Menschenkörper überhaupt nicht so groß, um ernstlich in der Fortschrittsdebatte mitzusprechen. Ich erwähne sie hier nur für unseren speziellen Fall.
Also beim Weibe liegen jene besagten Dinge, wie es scheint, thatsächlich noch im uralten Sinne. Am nackten Körper hast du zwischen den Schenkeln eine Öffnung, die nicht mit Mund noch After, also überhaupt dem Verdauungskanal, schlechterdings etwas zu thun hat. Sie geht in die zwischen Darmwand und Leibeswand liegende Bauchhöhle. Doch nicht mehr nach der Neunaugenweise in den Hohlraum dieses Bauches geradezu hinein. Sondern vielmehr durch eine Röhre in ein Organ, das die Eier von gewissen innerlichsten Erzeugungsstellen her aufnimmt. Es scheint also jene unbedeutend höhere Stufe bereits vollauf erreicht -- aber weiter auch dann kein Unterschied. Beim Manne ist die Sache unverkennbar durch irgend eine Speziali¬ sierung verwickelter gemacht, -- der Erzeugungsapparat des Samens erscheint in Gestalt des Hodensackes sozusagen aus der Leibeshöhle bruchartig vorgedrängt und entsprechend ist die zugehörige Röhre denn auch ganz äußerlich als "Glied" sichtbar geworden. Doch das hängt erst wieder mit den Begattungs¬ sachen zusammen, die wir als Gliedfrage uns besonders reserviert haben, kommt also hier, wo sich's einfach um die Thür als solche handelt, noch nicht in Betracht.
Aber du schaust genauer hin und dir fällt doch eins auf. Eben das nämlich, was wir oben mit einigem Pathos unter die Schrecknisse der menschlichen Liebe vom Boden einer über¬ natürlichen Erschaffungstheorie gezählt haben. Diese Leibes¬ pforte dient beim Menschen nicht bloß den Geschlechtsstoffen, sondern noch einer höchst widerwärtigen Sache, dem Urin.
[Abbildung]
Menſchenkörper überhaupt nicht ſo groß, um ernſtlich in der Fortſchrittsdebatte mitzuſprechen. Ich erwähne ſie hier nur für unſeren ſpeziellen Fall.
Alſo beim Weibe liegen jene beſagten Dinge, wie es ſcheint, thatſächlich noch im uralten Sinne. Am nackten Körper haſt du zwiſchen den Schenkeln eine Öffnung, die nicht mit Mund noch After, alſo überhaupt dem Verdauungskanal, ſchlechterdings etwas zu thun hat. Sie geht in die zwiſchen Darmwand und Leibeswand liegende Bauchhöhle. Doch nicht mehr nach der Neunaugenweiſe in den Hohlraum dieſes Bauches geradezu hinein. Sondern vielmehr durch eine Röhre in ein Organ, das die Eier von gewiſſen innerlichſten Erzeugungsſtellen her aufnimmt. Es ſcheint alſo jene unbedeutend höhere Stufe bereits vollauf erreicht — aber weiter auch dann kein Unterſchied. Beim Manne iſt die Sache unverkennbar durch irgend eine Speziali¬ ſierung verwickelter gemacht, — der Erzeugungsapparat des Samens erſcheint in Geſtalt des Hodenſackes ſozuſagen aus der Leibeshöhle bruchartig vorgedrängt und entſprechend iſt die zugehörige Röhre denn auch ganz äußerlich als „Glied“ ſichtbar geworden. Doch das hängt erſt wieder mit den Begattungs¬ ſachen zuſammen, die wir als Gliedfrage uns beſonders reſerviert haben, kommt alſo hier, wo ſich's einfach um die Thür als ſolche handelt, noch nicht in Betracht.
Aber du ſchauſt genauer hin und dir fällt doch eins auf. Eben das nämlich, was wir oben mit einigem Pathos unter die Schreckniſſe der menſchlichen Liebe vom Boden einer über¬ natürlichen Erſchaffungstheorie gezählt haben. Dieſe Leibes¬ pforte dient beim Menſchen nicht bloß den Geſchlechtsſtoffen, ſondern noch einer höchſt widerwärtigen Sache, dem Urin.
[Abbildung]
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0256"n="240"/>
Menſchenkörper überhaupt nicht ſo groß, um ernſtlich in der<lb/>
Fortſchrittsdebatte mitzuſprechen. Ich erwähne ſie hier nur<lb/>
für unſeren ſpeziellen Fall.</p><lb/><p>Alſo beim Weibe liegen jene beſagten Dinge, wie es ſcheint,<lb/>
thatſächlich noch im uralten Sinne. Am nackten Körper haſt du<lb/>
zwiſchen den Schenkeln eine Öffnung, die nicht mit Mund noch<lb/>
After, alſo überhaupt dem Verdauungskanal, ſchlechterdings<lb/>
etwas zu thun hat. Sie geht in die zwiſchen Darmwand und<lb/>
Leibeswand liegende Bauchhöhle. Doch nicht mehr nach der<lb/>
Neunaugenweiſe in den Hohlraum dieſes Bauches geradezu hinein.<lb/>
Sondern vielmehr durch eine Röhre in ein Organ, das die Eier<lb/>
von gewiſſen innerlichſten Erzeugungsſtellen her aufnimmt. Es<lb/>ſcheint alſo jene unbedeutend höhere Stufe bereits vollauf<lb/>
erreicht — aber weiter auch dann kein Unterſchied. Beim<lb/>
Manne iſt die Sache unverkennbar durch irgend eine Speziali¬<lb/>ſierung verwickelter gemacht, — der Erzeugungsapparat des<lb/>
Samens erſcheint in Geſtalt des Hodenſackes ſozuſagen aus der<lb/>
Leibeshöhle bruchartig vorgedrängt und entſprechend iſt die<lb/>
zugehörige Röhre denn auch ganz äußerlich als „Glied“ſichtbar<lb/>
geworden. Doch das hängt erſt wieder mit den Begattungs¬<lb/>ſachen zuſammen, die wir als Gliedfrage uns beſonders reſerviert<lb/>
haben, kommt alſo hier, wo ſich's einfach um die Thür als<lb/>ſolche handelt, noch nicht in Betracht.</p><lb/><p>Aber du ſchauſt genauer hin und dir fällt doch eins auf.<lb/>
Eben das nämlich, was wir oben mit einigem Pathos unter<lb/>
die Schreckniſſe der menſchlichen Liebe vom Boden einer über¬<lb/>
natürlichen Erſchaffungstheorie gezählt haben. Dieſe Leibes¬<lb/>
pforte dient beim Menſchen nicht bloß den Geſchlechtsſtoffen,<lb/>ſondern noch einer höchſt widerwärtigen Sache, dem Urin.</p><lb/><figure/></div></body></text></TEI>
[240/0256]
Menſchenkörper überhaupt nicht ſo groß, um ernſtlich in der
Fortſchrittsdebatte mitzuſprechen. Ich erwähne ſie hier nur
für unſeren ſpeziellen Fall.
Alſo beim Weibe liegen jene beſagten Dinge, wie es ſcheint,
thatſächlich noch im uralten Sinne. Am nackten Körper haſt du
zwiſchen den Schenkeln eine Öffnung, die nicht mit Mund noch
After, alſo überhaupt dem Verdauungskanal, ſchlechterdings
etwas zu thun hat. Sie geht in die zwiſchen Darmwand und
Leibeswand liegende Bauchhöhle. Doch nicht mehr nach der
Neunaugenweiſe in den Hohlraum dieſes Bauches geradezu hinein.
Sondern vielmehr durch eine Röhre in ein Organ, das die Eier
von gewiſſen innerlichſten Erzeugungsſtellen her aufnimmt. Es
ſcheint alſo jene unbedeutend höhere Stufe bereits vollauf
erreicht — aber weiter auch dann kein Unterſchied. Beim
Manne iſt die Sache unverkennbar durch irgend eine Speziali¬
ſierung verwickelter gemacht, — der Erzeugungsapparat des
Samens erſcheint in Geſtalt des Hodenſackes ſozuſagen aus der
Leibeshöhle bruchartig vorgedrängt und entſprechend iſt die
zugehörige Röhre denn auch ganz äußerlich als „Glied“ ſichtbar
geworden. Doch das hängt erſt wieder mit den Begattungs¬
ſachen zuſammen, die wir als Gliedfrage uns beſonders reſerviert
haben, kommt alſo hier, wo ſich's einfach um die Thür als
ſolche handelt, noch nicht in Betracht.
Aber du ſchauſt genauer hin und dir fällt doch eins auf.
Eben das nämlich, was wir oben mit einigem Pathos unter
die Schreckniſſe der menſchlichen Liebe vom Boden einer über¬
natürlichen Erſchaffungstheorie gezählt haben. Dieſe Leibes¬
pforte dient beim Menſchen nicht bloß den Geſchlechtsſtoffen,
ſondern noch einer höchſt widerwärtigen Sache, dem Urin.
[Abbildung]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/256>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.