Aber er allein könnte niemals einen zweiten lebendigen Menschen erzeugen und im Augenblik seines Todes stürbe mit ihm beides, Menschheit und Kultur, jammervoll aus. Die Arbeitsteilung in den beiden Hälften Mann und Weib ist für diesen Punkt auch im Ideal nicht bloß eine freie Vereinbarung auf Kün¬ digung, sondern sie ist eine absolute mit vollem Zwang. Ohne Einheit von Mann und Weib ist jede Partei in der That nur ein loses Rad, das augenblicklich und für immer stehen bleibt, so lange die Maschine auseinander genommen ist.
[Abbildung]
Die ganze eigentliche Verwickelung der Dinge erscheint dir aber nun in dem Moment, da du dir sagst: diese gleichen Liebeshälften, die hinsichtlich des einen äußersten Aktes noch so ganz siphonophorisch aufs "Verwachsen" gebaut sind, -- diese Liebeshälften laufen eben doch sonst und in allen Mo¬ menten außerhalb dieses Aktes als regelrechte Ganz-Individuen herum im Sinne anderer freier Personen in höheren mensch¬ lichen Verbänden. Sie besitzen in allem übrigen die volle Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit eben des Menschen. Alles, worin sich ihre ideale Einheit, ihre höhere Individualität als Liebesindividuum, abgesehen von dem speziellen körperlichen Mischakt, sonst noch bethätigt, geht entsprechend genau so vor sich, wie es bei Verbänden nach Art jenes Exempels Verleger und Reporter sonst Brauch bei uns ist. Lichtwellen vermitteln auch hier den Anblick der gegenseitigen Persönlichkeit. Schall¬ wellen, auf bestimmte vereinbarte Zeichen hin geordnet, ge¬ währen das schöne Menschenmittel auch hier der Sprache, die Gedanken von Gehirn zu Gehirn wie auf Elfenflügeln herüber und hinüber treibt. Wir haben das eben schon besprochen bei der Frage, wie weit die Vorbereitungen zu dem Mischakt per
Aber er allein könnte niemals einen zweiten lebendigen Menſchen erzeugen und im Augenblik ſeines Todes ſtürbe mit ihm beides, Menſchheit und Kultur, jammervoll aus. Die Arbeitsteilung in den beiden Hälften Mann und Weib iſt für dieſen Punkt auch im Ideal nicht bloß eine freie Vereinbarung auf Kün¬ digung, ſondern ſie iſt eine abſolute mit vollem Zwang. Ohne Einheit von Mann und Weib iſt jede Partei in der That nur ein loſes Rad, das augenblicklich und für immer ſtehen bleibt, ſo lange die Maſchine auseinander genommen iſt.
[Abbildung]
Die ganze eigentliche Verwickelung der Dinge erſcheint dir aber nun in dem Moment, da du dir ſagſt: dieſe gleichen Liebeshälften, die hinſichtlich des einen äußerſten Aktes noch ſo ganz ſiphonophoriſch aufs „Verwachſen“ gebaut ſind, — dieſe Liebeshälften laufen eben doch ſonſt und in allen Mo¬ menten außerhalb dieſes Aktes als regelrechte Ganz-Individuen herum im Sinne anderer freier Perſonen in höheren menſch¬ lichen Verbänden. Sie beſitzen in allem übrigen die volle Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit eben des Menſchen. Alles, worin ſich ihre ideale Einheit, ihre höhere Individualität als Liebesindividuum, abgeſehen von dem ſpeziellen körperlichen Miſchakt, ſonſt noch bethätigt, geht entſprechend genau ſo vor ſich, wie es bei Verbänden nach Art jenes Exempels Verleger und Reporter ſonſt Brauch bei uns iſt. Lichtwellen vermitteln auch hier den Anblick der gegenſeitigen Perſönlichkeit. Schall¬ wellen, auf beſtimmte vereinbarte Zeichen hin geordnet, ge¬ währen das ſchöne Menſchenmittel auch hier der Sprache, die Gedanken von Gehirn zu Gehirn wie auf Elfenflügeln herüber und hinüber treibt. Wir haben das eben ſchon beſprochen bei der Frage, wie weit die Vorbereitungen zu dem Miſchakt per
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0160"n="144"/>
Aber er allein könnte niemals einen zweiten lebendigen Menſchen<lb/>
erzeugen und im Augenblik ſeines Todes ſtürbe mit ihm beides,<lb/>
Menſchheit und Kultur, jammervoll aus. Die Arbeitsteilung<lb/>
in den beiden Hälften Mann und Weib iſt für dieſen Punkt<lb/>
auch im Ideal nicht bloß eine freie Vereinbarung auf Kün¬<lb/>
digung, ſondern ſie iſt eine abſolute mit vollem Zwang. Ohne<lb/>
Einheit von Mann und Weib iſt jede Partei in der That nur<lb/>
ein loſes Rad, das augenblicklich und für immer ſtehen bleibt,<lb/>ſo lange die Maſchine auseinander genommen iſt.</p><lb/><figure/><p>Die ganze eigentliche Verwickelung der Dinge erſcheint<lb/>
dir aber nun in dem Moment, da du dir ſagſt: dieſe gleichen<lb/>
Liebeshälften, die hinſichtlich des einen äußerſten Aktes noch<lb/>ſo ganz ſiphonophoriſch aufs „Verwachſen“ gebaut ſind, —<lb/>
dieſe Liebeshälften laufen eben doch <hirendition="#g">ſonſt</hi> und in allen Mo¬<lb/>
menten <hirendition="#g">außerhalb</hi> dieſes Aktes als regelrechte Ganz-Individuen<lb/>
herum im Sinne anderer freier Perſonen in höheren menſch¬<lb/>
lichen Verbänden. Sie beſitzen in allem übrigen die volle<lb/>
Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit eben des Menſchen.<lb/>
Alles, worin ſich ihre ideale Einheit, ihre höhere Individualität<lb/>
als Liebesindividuum, abgeſehen von dem ſpeziellen körperlichen<lb/>
Miſchakt, ſonſt noch bethätigt, geht entſprechend genau ſo vor<lb/>ſich, wie es bei Verbänden nach Art jenes Exempels Verleger<lb/>
und Reporter ſonſt Brauch bei uns iſt. Lichtwellen vermitteln<lb/>
auch hier den Anblick der gegenſeitigen Perſönlichkeit. Schall¬<lb/>
wellen, auf beſtimmte vereinbarte Zeichen hin geordnet, ge¬<lb/>
währen das ſchöne Menſchenmittel auch hier der Sprache, die<lb/>
Gedanken von Gehirn zu Gehirn wie auf Elfenflügeln herüber<lb/>
und hinüber treibt. Wir haben das eben ſchon beſprochen bei<lb/>
der Frage, wie weit die Vorbereitungen zu dem Miſchakt per<lb/></p></div></body></text></TEI>
[144/0160]
Aber er allein könnte niemals einen zweiten lebendigen Menſchen
erzeugen und im Augenblik ſeines Todes ſtürbe mit ihm beides,
Menſchheit und Kultur, jammervoll aus. Die Arbeitsteilung
in den beiden Hälften Mann und Weib iſt für dieſen Punkt
auch im Ideal nicht bloß eine freie Vereinbarung auf Kün¬
digung, ſondern ſie iſt eine abſolute mit vollem Zwang. Ohne
Einheit von Mann und Weib iſt jede Partei in der That nur
ein loſes Rad, das augenblicklich und für immer ſtehen bleibt,
ſo lange die Maſchine auseinander genommen iſt.
[Abbildung]
Die ganze eigentliche Verwickelung der Dinge erſcheint
dir aber nun in dem Moment, da du dir ſagſt: dieſe gleichen
Liebeshälften, die hinſichtlich des einen äußerſten Aktes noch
ſo ganz ſiphonophoriſch aufs „Verwachſen“ gebaut ſind, —
dieſe Liebeshälften laufen eben doch ſonſt und in allen Mo¬
menten außerhalb dieſes Aktes als regelrechte Ganz-Individuen
herum im Sinne anderer freier Perſonen in höheren menſch¬
lichen Verbänden. Sie beſitzen in allem übrigen die volle
Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit eben des Menſchen.
Alles, worin ſich ihre ideale Einheit, ihre höhere Individualität
als Liebesindividuum, abgeſehen von dem ſpeziellen körperlichen
Miſchakt, ſonſt noch bethätigt, geht entſprechend genau ſo vor
ſich, wie es bei Verbänden nach Art jenes Exempels Verleger
und Reporter ſonſt Brauch bei uns iſt. Lichtwellen vermitteln
auch hier den Anblick der gegenſeitigen Perſönlichkeit. Schall¬
wellen, auf beſtimmte vereinbarte Zeichen hin geordnet, ge¬
währen das ſchöne Menſchenmittel auch hier der Sprache, die
Gedanken von Gehirn zu Gehirn wie auf Elfenflügeln herüber
und hinüber treibt. Wir haben das eben ſchon beſprochen bei
der Frage, wie weit die Vorbereitungen zu dem Miſchakt per
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/160>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.