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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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neu. Und so viel tausende und tausende gerade dieser köst¬
lichen Zellen unentrinnbar dem Verderben geweiht!

Nimm die andere Seite, den männlichen Samen, und die
grausige Phantasmagorie wächst.

Jene Maximalziffer von zwanzig Samentierchen pro Mann
wirkt in Wahrheit wie ein schlechter Scherz gegenüber selbst
der bescheidensten Leistungsfähigkeit eines gesunden Menschen.
Laß deinen Geist noch einmal wandern. Zu jenem Bilde des
lebendigen Samentröpfleins unter dem Mikroskop. In dem
einen Tröpfchen zieht eine Milchstraße zuckender, wimmelnder
Samenzellchen dir vorüber. Das drängt sich und wirbelt
und stößt, -- was sind deine angesetzten zwanzig in diesem
kleinen Hexenkessel der Homunkuli. Und nun: das Ver¬
größerungsfeld deines Mikroskops faßt vom Tropfen, den du
mit bloßem Auge deutlich als solchen siehst, blos erst einen
Ausschnitt, -- giebt gleichsam eine Stichprobe. Durch den
ganzen großen Tropfen zittert das gleiche Leben. Dieser Tropfen
aber ist selbst nur wieder ein geringer Teil der ganzen lebendigen
Welle, die bei einem einzigen Geschlechtsakt einem reifen Manne
entströmt. Diese Welle durchwimmeln die Samenzellen in ent¬
sprechender Fülle, viel enger gedrängt, als die jungen Fischlein
im grünen Krystall dieser wohligen Bucht, auf der die Frühlings¬
sonne brennt. Solcher Geschlechtsakte aber ist dieser Mann
einer schier endlosen Kette fähig. Ja er ist nicht bloß dazu
fähig. Sondern seine innerste Natur treibt ihn, zwingt ihn dazu.
Ein winzigster Bruchteil jenes einen Tröpfleins würde genügen,
um die angenommene Riesenzahl von zwanzig Kindern zu er¬
zeugen. In ihm aber hebt und hebt sich diese ganze Welle immer
wieder neu. Gieb ihm nur dreißig Jahre der vollkommenen,
der hochblühenden Reife meinetwegen wie dem Weibe. Aber
in diesen dreißig Jahren regt sich in ihm die Kraft nicht bloß
dreißigmal, sie regt sich allermindestens wöchentlich einmal darin.
Das giebt zweiundfünfzig Wochen in jedem Jahr, -- im ganzen
also fünfzehnhundertundsechzigmal. Für ihn giebt es keine

neu. Und ſo viel tauſende und tauſende gerade dieſer köſt¬
lichen Zellen unentrinnbar dem Verderben geweiht!

Nimm die andere Seite, den männlichen Samen, und die
grauſige Phantasmagorie wächſt.

Jene Maximalziffer von zwanzig Samentierchen pro Mann
wirkt in Wahrheit wie ein ſchlechter Scherz gegenüber ſelbſt
der beſcheidenſten Leiſtungsfähigkeit eines geſunden Menſchen.
Laß deinen Geiſt noch einmal wandern. Zu jenem Bilde des
lebendigen Samentröpfleins unter dem Mikroſkop. In dem
einen Tröpfchen zieht eine Milchſtraße zuckender, wimmelnder
Samenzellchen dir vorüber. Das drängt ſich und wirbelt
und ſtößt, — was ſind deine angeſetzten zwanzig in dieſem
kleinen Hexenkeſſel der Homunkuli. Und nun: das Ver¬
größerungsfeld deines Mikroſkops faßt vom Tropfen, den du
mit bloßem Auge deutlich als ſolchen ſiehſt, blos erſt einen
Ausſchnitt, — giebt gleichſam eine Stichprobe. Durch den
ganzen großen Tropfen zittert das gleiche Leben. Dieſer Tropfen
aber iſt ſelbſt nur wieder ein geringer Teil der ganzen lebendigen
Welle, die bei einem einzigen Geſchlechtsakt einem reifen Manne
entſtrömt. Dieſe Welle durchwimmeln die Samenzellen in ent¬
ſprechender Fülle, viel enger gedrängt, als die jungen Fiſchlein
im grünen Kryſtall dieſer wohligen Bucht, auf der die Frühlings¬
ſonne brennt. Solcher Geſchlechtsakte aber iſt dieſer Mann
einer ſchier endloſen Kette fähig. Ja er iſt nicht bloß dazu
fähig. Sondern ſeine innerſte Natur treibt ihn, zwingt ihn dazu.
Ein winzigſter Bruchteil jenes einen Tröpfleins würde genügen,
um die angenommene Rieſenzahl von zwanzig Kindern zu er¬
zeugen. In ihm aber hebt und hebt ſich dieſe ganze Welle immer
wieder neu. Gieb ihm nur dreißig Jahre der vollkommenen,
der hochblühenden Reife meinetwegen wie dem Weibe. Aber
in dieſen dreißig Jahren regt ſich in ihm die Kraft nicht bloß
dreißigmal, ſie regt ſich allermindeſtens wöchentlich einmal darin.
Das giebt zweiundfünfzig Wochen in jedem Jahr, — im ganzen
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[173/0189] neu. Und ſo viel tauſende und tauſende gerade dieſer köſt¬ lichen Zellen unentrinnbar dem Verderben geweiht! Nimm die andere Seite, den männlichen Samen, und die grauſige Phantasmagorie wächſt. Jene Maximalziffer von zwanzig Samentierchen pro Mann wirkt in Wahrheit wie ein ſchlechter Scherz gegenüber ſelbſt der beſcheidenſten Leiſtungsfähigkeit eines geſunden Menſchen. Laß deinen Geiſt noch einmal wandern. Zu jenem Bilde des lebendigen Samentröpfleins unter dem Mikroſkop. In dem einen Tröpfchen zieht eine Milchſtraße zuckender, wimmelnder Samenzellchen dir vorüber. Das drängt ſich und wirbelt und ſtößt, — was ſind deine angeſetzten zwanzig in dieſem kleinen Hexenkeſſel der Homunkuli. Und nun: das Ver¬ größerungsfeld deines Mikroſkops faßt vom Tropfen, den du mit bloßem Auge deutlich als ſolchen ſiehſt, blos erſt einen Ausſchnitt, — giebt gleichſam eine Stichprobe. Durch den ganzen großen Tropfen zittert das gleiche Leben. Dieſer Tropfen aber iſt ſelbſt nur wieder ein geringer Teil der ganzen lebendigen Welle, die bei einem einzigen Geſchlechtsakt einem reifen Manne entſtrömt. Dieſe Welle durchwimmeln die Samenzellen in ent¬ ſprechender Fülle, viel enger gedrängt, als die jungen Fiſchlein im grünen Kryſtall dieſer wohligen Bucht, auf der die Frühlings¬ ſonne brennt. Solcher Geſchlechtsakte aber iſt dieſer Mann einer ſchier endloſen Kette fähig. Ja er iſt nicht bloß dazu fähig. Sondern ſeine innerſte Natur treibt ihn, zwingt ihn dazu. Ein winzigſter Bruchteil jenes einen Tröpfleins würde genügen, um die angenommene Rieſenzahl von zwanzig Kindern zu er¬ zeugen. In ihm aber hebt und hebt ſich dieſe ganze Welle immer wieder neu. Gieb ihm nur dreißig Jahre der vollkommenen, der hochblühenden Reife meinetwegen wie dem Weibe. Aber in dieſen dreißig Jahren regt ſich in ihm die Kraft nicht bloß dreißigmal, ſie regt ſich allermindeſtens wöchentlich einmal darin. Das giebt zweiundfünfzig Wochen in jedem Jahr, — im ganzen alſo fünfzehnhundertundſechzigmal. Für ihn giebt es keine

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/189>, abgerufen am 25.11.2024.