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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Ich gedenke eines köstlichen Wandertages in den Schweizer
Alpen. Nach langen heißen Marschstunden eine wilde Pa߬
höhe. Jenseits der Tannengrenze. Nur noch ein Teppich¬
kranz Alpenrosen und dann ganz wildes, rohes, gelb¬
braunes Gestein mit harten Silhouetten zum milchig weißen
Himmel. Nahe an zweitausend Meter. Ganz hier oben aber
noch in den letzten Fleck Alpenrosen und Genzianen eingesenkt
wie zwei blaue Äuglein ein paar kleine Seen. Der abströmende
Bach fiel wenig darunter in die nächst oberste Thalterrasse mit
einem prachtvollen weiß zerschäumten Wasserfall ein und ging
dann Stunde um Stunde langsam rauschend, zuletzt durch den
großen dunklen Tann, in einen märchenhaft smaragdenen, ab¬
grundtiefen See, in dem riesige Hechte und dämonische schwarze
Welse hausten und über dem jenseits eine schroffe Gebirgsmauer
mit wahren Ruinenzinnen so senkrecht stand, daß kaum ein
Baum oder ein Fleckchen Ziegenmatte hier und da in einer
Ritze kleben konnten. Hier oben in diesen Blauäugleinstümpeln
jenseits der Baumgrenze aber habe ich einen Fisch in seiner
Herrlichkeit kennen gelernt: die Forelle.

Irgendwo wer in den Kantonsgründen da unten, aus
denen ab und zu eine bleiern weiße Wolke wie ein Pilz auf¬
dampfte, hatte die Fischerei hier im Olymp gepachtet und einen
Wächter dazu gesetzt. Er hauste in einer Almhütte, um die
das lustige Volk der Murmeltiere pfiff und zu dem ab und zu
die Gemsen äugten, die echten, nicht bloß die gefütterten
aus dem Tartarin. Der Alte ein Original, halb noch
Mensch und halb schon Murmeltier. Er schnauzte auf die


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Ich gedenke eines köſtlichen Wandertages in den Schweizer
Alpen. Nach langen heißen Marſchſtunden eine wilde Pa߬
höhe. Jenſeits der Tannengrenze. Nur noch ein Teppich¬
kranz Alpenroſen und dann ganz wildes, rohes, gelb¬
braunes Geſtein mit harten Silhouetten zum milchig weißen
Himmel. Nahe an zweitauſend Meter. Ganz hier oben aber
noch in den letzten Fleck Alpenroſen und Genzianen eingeſenkt
wie zwei blaue Äuglein ein paar kleine Seen. Der abſtrömende
Bach fiel wenig darunter in die nächſt oberſte Thalterraſſe mit
einem prachtvollen weiß zerſchäumten Waſſerfall ein und ging
dann Stunde um Stunde langſam rauſchend, zuletzt durch den
großen dunklen Tann, in einen märchenhaft ſmaragdenen, ab¬
grundtiefen See, in dem rieſige Hechte und dämoniſche ſchwarze
Welſe hauſten und über dem jenſeits eine ſchroffe Gebirgsmauer
mit wahren Ruinenzinnen ſo ſenkrecht ſtand, daß kaum ein
Baum oder ein Fleckchen Ziegenmatte hier und da in einer
Ritze kleben konnten. Hier oben in dieſen Blauäugleinstümpeln
jenſeits der Baumgrenze aber habe ich einen Fiſch in ſeiner
Herrlichkeit kennen gelernt: die Forelle.

Irgendwo wer in den Kantonsgründen da unten, aus
denen ab und zu eine bleiern weiße Wolke wie ein Pilz auf¬
dampfte, hatte die Fiſcherei hier im Olymp gepachtet und einen
Wächter dazu geſetzt. Er hauſte in einer Almhütte, um die
das luſtige Volk der Murmeltiere pfiff und zu dem ab und zu
die Gemſen äugten, die echten, nicht bloß die gefütterten
aus dem Tartarin. Der Alte ein Original, halb noch
Menſch und halb ſchon Murmeltier. Er ſchnauzte auf die

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[213/0229] [Abbildung] Ich gedenke eines köſtlichen Wandertages in den Schweizer Alpen. Nach langen heißen Marſchſtunden eine wilde Pa߬ höhe. Jenſeits der Tannengrenze. Nur noch ein Teppich¬ kranz Alpenroſen und dann ganz wildes, rohes, gelb¬ braunes Geſtein mit harten Silhouetten zum milchig weißen Himmel. Nahe an zweitauſend Meter. Ganz hier oben aber noch in den letzten Fleck Alpenroſen und Genzianen eingeſenkt wie zwei blaue Äuglein ein paar kleine Seen. Der abſtrömende Bach fiel wenig darunter in die nächſt oberſte Thalterraſſe mit einem prachtvollen weiß zerſchäumten Waſſerfall ein und ging dann Stunde um Stunde langſam rauſchend, zuletzt durch den großen dunklen Tann, in einen märchenhaft ſmaragdenen, ab¬ grundtiefen See, in dem rieſige Hechte und dämoniſche ſchwarze Welſe hauſten und über dem jenſeits eine ſchroffe Gebirgsmauer mit wahren Ruinenzinnen ſo ſenkrecht ſtand, daß kaum ein Baum oder ein Fleckchen Ziegenmatte hier und da in einer Ritze kleben konnten. Hier oben in dieſen Blauäugleinstümpeln jenſeits der Baumgrenze aber habe ich einen Fiſch in ſeiner Herrlichkeit kennen gelernt: die Forelle. Irgendwo wer in den Kantonsgründen da unten, aus denen ab und zu eine bleiern weiße Wolke wie ein Pilz auf¬ dampfte, hatte die Fiſcherei hier im Olymp gepachtet und einen Wächter dazu geſetzt. Er hauſte in einer Almhütte, um die das luſtige Volk der Murmeltiere pfiff und zu dem ab und zu die Gemſen äugten, die echten, nicht bloß die gefütterten aus dem Tartarin. Der Alte ein Original, halb noch Menſch und halb ſchon Murmeltier. Er ſchnauzte auf die

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/229>, abgerufen am 24.11.2024.