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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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ihres Netzes. Allmählich siehst du dann auch, daß zum Beispiel
diese oder jene Stelle der Haut nur noch Licht empfindet für
alle anderen mit. Du siehst diese Stelle nach innen in
Kontakt bleiben mit jenem Gehirn durch eine bestimmte Haut¬
faser, den Sehnerv -- und du siehst zugleich, wie sie außen
einsinkt, eine Grube erst bildet, dann eine Tasche, endlich eine
geschlossene, bloß vorne für Licht durchlässige Kapsel, -- wie
sie, mit anderen Worten, erst nach und nach zum Auge wird.
Das ganze höhere Tierreich ist dieser sinnreichen Fortschritte
fortlaufendes Exempel.

Nun denn: auf die Haut also führt uns auch das ganze
Empfindungsgebiet der Liebe bei den vielzelligen Wesen offen¬
bar zurück.

Die Haut wurde der große Kuppler, der allherrschende
Liebesvermittler und Liebesträger für die vielzelligen Tiere,
die nicht mehr auf echte Ganzvermischung hinlieben durften,
sondern nur mehr Distanceliebe, Berührungsliebe pflegten.
Und so ist die Haut denn auch die ursprüngliche Wolluststätte
geworden, der Schauplatz für den höchsten körperlichen Lust¬
triumph dieser Distanceliebe.

Über die Anteilnahme der Haut an den Liebesdingen stelle
da nun zunächst einmal mit dir selber ein kurzes Verhör an.
Du bist allerdings mit deinem ungeheuren Gehirn, deinem
endlose Weiten durchtauchenden Gedächtnis, deiner jederzeit
fest gestaltenden Phantasiethätigkeit, deiner geheimen Schulung
auf tausend Kulturmittel, Kulturabkürzungen, Kulturstenogramme
ein äußerst schwieriges Beispiel. Trotzdem laß uns einmal grob
hersagen.

Deine Haut nimmt Anteil an deiner Liebeserregung
zunächst als Netzhaut. Beim Sehen. Anblick des weiblichen
Körpers, Anblick der speziellen Geliebten und so weiter.

Dann als Tastorgan für Schallwellen. Als Ohr. Mensch¬
liche Stimme, Gespräch, Gesang, Musik. Über erotische Wir¬
kungen durch Musik besteht wohl schlechterdings kein Zweifel.

ihres Netzes. Allmählich ſiehſt du dann auch, daß zum Beiſpiel
dieſe oder jene Stelle der Haut nur noch Licht empfindet für
alle anderen mit. Du ſiehſt dieſe Stelle nach innen in
Kontakt bleiben mit jenem Gehirn durch eine beſtimmte Haut¬
faſer, den Sehnerv — und du ſiehſt zugleich, wie ſie außen
einſinkt, eine Grube erſt bildet, dann eine Taſche, endlich eine
geſchloſſene, bloß vorne für Licht durchläſſige Kapſel, — wie
ſie, mit anderen Worten, erſt nach und nach zum Auge wird.
Das ganze höhere Tierreich iſt dieſer ſinnreichen Fortſchritte
fortlaufendes Exempel.

Nun denn: auf die Haut alſo führt uns auch das ganze
Empfindungsgebiet der Liebe bei den vielzelligen Weſen offen¬
bar zurück.

Die Haut wurde der große Kuppler, der allherrſchende
Liebesvermittler und Liebesträger für die vielzelligen Tiere,
die nicht mehr auf echte Ganzvermiſchung hinlieben durften,
ſondern nur mehr Diſtanceliebe, Berührungsliebe pflegten.
Und ſo iſt die Haut denn auch die urſprüngliche Wolluſtſtätte
geworden, der Schauplatz für den höchſten körperlichen Luſt¬
triumph dieſer Diſtanceliebe.

Über die Anteilnahme der Haut an den Liebesdingen ſtelle
da nun zunächſt einmal mit dir ſelber ein kurzes Verhör an.
Du biſt allerdings mit deinem ungeheuren Gehirn, deinem
endloſe Weiten durchtauchenden Gedächtnis, deiner jederzeit
feſt geſtaltenden Phantaſiethätigkeit, deiner geheimen Schulung
auf tauſend Kulturmittel, Kulturabkürzungen, Kulturſtenogramme
ein äußerſt ſchwieriges Beiſpiel. Trotzdem laß uns einmal grob
herſagen.

Deine Haut nimmt Anteil an deiner Liebeserregung
zunächſt als Netzhaut. Beim Sehen. Anblick des weiblichen
Körpers, Anblick der ſpeziellen Geliebten und ſo weiter.

Dann als Taſtorgan für Schallwellen. Als Ohr. Menſch¬
liche Stimme, Geſpräch, Geſang, Muſik. Über erotiſche Wir¬
kungen durch Muſik beſteht wohl ſchlechterdings kein Zweifel.

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[311/0327] ihres Netzes. Allmählich ſiehſt du dann auch, daß zum Beiſpiel dieſe oder jene Stelle der Haut nur noch Licht empfindet für alle anderen mit. Du ſiehſt dieſe Stelle nach innen in Kontakt bleiben mit jenem Gehirn durch eine beſtimmte Haut¬ faſer, den Sehnerv — und du ſiehſt zugleich, wie ſie außen einſinkt, eine Grube erſt bildet, dann eine Taſche, endlich eine geſchloſſene, bloß vorne für Licht durchläſſige Kapſel, — wie ſie, mit anderen Worten, erſt nach und nach zum Auge wird. Das ganze höhere Tierreich iſt dieſer ſinnreichen Fortſchritte fortlaufendes Exempel. Nun denn: auf die Haut alſo führt uns auch das ganze Empfindungsgebiet der Liebe bei den vielzelligen Weſen offen¬ bar zurück. Die Haut wurde der große Kuppler, der allherrſchende Liebesvermittler und Liebesträger für die vielzelligen Tiere, die nicht mehr auf echte Ganzvermiſchung hinlieben durften, ſondern nur mehr Diſtanceliebe, Berührungsliebe pflegten. Und ſo iſt die Haut denn auch die urſprüngliche Wolluſtſtätte geworden, der Schauplatz für den höchſten körperlichen Luſt¬ triumph dieſer Diſtanceliebe. Über die Anteilnahme der Haut an den Liebesdingen ſtelle da nun zunächſt einmal mit dir ſelber ein kurzes Verhör an. Du biſt allerdings mit deinem ungeheuren Gehirn, deinem endloſe Weiten durchtauchenden Gedächtnis, deiner jederzeit feſt geſtaltenden Phantaſiethätigkeit, deiner geheimen Schulung auf tauſend Kulturmittel, Kulturabkürzungen, Kulturſtenogramme ein äußerſt ſchwieriges Beiſpiel. Trotzdem laß uns einmal grob herſagen. Deine Haut nimmt Anteil an deiner Liebeserregung zunächſt als Netzhaut. Beim Sehen. Anblick des weiblichen Körpers, Anblick der ſpeziellen Geliebten und ſo weiter. Dann als Taſtorgan für Schallwellen. Als Ohr. Menſch¬ liche Stimme, Geſpräch, Geſang, Muſik. Über erotiſche Wir¬ kungen durch Muſik beſteht wohl ſchlechterdings kein Zweifel.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/327>, abgerufen am 22.11.2024.