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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Erinnere dich auf einen Moment an das, was wir ehe¬
mals über Unsterblichkeit geredet haben.

Das Kind ist die sichtbarste Stelle, wo das Liebes-Indivi¬
duum die Möglichkeit einer Unsterblichkeit zeigt. Mag das
Liebes-Individuum sich seelisch und körperlich noch so fest be¬
gründen. Mögen die Distancehandlungen den ganzen Rest des
Lebens bei beiden Partnern erfüllen. Mag die körperliche
Mischung, die ja an sich immer nur einen Moment dauert,
sich in einer Kette von immer neuen Momenten wenigstens so
lange fortsetzen, wie durch gewisse Altersgrenzen gewährt ist.
Eines Tages läutet beiden Partnern dennoch unabänderlich das
Sterbeglöckchen. Darüber hinaus existieren für den äußeren
Anblick nur mehr bestimmte, nachgelassene Wirkungen, die
nach einem großen Erhaltungsgesetz allerdings unabänderlich
weiter rollen. Ich lasse hier ununtersucht, in wiefern du dir
auch den Ring dieser weiter und weiter strahlenden Wirkungen
immer noch philosophisch als weiterbestehende Individualität
definieren könntest. Sicher jedenfalls, ja eine der sichersten
Weltthatsachen überhaupt ist: daß eine der großartigsten und
handgreiflichsten Wirkungen über den Tod hinaus das Kind
ist. Im Kinde steckt die anschaulichste Zukunftswirkung, ja in
der Kette der Kinder und Kindeskinder die sichtbarste Unsterb¬
lichkeitsthat des Liebes-Individuums.

Das Kind und alles, was mit ihm im Liebes-Individuum
an besonderen Handlungen über den erzeugenden Mischakt noch
hinaus zusammenhängt: Elternliebe, Kindespflege und so weiter
bis in das große hier anspinnende soziale Netz hinein, -- es
könnte also mit einem scharfen zeitlichen Wort als Gegenstand
einer "Dauerliebe" bezeichnet werden, im Gegensatz zu der
Mischliebe und Distanceliebe der Eltern untereinander.

[Abbildung]

Erinnere dich auf einen Moment an das, was wir ehe¬
mals über Unſterblichkeit geredet haben.

Das Kind iſt die ſichtbarſte Stelle, wo das Liebes-Indivi¬
duum die Möglichkeit einer Unſterblichkeit zeigt. Mag das
Liebes-Individuum ſich ſeeliſch und körperlich noch ſo feſt be¬
gründen. Mögen die Diſtancehandlungen den ganzen Reſt des
Lebens bei beiden Partnern erfüllen. Mag die körperliche
Miſchung, die ja an ſich immer nur einen Moment dauert,
ſich in einer Kette von immer neuen Momenten wenigſtens ſo
lange fortſetzen, wie durch gewiſſe Altersgrenzen gewährt iſt.
Eines Tages läutet beiden Partnern dennoch unabänderlich das
Sterbeglöckchen. Darüber hinaus exiſtieren für den äußeren
Anblick nur mehr beſtimmte, nachgelaſſene Wirkungen, die
nach einem großen Erhaltungsgeſetz allerdings unabänderlich
weiter rollen. Ich laſſe hier ununterſucht, in wiefern du dir
auch den Ring dieſer weiter und weiter ſtrahlenden Wirkungen
immer noch philoſophiſch als weiterbeſtehende Individualität
definieren könnteſt. Sicher jedenfalls, ja eine der ſicherſten
Weltthatſachen überhaupt iſt: daß eine der großartigſten und
handgreiflichſten Wirkungen über den Tod hinaus das Kind
iſt. Im Kinde ſteckt die anſchaulichſte Zukunftswirkung, ja in
der Kette der Kinder und Kindeskinder die ſichtbarſte Unſterb¬
lichkeitsthat des Liebes-Individuums.

Das Kind und alles, was mit ihm im Liebes-Individuum
an beſonderen Handlungen über den erzeugenden Miſchakt noch
hinaus zuſammenhängt: Elternliebe, Kindespflege und ſo weiter
bis in das große hier anſpinnende ſoziale Netz hinein, — es
könnte alſo mit einem ſcharfen zeitlichen Wort als Gegenſtand
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[149/0165] Erinnere dich auf einen Moment an das, was wir ehe¬ mals über Unſterblichkeit geredet haben. Das Kind iſt die ſichtbarſte Stelle, wo das Liebes-Indivi¬ duum die Möglichkeit einer Unſterblichkeit zeigt. Mag das Liebes-Individuum ſich ſeeliſch und körperlich noch ſo feſt be¬ gründen. Mögen die Diſtancehandlungen den ganzen Reſt des Lebens bei beiden Partnern erfüllen. Mag die körperliche Miſchung, die ja an ſich immer nur einen Moment dauert, ſich in einer Kette von immer neuen Momenten wenigſtens ſo lange fortſetzen, wie durch gewiſſe Altersgrenzen gewährt iſt. Eines Tages läutet beiden Partnern dennoch unabänderlich das Sterbeglöckchen. Darüber hinaus exiſtieren für den äußeren Anblick nur mehr beſtimmte, nachgelaſſene Wirkungen, die nach einem großen Erhaltungsgeſetz allerdings unabänderlich weiter rollen. Ich laſſe hier ununterſucht, in wiefern du dir auch den Ring dieſer weiter und weiter ſtrahlenden Wirkungen immer noch philoſophiſch als weiterbeſtehende Individualität definieren könnteſt. Sicher jedenfalls, ja eine der ſicherſten Weltthatſachen überhaupt iſt: daß eine der großartigſten und handgreiflichſten Wirkungen über den Tod hinaus das Kind iſt. Im Kinde ſteckt die anſchaulichſte Zukunftswirkung, ja in der Kette der Kinder und Kindeskinder die ſichtbarſte Unſterb¬ lichkeitsthat des Liebes-Individuums. Das Kind und alles, was mit ihm im Liebes-Individuum an beſonderen Handlungen über den erzeugenden Miſchakt noch hinaus zuſammenhängt: Elternliebe, Kindespflege und ſo weiter bis in das große hier anſpinnende ſoziale Netz hinein, — es könnte alſo mit einem ſcharfen zeitlichen Wort als Gegenſtand einer „Dauerliebe“ bezeichnet werden, im Gegenſatz zu der Miſchliebe und Diſtanceliebe der Eltern untereinander. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/165>, abgerufen am 22.11.2024.