese
Sache von der praktischen Seite genommen: er scharrt Haufen
von Blätter, Gras und Pilzen bis zu zwei Metern Höhe und
vier Metern Umfang zusammen, und in diese kleinen Schober
legt er seine Eier, damit die entstehende Wärme sie ausbrüte
wie ein Brutofen. Dabei weiß er genau wie ein Kenner auf
die Sache zu achten: täglich mehrmals kommen die Alten
heran, lüften die Eier, die bis zu Metertiefe eingegraben liegen,
schauen nach, ob die Hitze sich auch richtig entwickelt hat oder
ob sie umgekehrt nicht zu hoch gestiegen ist. Zuletzt helfen sie
dem ausgeschlüpften jungen Küken dann aus seinem warmen
Neste heraus -- nützliche Beiträge auch das zu dem oben an¬
geschlagenen Thema vom Vogel-Gehirn.

Hier also im düsteren, einförmigen Busch, wo höchstens
am Rande einmal ein paar gelbe Blüten etwas "Schönheit"
wecken -- zwischen umgefallenen Stämmen, abgestorbenen Zweigen
und jenen künstlichen Hügeln der Talegallus-Hühner, -- hier
lebt auch jener Kragenvogel oder Laubenvogel: die nicht minder
bei allen Tierkundigen berühmte Chlamydodera.

Richard Semon hat sie neuerdings wieder an Ort und
Stelle genau beobachtet. Der Vogel selbst besitzt nicht die

diesvögeln, daß er geradezu mit ihnen vereinigt werden kann,
und auf alle Fälle iſt er ein Muſter dafür, was wir vom Gehirn
etwa auch unſeres blauen Rudolfs-Vogels zu gewärtigen haben.

Bloß daß der Ort diesmal das Feſtland von Auſtralien iſt.

Dort im „Skrub“, im echten neuholländiſchen Buſch, hauſen
wunderſame Tiere aller Art. Da huſcht nachts das groteske
Echidna-Tier aus ſeinem Verſteck, das Land-Schnabeltier, das,
obwohl ein Säugetier, doch noch Eier legt wie ein Vogel. Da
ſcharrt das Skrub-Truthuhn, der berühmte Talegallus-Vogel,
der irgendwie in ſeinem Vogelverſtande doch ein großes Geſetz
der Chemie dämmernd entdeckt hat: daß nämlich gewiſſe
Gährungserſcheinungen faulender Pflanzenſtoffe Wärme erzeugen.
Es iſt das Geſetz, nach dem feuchte Heuſchober ſich ſo leicht
im Innern ſelbſt entzünden. Der Talegallus aber hat dieſe
Sache von der praktiſchen Seite genommen: er ſcharrt Haufen
von Blätter, Gras und Pilzen bis zu zwei Metern Höhe und
vier Metern Umfang zuſammen, und in dieſe kleinen Schober
legt er ſeine Eier, damit die entſtehende Wärme ſie ausbrüte
wie ein Brutofen. Dabei weiß er genau wie ein Kenner auf
die Sache zu achten: täglich mehrmals kommen die Alten
heran, lüften die Eier, die bis zu Metertiefe eingegraben liegen,
ſchauen nach, ob die Hitze ſich auch richtig entwickelt hat oder
ob ſie umgekehrt nicht zu hoch geſtiegen iſt. Zuletzt helfen ſie
dem ausgeſchlüpften jungen Küken dann aus ſeinem warmen
Neſte heraus — nützliche Beiträge auch das zu dem oben an¬
geſchlagenen Thema vom Vogel-Gehirn.

Hier alſo im düſteren, einförmigen Buſch, wo höchſtens
am Rande einmal ein paar gelbe Blüten etwas „Schönheit“
wecken — zwiſchen umgefallenen Stämmen, abgeſtorbenen Zweigen
und jenen künſtlichen Hügeln der Talegallus-Hühner, — hier
lebt auch jener Kragenvogel oder Laubenvogel: die nicht minder
bei allen Tierkundigen berühmte Chlamydodera.

Richard Semon hat ſie neuerdings wieder an Ort und
Stelle genau beobachtet. Der Vogel ſelbſt beſitzt nicht die

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[356/0372] diesvögeln, daß er geradezu mit ihnen vereinigt werden kann, und auf alle Fälle iſt er ein Muſter dafür, was wir vom Gehirn etwa auch unſeres blauen Rudolfs-Vogels zu gewärtigen haben. Bloß daß der Ort diesmal das Feſtland von Auſtralien iſt. Dort im „Skrub“, im echten neuholländiſchen Buſch, hauſen wunderſame Tiere aller Art. Da huſcht nachts das groteske Echidna-Tier aus ſeinem Verſteck, das Land-Schnabeltier, das, obwohl ein Säugetier, doch noch Eier legt wie ein Vogel. Da ſcharrt das Skrub-Truthuhn, der berühmte Talegallus-Vogel, der irgendwie in ſeinem Vogelverſtande doch ein großes Geſetz der Chemie dämmernd entdeckt hat: daß nämlich gewiſſe Gährungserſcheinungen faulender Pflanzenſtoffe Wärme erzeugen. Es iſt das Geſetz, nach dem feuchte Heuſchober ſich ſo leicht im Innern ſelbſt entzünden. Der Talegallus aber hat dieſe Sache von der praktiſchen Seite genommen: er ſcharrt Haufen von Blätter, Gras und Pilzen bis zu zwei Metern Höhe und vier Metern Umfang zuſammen, und in dieſe kleinen Schober legt er ſeine Eier, damit die entſtehende Wärme ſie ausbrüte wie ein Brutofen. Dabei weiß er genau wie ein Kenner auf die Sache zu achten: täglich mehrmals kommen die Alten heran, lüften die Eier, die bis zu Metertiefe eingegraben liegen, ſchauen nach, ob die Hitze ſich auch richtig entwickelt hat oder ob ſie umgekehrt nicht zu hoch geſtiegen iſt. Zuletzt helfen ſie dem ausgeſchlüpften jungen Küken dann aus ſeinem warmen Neſte heraus — nützliche Beiträge auch das zu dem oben an¬ geſchlagenen Thema vom Vogel-Gehirn. Hier alſo im düſteren, einförmigen Buſch, wo höchſtens am Rande einmal ein paar gelbe Blüten etwas „Schönheit“ wecken — zwiſchen umgefallenen Stämmen, abgeſtorbenen Zweigen und jenen künſtlichen Hügeln der Talegallus-Hühner, — hier lebt auch jener Kragenvogel oder Laubenvogel: die nicht minder bei allen Tierkundigen berühmte Chlamydodera. Richard Semon hat ſie neuerdings wieder an Ort und Stelle genau beobachtet. Der Vogel ſelbſt beſitzt nicht die

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/372>, abgerufen am 22.11.2024.