Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.[Abbildung] Geheimnisse sind noch keine Wunder.Goethe (Sprüche in Prosa) Die ganze Naturgeschichte der Liebe, wie wir sie hier Die Naturgeschichte der Wollust ist aber noch einmal wieder Mit dem "Empfinden" geht es uns Menschenkindern ja Es ist ein Gebiet, wo jeder von uns die volle Ehre ge¬ Aber diese stolze Fachmannschaft erkaufen wir nun durch [Abbildung] Geheimniſſe ſind noch keine Wunder.Goethe (Sprüche in Proſa) Die ganze Naturgeſchichte der Liebe, wie wir ſie hier Die Naturgeſchichte der Wolluſt iſt aber noch einmal wieder Mit dem „Empfinden“ geht es uns Menſchenkindern ja Es iſt ein Gebiet, wo jeder von uns die volle Ehre ge¬ Aber dieſe ſtolze Fachmannſchaft erkaufen wir nun durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0309" n="293"/> <figure/> <cit> <quote>Geheimniſſe ſind noch keine Wunder.<lb/></quote> <bibl rendition="#et">Goethe (Sprüche in Proſa)<lb/></bibl> </cit> <p><hi rendition="#in">D</hi>ie ganze Naturgeſchichte der Liebe, wie wir ſie hier<lb/> beſprechen, iſt alles in allem genommen nur erſt eine An¬<lb/> deutung. Eine Kette von Lichtpünktchen, von denen gar manches<lb/> erſt noch wieder verglimmen mag, ehe die Funkenreihe ein<lb/> echter Sonnenſtreifen wird.</p><lb/> <p>Die Naturgeſchichte der Wolluſt iſt aber noch einmal wieder<lb/> nur das Surrogat eines ſolchen Pünktchens. Sie ſtreift in das<lb/> vorläufig dunkelſte Feld unſerer ganzen Weisheit: in das Feld<lb/> nämlich der Empfindungen.</p><lb/> <p>Mit dem „Empfinden“ geht es uns Menſchenkindern ja<lb/> höchſt drollig.</p><lb/> <p>Es iſt ein Gebiet, wo jeder von uns die volle Ehre ge¬<lb/> nießt, Fachmann zu ſein. Wir haben das nicht von Hören¬<lb/> ſagen: wie es iſt, wenn etwas uns gut thut und etwas an¬<lb/> deres ſchlecht, wenn's uns wohl iſt und wenn's uns übel<lb/> iſt, wenn eine Roſe uns duftet oder ein Dorn uns ſticht. Der<lb/> Dümmſte kennt das als Thatſache ſo gut wie der Philoſoph.<lb/> Das Kind bringt es mit und alle Erziehung durch Lehre und<lb/> Leben ſtützt ſich auf dieſe ſeine Grundweisheit.</p><lb/> <p>Aber dieſe ſtolze Fachmannſchaft erkaufen wir nun durch<lb/> das gegenſätzlich Mißliche, daß wir ſtreng genommen auch <hi rendition="#g">bloß</hi><lb/> unſere eigene Empfindung in der Welt als Maßſtab kennen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [293/0309]
[Abbildung]
Geheimniſſe ſind noch keine Wunder.
Goethe (Sprüche in Proſa)
Die ganze Naturgeſchichte der Liebe, wie wir ſie hier
beſprechen, iſt alles in allem genommen nur erſt eine An¬
deutung. Eine Kette von Lichtpünktchen, von denen gar manches
erſt noch wieder verglimmen mag, ehe die Funkenreihe ein
echter Sonnenſtreifen wird.
Die Naturgeſchichte der Wolluſt iſt aber noch einmal wieder
nur das Surrogat eines ſolchen Pünktchens. Sie ſtreift in das
vorläufig dunkelſte Feld unſerer ganzen Weisheit: in das Feld
nämlich der Empfindungen.
Mit dem „Empfinden“ geht es uns Menſchenkindern ja
höchſt drollig.
Es iſt ein Gebiet, wo jeder von uns die volle Ehre ge¬
nießt, Fachmann zu ſein. Wir haben das nicht von Hören¬
ſagen: wie es iſt, wenn etwas uns gut thut und etwas an¬
deres ſchlecht, wenn's uns wohl iſt und wenn's uns übel
iſt, wenn eine Roſe uns duftet oder ein Dorn uns ſticht. Der
Dümmſte kennt das als Thatſache ſo gut wie der Philoſoph.
Das Kind bringt es mit und alle Erziehung durch Lehre und
Leben ſtützt ſich auf dieſe ſeine Grundweisheit.
Aber dieſe ſtolze Fachmannſchaft erkaufen wir nun durch
das gegenſätzlich Mißliche, daß wir ſtreng genommen auch bloß
unſere eigene Empfindung in der Welt als Maßſtab kennen.
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Zitationshilfe: | Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/309>, abgerufen am 16.02.2025. |