den Lemuren", wie sie zu deinem Hexenkessel von den Urwald¬ ästen verschollener Tage und aus den Nachtwäldern Mada¬ gaskars huschen -- eine Hand legt sich auch in deine Hand. Da stellt sich der Daumen schon beweglich den anderen Fingern gegenüber. Da formt sich die Kralle zum Nagel um. Es ist die erste Hand des Weltenwerdens, die sich zu dir reckt. Der Fuß der Igel und Schnabeltiere, zum endgültig praktischsten aller Greiforgane umgeschaffen im äußersten Triumph des Kletterberufs.
Seltsamstes Volk fürwahr, diese Lemuren. Da ist das Koboldäffchen oder der Gespenstermaki, mit riesigen Nachtaugen. Auf den Gewürzinseln Asiens haust er. Mit seinen langen Springbeinen und Kletterhänden zugleich ist es, als sei that¬ sächlich eine Springmaus hier auf die Zweige gestiegen. Und in dieser aufrechten Gestalt starrt dich das Gespenstlein beinah schon an wie ein verwunschenes Menschen-Zwerglein. Gerade es steht deiner Ahnenreihe auch zweifellos irgendwie besonders nahe. In Amerika sind versteinerte Reste solcher Kobolde ge¬ funden worden, die in all ihrer Kleinheit doch so riesige Ge¬ hirnhöhlen haben, daß man sie geradezu "Homunculus", das Zwitter-Menschlein, benannt hat. Trotzdem ist jene scheinbare Vereinigung von Hüpfen auf langem Hinterbein und Klettern mit den Pfoten auch hier noch nicht das Entscheidende gewesen -- das machte nur noch einmal dasselbe vor, was Kletter- Känguruh und Kletter-Igel schon früher vollbracht. Der wahre Weg zum gehenden und greifenden Menschen ging vielmehr über etwas, was zunächst wie ein Abweg aussah.
Der Halbaffe, ganz allgemein, war, wie gesagt, der Gipfel zunächst im Klettern. Für die Zwecke des Kletterns formte er seine vordere Igelpfote zur Hand. Für die Zwecke des noch ausgiebigeren Kletterns ging er dann aber noch einen Griff weiter: er formte auch noch seine Hinterpfoten ebenfalls zur Hand. Nicht nur das erste "Handtier" wurde er -- er wurde sogleich das Extrem des Handtiers: -- ein Vierhänder. Also
den Lemuren“, wie ſie zu deinem Hexenkeſſel von den Urwald¬ äſten verſchollener Tage und aus den Nachtwäldern Mada¬ gaskars huſchen — eine Hand legt ſich auch in deine Hand. Da ſtellt ſich der Daumen ſchon beweglich den anderen Fingern gegenüber. Da formt ſich die Kralle zum Nagel um. Es iſt die erſte Hand des Weltenwerdens, die ſich zu dir reckt. Der Fuß der Igel und Schnabeltiere, zum endgültig praktiſchſten aller Greiforgane umgeſchaffen im äußerſten Triumph des Kletterberufs.
Seltſamſtes Volk fürwahr, dieſe Lemuren. Da iſt das Koboldäffchen oder der Geſpenſtermaki, mit rieſigen Nachtaugen. Auf den Gewürzinſeln Aſiens hauſt er. Mit ſeinen langen Springbeinen und Kletterhänden zugleich iſt es, als ſei that¬ ſächlich eine Springmaus hier auf die Zweige geſtiegen. Und in dieſer aufrechten Geſtalt ſtarrt dich das Geſpenſtlein beinah ſchon an wie ein verwunſchenes Menſchen-Zwerglein. Gerade es ſteht deiner Ahnenreihe auch zweifellos irgendwie beſonders nahe. In Amerika ſind verſteinerte Reſte ſolcher Kobolde ge¬ funden worden, die in all ihrer Kleinheit doch ſo rieſige Ge¬ hirnhöhlen haben, daß man ſie geradezu „Homunculus“, das Zwitter-Menſchlein, benannt hat. Trotzdem iſt jene ſcheinbare Vereinigung von Hüpfen auf langem Hinterbein und Klettern mit den Pfoten auch hier noch nicht das Entſcheidende geweſen — das machte nur noch einmal dasſelbe vor, was Kletter- Känguruh und Kletter-Igel ſchon früher vollbracht. Der wahre Weg zum gehenden und greifenden Menſchen ging vielmehr über etwas, was zunächſt wie ein Abweg ausſah.
Der Halbaffe, ganz allgemein, war, wie geſagt, der Gipfel zunächſt im Klettern. Für die Zwecke des Kletterns formte er ſeine vordere Igelpfote zur Hand. Für die Zwecke des noch ausgiebigeren Kletterns ging er dann aber noch einen Griff weiter: er formte auch noch ſeine Hinterpfoten ebenfalls zur Hand. Nicht nur das erſte „Handtier“ wurde er — er wurde ſogleich das Extrem des Handtiers: — ein Vierhänder. Alſo
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den Lemuren“, wie ſie zu deinem Hexenkeſſel von den Urwald¬
äſten verſchollener Tage und aus den Nachtwäldern Mada¬
gaskars huſchen — eine Hand legt ſich auch in deine Hand.
Da ſtellt ſich der Daumen ſchon beweglich den anderen Fingern
gegenüber. Da formt ſich die Kralle zum Nagel um. Es iſt
die erſte Hand des Weltenwerdens, die ſich zu dir reckt. Der
Fuß der Igel und Schnabeltiere, zum endgültig praktiſchſten
aller Greiforgane umgeſchaffen im äußerſten Triumph des
Kletterberufs.
Seltſamſtes Volk fürwahr, dieſe Lemuren. Da iſt das
Koboldäffchen oder der Geſpenſtermaki, mit rieſigen Nachtaugen.
Auf den Gewürzinſeln Aſiens hauſt er. Mit ſeinen langen
Springbeinen und Kletterhänden zugleich iſt es, als ſei that¬
ſächlich eine Springmaus hier auf die Zweige geſtiegen. Und
in dieſer aufrechten Geſtalt ſtarrt dich das Geſpenſtlein beinah
ſchon an wie ein verwunſchenes Menſchen-Zwerglein. Gerade
es ſteht deiner Ahnenreihe auch zweifellos irgendwie beſonders
nahe. In Amerika ſind verſteinerte Reſte ſolcher Kobolde ge¬
funden worden, die in all ihrer Kleinheit doch ſo rieſige Ge¬
hirnhöhlen haben, daß man ſie geradezu „Homunculus“, das
Zwitter-Menſchlein, benannt hat. Trotzdem iſt jene ſcheinbare
Vereinigung von Hüpfen auf langem Hinterbein und Klettern
mit den Pfoten auch hier noch nicht das Entſcheidende geweſen
— das machte nur noch einmal dasſelbe vor, was Kletter-
Känguruh und Kletter-Igel ſchon früher vollbracht. Der wahre
Weg zum gehenden und greifenden Menſchen ging vielmehr
über etwas, was zunächſt wie ein Abweg ausſah.
Der Halbaffe, ganz allgemein, war, wie geſagt, der Gipfel
zunächſt im Klettern. Für die Zwecke des Kletterns formte er
ſeine vordere Igelpfote zur Hand. Für die Zwecke des noch
ausgiebigeren Kletterns ging er dann aber noch einen Griff
weiter: er formte auch noch ſeine Hinterpfoten ebenfalls zur
Hand. Nicht nur das erſte „Handtier“ wurde er — er wurde
ſogleich das Extrem des Handtiers: — ein Vierhänder. Alſo
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/122>, abgerufen am 22.11.2024.
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