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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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ihre "Fühlung" im eigentlichsten Sinne mit der Körperober¬
fläche, also dem alten echten Sitze der Haut.

Noch immer, auch bei dir, nimmt diese Außenhaut zunächst
die Lichtwellen, wie die Schallwellen, das ärgerliche Piken der
Nadel wie die behagliche Wärme der Maiensonne und so weiter
und weiter zunächst auf. Der eigentliche Sitz der Empfindung
ist dann freilich nicht mehr gleich an der Aufnahmestelle der
Oberfläche, sondern es schaltet sich noch der Telegraphendraht
des Nervs ein, der den Licht-, Schall-, Stoß- oder Wärmereiz
ins innere Hautorgan, also das Rückenmark und Gehirn, be¬
fördert. Auch hat sich die Hautoberfläche mehrfach bei dir
schon in bestimmter Weise selber wieder in die Arbeit geteilt.
Zwei Stellen, die Augen, passen ausschließlich auf Lichtreize.
Zwei, die Ohren, nur auf Gehörsreize. Zwei in der Nase ledig¬
lich auf Geruchsreize. In diesem Falle haben sich sogar diese
äußeren Aufnahmestellen nochmals wieder etwas eingesenkt und
geschützt: die Netzhautstellen für das Licht liegen tief hinter einer
durchsichtigen Oberhautstelle; ebenso ist das Ohr eine geschlossene
Kapsel geworden; und die Nase bildet mindestens eine Tasche
mit ihrer riechenden Schleimhaut.

Nur die Reaktion auf Druck und Temperatur ist fast der
ganzen Hautoberfläche gemeinsam geblieben, -- wo ich dich an
Arm oder Bein oder Schulter oder Brust mit der Nadel pike,
fühlst du es und zwar unangenehm als Schmerz, und ebenso
fühlst du mit jeder dieser Stellen auch die wohlige Wärme der
Sonne da droben.

Indessen alle diese Verfeinerungen und Verwickelungen
sind Schritt für Schritt erst zwischen den ältesten Hauttieren
und dir entstanden. Noch hast du Tiere deutlich heute vor
dir, bei denen die ganze wirkliche Oberhaut auch das ganze
Gehirn noch darstellt und in ihrer Ganzheit hört oder Licht
empfindet. Und erst allmählich siehst du das Gehirn sich sondern
als eine Zentralstelle, die alle Empfindungen sämtlicher Haupt¬
zellen noch wieder in eins greift wie eine Spinne die Fäden

ihre „Fühlung“ im eigentlichſten Sinne mit der Körperober¬
fläche, alſo dem alten echten Sitze der Haut.

Noch immer, auch bei dir, nimmt dieſe Außenhaut zunächſt
die Lichtwellen, wie die Schallwellen, das ärgerliche Piken der
Nadel wie die behagliche Wärme der Maienſonne und ſo weiter
und weiter zunächſt auf. Der eigentliche Sitz der Empfindung
iſt dann freilich nicht mehr gleich an der Aufnahmeſtelle der
Oberfläche, ſondern es ſchaltet ſich noch der Telegraphendraht
des Nervs ein, der den Licht-, Schall-, Stoß- oder Wärmereiz
ins innere Hautorgan, alſo das Rückenmark und Gehirn, be¬
fördert. Auch hat ſich die Hautoberfläche mehrfach bei dir
ſchon in beſtimmter Weiſe ſelber wieder in die Arbeit geteilt.
Zwei Stellen, die Augen, paſſen ausſchließlich auf Lichtreize.
Zwei, die Ohren, nur auf Gehörsreize. Zwei in der Naſe ledig¬
lich auf Geruchsreize. In dieſem Falle haben ſich ſogar dieſe
äußeren Aufnahmeſtellen nochmals wieder etwas eingeſenkt und
geſchützt: die Netzhautſtellen für das Licht liegen tief hinter einer
durchſichtigen Oberhautſtelle; ebenſo iſt das Ohr eine geſchloſſene
Kapſel geworden; und die Naſe bildet mindeſtens eine Taſche
mit ihrer riechenden Schleimhaut.

Nur die Reaktion auf Druck und Temperatur iſt faſt der
ganzen Hautoberfläche gemeinſam geblieben, — wo ich dich an
Arm oder Bein oder Schulter oder Bruſt mit der Nadel pike,
fühlſt du es und zwar unangenehm als Schmerz, und ebenſo
fühlſt du mit jeder dieſer Stellen auch die wohlige Wärme der
Sonne da droben.

Indeſſen alle dieſe Verfeinerungen und Verwickelungen
ſind Schritt für Schritt erſt zwiſchen den älteſten Hauttieren
und dir entſtanden. Noch haſt du Tiere deutlich heute vor
dir, bei denen die ganze wirkliche Oberhaut auch das ganze
Gehirn noch darſtellt und in ihrer Ganzheit hört oder Licht
empfindet. Und erſt allmählich ſiehſt du das Gehirn ſich ſondern
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zellen noch wieder in eins greift wie eine Spinne die Fäden

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[310/0326] ihre „Fühlung“ im eigentlichſten Sinne mit der Körperober¬ fläche, alſo dem alten echten Sitze der Haut. Noch immer, auch bei dir, nimmt dieſe Außenhaut zunächſt die Lichtwellen, wie die Schallwellen, das ärgerliche Piken der Nadel wie die behagliche Wärme der Maienſonne und ſo weiter und weiter zunächſt auf. Der eigentliche Sitz der Empfindung iſt dann freilich nicht mehr gleich an der Aufnahmeſtelle der Oberfläche, ſondern es ſchaltet ſich noch der Telegraphendraht des Nervs ein, der den Licht-, Schall-, Stoß- oder Wärmereiz ins innere Hautorgan, alſo das Rückenmark und Gehirn, be¬ fördert. Auch hat ſich die Hautoberfläche mehrfach bei dir ſchon in beſtimmter Weiſe ſelber wieder in die Arbeit geteilt. Zwei Stellen, die Augen, paſſen ausſchließlich auf Lichtreize. Zwei, die Ohren, nur auf Gehörsreize. Zwei in der Naſe ledig¬ lich auf Geruchsreize. In dieſem Falle haben ſich ſogar dieſe äußeren Aufnahmeſtellen nochmals wieder etwas eingeſenkt und geſchützt: die Netzhautſtellen für das Licht liegen tief hinter einer durchſichtigen Oberhautſtelle; ebenſo iſt das Ohr eine geſchloſſene Kapſel geworden; und die Naſe bildet mindeſtens eine Taſche mit ihrer riechenden Schleimhaut. Nur die Reaktion auf Druck und Temperatur iſt faſt der ganzen Hautoberfläche gemeinſam geblieben, — wo ich dich an Arm oder Bein oder Schulter oder Bruſt mit der Nadel pike, fühlſt du es und zwar unangenehm als Schmerz, und ebenſo fühlſt du mit jeder dieſer Stellen auch die wohlige Wärme der Sonne da droben. Indeſſen alle dieſe Verfeinerungen und Verwickelungen ſind Schritt für Schritt erſt zwiſchen den älteſten Hauttieren und dir entſtanden. Noch haſt du Tiere deutlich heute vor dir, bei denen die ganze wirkliche Oberhaut auch das ganze Gehirn noch darſtellt und in ihrer Ganzheit hört oder Licht empfindet. Und erſt allmählich ſiehſt du das Gehirn ſich ſondern als eine Zentralſtelle, die alle Empfindungen ſämtlicher Haupt¬ zellen noch wieder in eins greift wie eine Spinne die Fäden

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/326>, abgerufen am 22.11.2024.