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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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im Weibesschoße aus diesen nochmals stets den "allerbesten"
Helden auswählen würde und so die Rasse immer prächtiger
entfaltete. Das Genie des Arztes müßte uns ersinnen, wann
und wie unsere Liebesfracht wohl jedesmal auf ihrer Qualitäts¬
höhe sein könnte. Die Quantität gäbe dann bloß bessere
Chancen zu jener letzten Auslese. Doch das mag immerhin
der Zukunft anheimgestellt bleiben und soll uns hier nicht
weiter von unserem Faden abbringen.

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Die Hauptsache ist: jene Geschlechtsverschwendung hatte
jedenfalls einmal einen ganz bestimmten, vor dem Richtstuhl
der Logik diskutabeln Sinn. Die Nützlichkeit einmal gegeben,
ließ die Natur aber nun auch alle Register ihrer Üppigkeit
spielen. Hatte sie die Wesen glücklich aus Einzelzellen zu Zell¬
kolossen von Millionen und Milliarden und immer mehr Zellen
zusammengeschmiedet, -- was lag ihr jetzt daran, aus diesen
Kolossen wieder der Einzelzellen statt zwei oder drei gleich
tausend, hunderttausend, Millionen abzuspalten zum Geschlechts¬
zweck. Seine wildesten Orgien feierte das bei allem Liebes¬
volk, das sich eine sitzende, fest haftende oder wurzelnde Lebens¬
art angewöhnt hatte.

Da sind die schier unglaublichsten Vergeuder auf dem Lande
die Pflanzen. Eine Unmasse unserer bekanntesten Pflanzen sind
einzig und allein darauf angewiesen, daß der Wind ihren männ¬
lichen Geschlechtsstoff mitnehme und zu fremden Weibesgliedern
verfrachte. Da gilt es aber nun diesem Helfer Wind auch die
Schwingen so voll prusten, wie nur irgend möglich. Du stellst
dir einen Zweig mit Haselkätzchen zwischen anderm Frühlings¬
zeug daheim ins Wasser und über Nacht ist der ganze Strauß
und das ganze Glas und in breitem Kreise auch noch die

im Weibesſchoße aus dieſen nochmals ſtets den „allerbeſten“
Helden auswählen würde und ſo die Raſſe immer prächtiger
entfaltete. Das Genie des Arztes müßte uns erſinnen, wann
und wie unſere Liebesfracht wohl jedesmal auf ihrer Qualitäts¬
höhe ſein könnte. Die Quantität gäbe dann bloß beſſere
Chancen zu jener letzten Ausleſe. Doch das mag immerhin
der Zukunft anheimgeſtellt bleiben und ſoll uns hier nicht
weiter von unſerem Faden abbringen.

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Die Hauptſache iſt: jene Geſchlechtsverſchwendung hatte
jedenfalls einmal einen ganz beſtimmten, vor dem Richtſtuhl
der Logik diskutabeln Sinn. Die Nützlichkeit einmal gegeben,
ließ die Natur aber nun auch alle Regiſter ihrer Üppigkeit
ſpielen. Hatte ſie die Weſen glücklich aus Einzelzellen zu Zell¬
koloſſen von Millionen und Milliarden und immer mehr Zellen
zuſammengeſchmiedet, — was lag ihr jetzt daran, aus dieſen
Koloſſen wieder der Einzelzellen ſtatt zwei oder drei gleich
tauſend, hunderttauſend, Millionen abzuſpalten zum Geſchlechts¬
zweck. Seine wildeſten Orgien feierte das bei allem Liebes¬
volk, das ſich eine ſitzende, feſt haftende oder wurzelnde Lebens¬
art angewöhnt hatte.

Da ſind die ſchier unglaublichſten Vergeuder auf dem Lande
die Pflanzen. Eine Unmaſſe unſerer bekannteſten Pflanzen ſind
einzig und allein darauf angewieſen, daß der Wind ihren männ¬
lichen Geſchlechtsſtoff mitnehme und zu fremden Weibesgliedern
verfrachte. Da gilt es aber nun dieſem Helfer Wind auch die
Schwingen ſo voll pruſten, wie nur irgend möglich. Du ſtellſt
dir einen Zweig mit Haſelkätzchen zwiſchen anderm Frühlings¬
zeug daheim ins Waſſer und über Nacht iſt der ganze Strauß
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[199/0215] im Weibesſchoße aus dieſen nochmals ſtets den „allerbeſten“ Helden auswählen würde und ſo die Raſſe immer prächtiger entfaltete. Das Genie des Arztes müßte uns erſinnen, wann und wie unſere Liebesfracht wohl jedesmal auf ihrer Qualitäts¬ höhe ſein könnte. Die Quantität gäbe dann bloß beſſere Chancen zu jener letzten Ausleſe. Doch das mag immerhin der Zukunft anheimgeſtellt bleiben und ſoll uns hier nicht weiter von unſerem Faden abbringen. [Abbildung] Die Hauptſache iſt: jene Geſchlechtsverſchwendung hatte jedenfalls einmal einen ganz beſtimmten, vor dem Richtſtuhl der Logik diskutabeln Sinn. Die Nützlichkeit einmal gegeben, ließ die Natur aber nun auch alle Regiſter ihrer Üppigkeit ſpielen. Hatte ſie die Weſen glücklich aus Einzelzellen zu Zell¬ koloſſen von Millionen und Milliarden und immer mehr Zellen zuſammengeſchmiedet, — was lag ihr jetzt daran, aus dieſen Koloſſen wieder der Einzelzellen ſtatt zwei oder drei gleich tauſend, hunderttauſend, Millionen abzuſpalten zum Geſchlechts¬ zweck. Seine wildeſten Orgien feierte das bei allem Liebes¬ volk, das ſich eine ſitzende, feſt haftende oder wurzelnde Lebens¬ art angewöhnt hatte. Da ſind die ſchier unglaublichſten Vergeuder auf dem Lande die Pflanzen. Eine Unmaſſe unſerer bekannteſten Pflanzen ſind einzig und allein darauf angewieſen, daß der Wind ihren männ¬ lichen Geſchlechtsſtoff mitnehme und zu fremden Weibesgliedern verfrachte. Da gilt es aber nun dieſem Helfer Wind auch die Schwingen ſo voll pruſten, wie nur irgend möglich. Du ſtellſt dir einen Zweig mit Haſelkätzchen zwiſchen anderm Frühlings¬ zeug daheim ins Waſſer und über Nacht iſt der ganze Strauß und das ganze Glas und in breitem Kreiſe auch noch die

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/215>, abgerufen am 24.11.2024.