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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Und doch in all der kühlen Feuchte etwas wie besonderer
Zauber.

Eine ganz leise Süße, die wie mit zartestem Geister¬
fingerchen deine Stirn rührt. Von den kleinen jungen grünen
Kräutern, die da unten unsichtbar blühen. Aus dem Wald,
vom tiefsten Leben dieser schweigenden Bäume. Aus der Moos¬
erde selbst dem fahlen Sande hier. Ein fast unhörbar kleines
Knistern wie von tiefem Regen, Wühlen, das auch die graue
Nebelnacht nicht hemmt. Walpurgiszauber. Durch den Nebel
zieht Blütenstaub. Im Schilf schlummert Liebe. Die harzigen
Zweige segnen, sie sind wach. Frühling. Die Natur läutet,
ganz, ganz leise, summend .....

[Abbildung]

Was sagtest du? Der Mensch stammt vom Affen ab?

Ja, das pfeifen heute die Spatzen auf den Dächern.

Der Professor doziert es. Der Philister fängt an es zu
glauben. Und die Kinder Gottes und die Kinder der Welt
liegen sich darüber in den Haaren. Und doch: die größere
Masse der Menschen ist furchtbar damit hereingefallen. Denn
der Satz lautet für sie gar nicht so.

Die Frage ist, ob wir uns in uns selber schon aus dem
Affen entwickelt haben.

Ob wir, jeder für sich, wirklich schon Menschen sind.

Die wahre Grenze zwischen Tier und Mensch liegt nicht
im Grau uralter Tage, zwischen Schädeln, von denen der eine
in seinem Gehirnraum den anderen um ein paar Kubikzenti¬
meter überragt.

Sie geht mitten durch die Menschen von heute wie ein
ungeheurer blutiger Schnitt.

Sie scheidet den Menschen, der Erkenntnis sucht, von dem
Menschen, der bloß lebt.

Und doch in all der kühlen Feuchte etwas wie beſonderer
Zauber.

Eine ganz leiſe Süße, die wie mit zarteſtem Geiſter¬
fingerchen deine Stirn rührt. Von den kleinen jungen grünen
Kräutern, die da unten unſichtbar blühen. Aus dem Wald,
vom tiefſten Leben dieſer ſchweigenden Bäume. Aus der Moos¬
erde ſelbſt dem fahlen Sande hier. Ein faſt unhörbar kleines
Kniſtern wie von tiefem Regen, Wühlen, das auch die graue
Nebelnacht nicht hemmt. Walpurgiszauber. Durch den Nebel
zieht Blütenſtaub. Im Schilf ſchlummert Liebe. Die harzigen
Zweige ſegnen, ſie ſind wach. Frühling. Die Natur läutet,
ganz, ganz leiſe, ſummend .....

[Abbildung]

Was ſagteſt du? Der Menſch ſtammt vom Affen ab?

Ja, das pfeifen heute die Spatzen auf den Dächern.

Der Profeſſor doziert es. Der Philiſter fängt an es zu
glauben. Und die Kinder Gottes und die Kinder der Welt
liegen ſich darüber in den Haaren. Und doch: die größere
Maſſe der Menſchen iſt furchtbar damit hereingefallen. Denn
der Satz lautet für ſie gar nicht ſo.

Die Frage iſt, ob wir uns in uns ſelber ſchon aus dem
Affen entwickelt haben.

Ob wir, jeder für ſich, wirklich ſchon Menſchen ſind.

Die wahre Grenze zwiſchen Tier und Menſch liegt nicht
im Grau uralter Tage, zwiſchen Schädeln, von denen der eine
in ſeinem Gehirnraum den anderen um ein paar Kubikzenti¬
meter überragt.

Sie geht mitten durch die Menſchen von heute wie ein
ungeheurer blutiger Schnitt.

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[2/0018] Und doch in all der kühlen Feuchte etwas wie beſonderer Zauber. Eine ganz leiſe Süße, die wie mit zarteſtem Geiſter¬ fingerchen deine Stirn rührt. Von den kleinen jungen grünen Kräutern, die da unten unſichtbar blühen. Aus dem Wald, vom tiefſten Leben dieſer ſchweigenden Bäume. Aus der Moos¬ erde ſelbſt dem fahlen Sande hier. Ein faſt unhörbar kleines Kniſtern wie von tiefem Regen, Wühlen, das auch die graue Nebelnacht nicht hemmt. Walpurgiszauber. Durch den Nebel zieht Blütenſtaub. Im Schilf ſchlummert Liebe. Die harzigen Zweige ſegnen, ſie ſind wach. Frühling. Die Natur läutet, ganz, ganz leiſe, ſummend ..... [Abbildung] Was ſagteſt du? Der Menſch ſtammt vom Affen ab? Ja, das pfeifen heute die Spatzen auf den Dächern. Der Profeſſor doziert es. Der Philiſter fängt an es zu glauben. Und die Kinder Gottes und die Kinder der Welt liegen ſich darüber in den Haaren. Und doch: die größere Maſſe der Menſchen iſt furchtbar damit hereingefallen. Denn der Satz lautet für ſie gar nicht ſo. Die Frage iſt, ob wir uns in uns ſelber ſchon aus dem Affen entwickelt haben. Ob wir, jeder für ſich, wirklich ſchon Menſchen ſind. Die wahre Grenze zwiſchen Tier und Menſch liegt nicht im Grau uralter Tage, zwiſchen Schädeln, von denen der eine in ſeinem Gehirnraum den anderen um ein paar Kubikzenti¬ meter überragt. Sie geht mitten durch die Menſchen von heute wie ein ungeheurer blutiger Schnitt. Sie ſcheidet den Menſchen, der Erkenntnis ſucht, von dem Menſchen, der bloß lebt.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/18>, abgerufen am 24.11.2024.