rot, mit einem Glast gesponnenen Glases, der sich auf dem Kopf zu einem sammetenen Orange verklärt. Die Bauchseite sei seidenweiß, wo aber diese weiße Seide an den roten Sammet des Kopfes stoßen will, etwas unter der Kehle, da spinnt sich dazwischen noch ein Band von tiefem Smaragdgrün wie der Bausch einer Ordensschleife. Goldgelb sticht der Schnabel aus dem Rot, kobaltblau die Füße aus dem Weiß. Rechts und links von dem grünen Brustbande aber erheben sich, von den zimmetroten Schwingen unabhängig, je ein Büschel langer Federn fächerartig empor, jeder Fächer erst silbergrau, dann gegen den Rand abermals grün wie ein Reifen schillernder Smaragde. Und endlich aus dem roten Schwanz sich zu un¬ geheurer Länge leierartig herauslösend zwei dünne Federstrahlen, deren Spitzen halbseitig mit goldgrünem Fahnenbart versehen und spiralig eingerollt je ein schillerndes Smaragdplättchen abermals für sich bilden, -- eine feenhaft nachschwebende Guir¬ lande, wie sie kein zweiter Vogel der Welt so besitzt.
Sage und Naturforscher-Romantik weben sich gleichmäßig um diesen Prachtkerl.
Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts berichtet der alte Konrad Geßner von ihm.
Mit allerlei Köstlichkeiten war von den Sunda-Inseln auch ab und zu ein Balg von ihm herübergekommen. Wo er eigentlich zu Hause war, konnte man nicht wissen, denn die ganze Wunderwelt von Neu-Guinea, das wahre Paradies dieser Paradiesier, lag der Geographie von damals ja noch im Nebel. Aber einen einheimischen Namen will Geßner schon kennen: Manucodiata, das "Vögelein Gottes". Ohne Füße werden sie geboren, diese Vögelein Gottes, wie er meint. Nie berühren sie im Leben die profane Erde. Des Männleins Rücken bildet einen hohlen Winkel und das Weiblein hat einen vertieften Bauch. Indem die Eltern sich nun eng aneinander schmiegen, bilden sie so zwischen sich ein natürliches warmes Nest, in dem die Eier ausgebrütet werden, während das Elternpaar in
rot, mit einem Glaſt geſponnenen Glaſes, der ſich auf dem Kopf zu einem ſammetenen Orange verklärt. Die Bauchſeite ſei ſeidenweiß, wo aber dieſe weiße Seide an den roten Sammet des Kopfes ſtoßen will, etwas unter der Kehle, da ſpinnt ſich dazwiſchen noch ein Band von tiefem Smaragdgrün wie der Bauſch einer Ordensſchleife. Goldgelb ſticht der Schnabel aus dem Rot, kobaltblau die Füße aus dem Weiß. Rechts und links von dem grünen Bruſtbande aber erheben ſich, von den zimmetroten Schwingen unabhängig, je ein Büſchel langer Federn fächerartig empor, jeder Fächer erſt ſilbergrau, dann gegen den Rand abermals grün wie ein Reifen ſchillernder Smaragde. Und endlich aus dem roten Schwanz ſich zu un¬ geheurer Länge leierartig herauslöſend zwei dünne Federſtrahlen, deren Spitzen halbſeitig mit goldgrünem Fahnenbart verſehen und ſpiralig eingerollt je ein ſchillerndes Smaragdplättchen abermals für ſich bilden, — eine feenhaft nachſchwebende Guir¬ lande, wie ſie kein zweiter Vogel der Welt ſo beſitzt.
Sage und Naturforſcher-Romantik weben ſich gleichmäßig um dieſen Prachtkerl.
Um die Mitte des ſechzehnten Jahrhunderts berichtet der alte Konrad Geßner von ihm.
Mit allerlei Köſtlichkeiten war von den Sunda-Inſeln auch ab und zu ein Balg von ihm herübergekommen. Wo er eigentlich zu Hauſe war, konnte man nicht wiſſen, denn die ganze Wunderwelt von Neu-Guinea, das wahre Paradies dieſer Paradieſier, lag der Geographie von damals ja noch im Nebel. Aber einen einheimiſchen Namen will Geßner ſchon kennen: Manucodiata, das „Vögelein Gottes“. Ohne Füße werden ſie geboren, dieſe Vögelein Gottes, wie er meint. Nie berühren ſie im Leben die profane Erde. Des Männleins Rücken bildet einen hohlen Winkel und das Weiblein hat einen vertieften Bauch. Indem die Eltern ſich nun eng aneinander ſchmiegen, bilden ſie ſo zwiſchen ſich ein natürliches warmes Neſt, in dem die Eier ausgebrütet werden, während das Elternpaar in
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rot, mit einem Glaſt geſponnenen Glaſes, der ſich auf dem Kopf
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ſeidenweiß, wo aber dieſe weiße Seide an den roten Sammet
des Kopfes ſtoßen will, etwas unter der Kehle, da ſpinnt ſich
dazwiſchen noch ein Band von tiefem Smaragdgrün wie der
Bauſch einer Ordensſchleife. Goldgelb ſticht der Schnabel aus
dem Rot, kobaltblau die Füße aus dem Weiß. Rechts und
links von dem grünen Bruſtbande aber erheben ſich, von den
zimmetroten Schwingen unabhängig, je ein Büſchel langer
Federn fächerartig empor, jeder Fächer erſt ſilbergrau, dann
gegen den Rand abermals grün wie ein Reifen ſchillernder
Smaragde. Und endlich aus dem roten Schwanz ſich zu un¬
geheurer Länge leierartig herauslöſend zwei dünne Federſtrahlen,
deren Spitzen halbſeitig mit goldgrünem Fahnenbart verſehen
und ſpiralig eingerollt je ein ſchillerndes Smaragdplättchen
abermals für ſich bilden, — eine feenhaft nachſchwebende Guir¬
lande, wie ſie kein zweiter Vogel der Welt ſo beſitzt.
Sage und Naturforſcher-Romantik weben ſich gleichmäßig
um dieſen Prachtkerl.
Um die Mitte des ſechzehnten Jahrhunderts berichtet der
alte Konrad Geßner von ihm.
Mit allerlei Köſtlichkeiten war von den Sunda-Inſeln
auch ab und zu ein Balg von ihm herübergekommen. Wo er
eigentlich zu Hauſe war, konnte man nicht wiſſen, denn die
ganze Wunderwelt von Neu-Guinea, das wahre Paradies dieſer
Paradieſier, lag der Geographie von damals ja noch im Nebel.
Aber einen einheimiſchen Namen will Geßner ſchon kennen:
Manucodiata, das „Vögelein Gottes“. Ohne Füße werden
ſie geboren, dieſe Vögelein Gottes, wie er meint. Nie berühren
ſie im Leben die profane Erde. Des Männleins Rücken bildet
einen hohlen Winkel und das Weiblein hat einen vertieften
Bauch. Indem die Eltern ſich nun eng aneinander ſchmiegen,
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/359>, abgerufen am 22.11.2024.
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