färbte sich weithin das Meeresblau gelblich um, -- Ströme von Liebessamen, ein Ozean, den Eros geküßt, die Liebe, ihre Kraft hinaufspeiend in die höchsten Luftschichten wie ein Vulkan, eine Erdkugel aufglimmernd unter ihrer Liebesfracht und ihre Farbe, die Farbe vom Mannessamen der Pflanze, hinaus¬ strahlend in den Weltenraum .....
Gegen diese haarsträubende Überproduktion erscheint selbst die ärgste Verschwendung, die von Tieren je getrieben worden ist, als ein Kinderspiel. Schon die höhere Pflanze, die bunte Blüten trägt, hat sich ja etwas eingeschränkt, indem sie die In¬ sekten als Liebesboten benutzen lernte, wobei nicht mehr so wüste Zahlung verlangt wurde wie bei den unkontrollierbaren Windstößen. Beim Tiere aber nahm die ganze Leistung wohl überhaupt nie Hasel- oder Kieferndimensionen an, wenn schon von eigentlichem Sparen auch hier keine Rede war. Schon früh löst sich ja das Tier an seinen entwickelungsbesten Stellen ziemlich energisch von der Hafterei und Wurzelei los. Die Geschlechter konnten zu einander schwimmen oder kriechen und so die Distance wenigstens vermindern auch damals schon, als Samen und Ei noch einfach ins Wasser geworfen wurden auf Gutglück des Findens. Schließlich aber sind die Ziffern auch des Tieres nicht übel, wenn man sie hört. Der Band¬ wurm erzeugt, wie du dich erinnerst, fünfzig Millionen Eier und entsprechende Samenmassen rein auf das Lotteriespiel hin, daß ein einziges befruchtetes Eilein davon den unendlich um¬ ständlichen Weg durch Menschendarm, Abtritt, Schweinefleisch und abermals Menschendarm wirklich zurücklege und wieder die alte Bandwurmkolonie neu erzeuge. Die Auster produ¬ ziert wenigstens ihre Million an Eiern. Welche Samenflut dazu gehörte, hat wohl noch nie einer zu berechnen gewagt.
Das Interessanteste aber ist, wie hoch gerade diese Ver¬ schwendungs-Methode überhaupt hier beim Tier noch bis in deine menschliche Ahnenverwandtschaft hinaufreicht.
Rufe dir jenes groteske Bild von der Liebesorgie der
färbte ſich weithin das Meeresblau gelblich um, — Ströme von Liebesſamen, ein Ozean, den Eros geküßt, die Liebe, ihre Kraft hinaufſpeiend in die höchſten Luftſchichten wie ein Vulkan, eine Erdkugel aufglimmernd unter ihrer Liebesfracht und ihre Farbe, die Farbe vom Mannesſamen der Pflanze, hinaus¬ ſtrahlend in den Weltenraum .....
Gegen dieſe haarſträubende Überproduktion erſcheint ſelbſt die ärgſte Verſchwendung, die von Tieren je getrieben worden iſt, als ein Kinderſpiel. Schon die höhere Pflanze, die bunte Blüten trägt, hat ſich ja etwas eingeſchränkt, indem ſie die In¬ ſekten als Liebesboten benutzen lernte, wobei nicht mehr ſo wüſte Zahlung verlangt wurde wie bei den unkontrollierbaren Windſtößen. Beim Tiere aber nahm die ganze Leiſtung wohl überhaupt nie Haſel- oder Kieferndimenſionen an, wenn ſchon von eigentlichem Sparen auch hier keine Rede war. Schon früh löſt ſich ja das Tier an ſeinen entwickelungsbeſten Stellen ziemlich energiſch von der Hafterei und Wurzelei los. Die Geſchlechter konnten zu einander ſchwimmen oder kriechen und ſo die Diſtance wenigſtens vermindern auch damals ſchon, als Samen und Ei noch einfach ins Waſſer geworfen wurden auf Gutglück des Findens. Schließlich aber ſind die Ziffern auch des Tieres nicht übel, wenn man ſie hört. Der Band¬ wurm erzeugt, wie du dich erinnerſt, fünfzig Millionen Eier und entſprechende Samenmaſſen rein auf das Lotterieſpiel hin, daß ein einziges befruchtetes Eilein davon den unendlich um¬ ſtändlichen Weg durch Menſchendarm, Abtritt, Schweinefleiſch und abermals Menſchendarm wirklich zurücklege und wieder die alte Bandwurmkolonie neu erzeuge. Die Auſter produ¬ ziert wenigſtens ihre Million an Eiern. Welche Samenflut dazu gehörte, hat wohl noch nie einer zu berechnen gewagt.
Das Intereſſanteſte aber iſt, wie hoch gerade dieſe Ver¬ ſchwendungs-Methode überhaupt hier beim Tier noch bis in deine menſchliche Ahnenverwandtſchaft hinaufreicht.
Rufe dir jenes groteske Bild von der Liebesorgie der
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färbte ſich weithin das Meeresblau gelblich um, — Ströme
von Liebesſamen, ein Ozean, den Eros geküßt, die Liebe, ihre
Kraft hinaufſpeiend in die höchſten Luftſchichten wie ein Vulkan,
eine Erdkugel aufglimmernd unter ihrer Liebesfracht und ihre
Farbe, die Farbe vom Mannesſamen der Pflanze, hinaus¬
ſtrahlend in den Weltenraum .....
Gegen dieſe haarſträubende Überproduktion erſcheint ſelbſt
die ärgſte Verſchwendung, die von Tieren je getrieben worden
iſt, als ein Kinderſpiel. Schon die höhere Pflanze, die bunte
Blüten trägt, hat ſich ja etwas eingeſchränkt, indem ſie die In¬
ſekten als Liebesboten benutzen lernte, wobei nicht mehr ſo
wüſte Zahlung verlangt wurde wie bei den unkontrollierbaren
Windſtößen. Beim Tiere aber nahm die ganze Leiſtung wohl
überhaupt nie Haſel- oder Kieferndimenſionen an, wenn ſchon
von eigentlichem Sparen auch hier keine Rede war. Schon
früh löſt ſich ja das Tier an ſeinen entwickelungsbeſten
Stellen ziemlich energiſch von der Hafterei und Wurzelei los.
Die Geſchlechter konnten zu einander ſchwimmen oder kriechen
und ſo die Diſtance wenigſtens vermindern auch damals ſchon,
als Samen und Ei noch einfach ins Waſſer geworfen wurden
auf Gutglück des Findens. Schließlich aber ſind die Ziffern
auch des Tieres nicht übel, wenn man ſie hört. Der Band¬
wurm erzeugt, wie du dich erinnerſt, fünfzig Millionen Eier
und entſprechende Samenmaſſen rein auf das Lotterieſpiel hin,
daß ein einziges befruchtetes Eilein davon den unendlich um¬
ſtändlichen Weg durch Menſchendarm, Abtritt, Schweinefleiſch
und abermals Menſchendarm wirklich zurücklege und wieder
die alte Bandwurmkolonie neu erzeuge. Die Auſter produ¬
ziert wenigſtens ihre Million an Eiern. Welche Samenflut
dazu gehörte, hat wohl noch nie einer zu berechnen gewagt.
Das Intereſſanteſte aber iſt, wie hoch gerade dieſe Ver¬
ſchwendungs-Methode überhaupt hier beim Tier noch bis in
deine menſchliche Ahnenverwandtſchaft hinaufreicht.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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