in grünem oder violettem oder goldrotem Erzglanz wie eine große Flamme heraus, ungeheuerliche Kopfhauben, lange Papa¬ geienschwänze, Fächer und Diademe aller Art. Und immer daß der Beschauer staunt: wie schön! Abbildungen zeigen dir durchweg nur ein ganz ungenügendes Bild, zumal sie meist die Metallfarben stumpf wiedergeben. Aber eine echte Sammlung wie diese Dresdener überwältigt, bezwingt.
Du mußt nachdenken, mußt überlegen, was das soll: solcher Schönheitsrausch bei Geschöpfen eines entlegensten Ur¬ waldes.
Noch heute ist Neu-Guinea ja im Innern das unbekannteste Land der Erde. Schon der brave Wallace empfand es, wie dieses spröde Heiligtum der Natur ordentlich verbarrikadiert war, als sollte der Mensch nicht heran. Unablässig rollt der volle Wellenschlag des Stillen Ozeans gegen die Nordküste an. "Das ganze Land ist felsig und gebirgig, überall mit dichten Wäldern bedeckt und bietet in seinen Sümpfen, Abgründen und gezackten Bergrücken ein fast unübersteigbares Hindernis gegen das unbekannte Innere hin. Die Bewohner sind gefähr¬ liche Wilde auf dem niedrigsten Zustande der Barbarei. In solch einem Lande und unter solch einem Volke findet man diese wundervollen Naturprodukte, deren auserlesene Schönheit in Form und Farbe und in der seltsamen Entwickelung des Gefieders darauf angelegt ist, die Bewunderung und das Staunen der zivilisiertesten und geistig am weitesten vorgeschrittenen Menschen zu erregen und dem Naturforscher unerschöpfliches Material für sein Studium, dem Philosophen für seine Spe¬ kulationen zu gewähren." So Wallace vor beinahe dreißig Jahren. Die Situation ist noch immer im wesentlichen scharf gezeichnet.
Mir aber, wie ich so von der Sixtinischen Madonna zur Paradisea Rudolphi kam, durch die That weniger Schritte im Zwingergarten zu Dresden, drängte sich mit tiefem Nachdruck die Frage auf: wo liegt hier das Band? Und giebt es wirklich eins?
in grünem oder violettem oder goldrotem Erzglanz wie eine große Flamme heraus, ungeheuerliche Kopfhauben, lange Papa¬ geienſchwänze, Fächer und Diademe aller Art. Und immer daß der Beſchauer ſtaunt: wie ſchön! Abbildungen zeigen dir durchweg nur ein ganz ungenügendes Bild, zumal ſie meiſt die Metallfarben ſtumpf wiedergeben. Aber eine echte Sammlung wie dieſe Dresdener überwältigt, bezwingt.
Du mußt nachdenken, mußt überlegen, was das ſoll: ſolcher Schönheitsrauſch bei Geſchöpfen eines entlegenſten Ur¬ waldes.
Noch heute iſt Neu-Guinea ja im Innern das unbekannteſte Land der Erde. Schon der brave Wallace empfand es, wie dieſes ſpröde Heiligtum der Natur ordentlich verbarrikadiert war, als ſollte der Menſch nicht heran. Unabläſſig rollt der volle Wellenſchlag des Stillen Ozeans gegen die Nordküſte an. „Das ganze Land iſt felſig und gebirgig, überall mit dichten Wäldern bedeckt und bietet in ſeinen Sümpfen, Abgründen und gezackten Bergrücken ein faſt unüberſteigbares Hindernis gegen das unbekannte Innere hin. Die Bewohner ſind gefähr¬ liche Wilde auf dem niedrigſten Zuſtande der Barbarei. In ſolch einem Lande und unter ſolch einem Volke findet man dieſe wundervollen Naturprodukte, deren auserleſene Schönheit in Form und Farbe und in der ſeltſamen Entwickelung des Gefieders darauf angelegt iſt, die Bewunderung und das Staunen der ziviliſierteſten und geiſtig am weiteſten vorgeſchrittenen Menſchen zu erregen und dem Naturforſcher unerſchöpfliches Material für ſein Studium, dem Philoſophen für ſeine Spe¬ kulationen zu gewähren.“ So Wallace vor beinahe dreißig Jahren. Die Situation iſt noch immer im weſentlichen ſcharf gezeichnet.
Mir aber, wie ich ſo von der Sixtiniſchen Madonna zur Paradisea Rudolphi kam, durch die That weniger Schritte im Zwingergarten zu Dresden, drängte ſich mit tiefem Nachdruck die Frage auf: wo liegt hier das Band? Und giebt es wirklich eins?
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in grünem oder violettem oder goldrotem Erzglanz wie eine
große Flamme heraus, ungeheuerliche Kopfhauben, lange Papa¬
geienſchwänze, Fächer und Diademe aller Art. Und immer
daß der Beſchauer ſtaunt: wie ſchön! Abbildungen zeigen dir
durchweg nur ein ganz ungenügendes Bild, zumal ſie meiſt
die Metallfarben ſtumpf wiedergeben. Aber eine echte Sammlung
wie dieſe Dresdener überwältigt, bezwingt.
Du mußt nachdenken, mußt überlegen, was das ſoll:
ſolcher Schönheitsrauſch bei Geſchöpfen eines entlegenſten Ur¬
waldes.
Noch heute iſt Neu-Guinea ja im Innern das unbekannteſte
Land der Erde. Schon der brave Wallace empfand es, wie
dieſes ſpröde Heiligtum der Natur ordentlich verbarrikadiert
war, als ſollte der Menſch nicht heran. Unabläſſig rollt der
volle Wellenſchlag des Stillen Ozeans gegen die Nordküſte an.
„Das ganze Land iſt felſig und gebirgig, überall mit dichten
Wäldern bedeckt und bietet in ſeinen Sümpfen, Abgründen
und gezackten Bergrücken ein faſt unüberſteigbares Hindernis
gegen das unbekannte Innere hin. Die Bewohner ſind gefähr¬
liche Wilde auf dem niedrigſten Zuſtande der Barbarei. In
ſolch einem Lande und unter ſolch einem Volke findet man
dieſe wundervollen Naturprodukte, deren auserleſene Schönheit
in Form und Farbe und in der ſeltſamen Entwickelung des
Gefieders darauf angelegt iſt, die Bewunderung und das Staunen
der ziviliſierteſten und geiſtig am weiteſten vorgeſchrittenen
Menſchen zu erregen und dem Naturforſcher unerſchöpfliches
Material für ſein Studium, dem Philoſophen für ſeine Spe¬
kulationen zu gewähren.“ So Wallace vor beinahe dreißig
Jahren. Die Situation iſt noch immer im weſentlichen ſcharf
gezeichnet.
Mir aber, wie ich ſo von der Sixtiniſchen Madonna zur
Paradisea Rudolphi kam, durch die That weniger Schritte im
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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