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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Da drängt es sich heran von Gestalten aller Art, die
haben alles mögliche, aber sie haben gerade von dem, was du
ihnen da entgegenstreckst wie Fausts Zauberschlüssel, schlechter¬
dings selber gar nichts: sie besitzen keine Hand. Wie sollten sie
sie haben! Auf vier gleichartigen Flossen stelzte sich der Fisch
aus dem Wasser aufs Land. Das wurden vier Beine dann.
Auf vier Beinen, normaler Weise mit je fünf Zehen, lief das
alte Eidechsenvolk, aus dem das Säugetier heraufkam. Auf
solchen vier Patschen läuft genau so noch das Schnabeltier.
Also Vorderfüße, Hinterfüße. Aber wo soll die Hand zunächst
herkommen?

Was ist die Hand eigentlich im Gegensatz zum Fuß? Ein
Greiforgan. Ja, da liegt ihr ganzer Zauber! Der Fuß
tritt auf und bewegt den Körper auf der Fläche dahin. Die
Hand aber faßt, langt, greift. Hier mischen sich in deinem
Menschenkörper zwei wunderbare Dinge. Aufrechter Gang auf
den Hinterbeinen. Und zugleich Umwandlung der Vorderbeine
zu einem raffiniertesten Greiforgan. An diesem Sachverhalt
laß jetzt die da drüben Revue passieren.

Das Laufen auf zwei Beinen ist ja ganz tief bei den
Eidechsen selber schon probiert worden. Alte Saurier der Ur¬
welt liefen, hüpften, balancierten sich so in kleinem wie riesigstem
Format. Von da hat's der Vogel mitbekommen. Der verliebte
Haubensteißfuß dort im See läuft in diesem Punkte genau so
wie du: er hat echte "Beine" mit Füßen daran. Aber seine
Arme haben keine Hände entwickelt, sondern Flügel. Er wollte
eben nicht greifen, sondern fliegen. Also Apage!

Das Säugetier ist ja auch gar nicht über diesen Vogel
weggegangen. Sondern für sich separat wieder von der schlichten
vierbeinig laufenden Eidechse des flachen Bodens aus. Ihr
entspricht jenes Schnabeltier, mit dem die Säugerreihe anhebt.
Aber da ist im nächsten Stockwerk, bei den Beuteltieren, das
Känguruh. Es läuft wie ein Vogel gewohnheitsmäßig jetzt
auch als Säugetier auf den Hinterbeinen, und die Vorderbeine

Da drängt es ſich heran von Geſtalten aller Art, die
haben alles mögliche, aber ſie haben gerade von dem, was du
ihnen da entgegenſtreckſt wie Fauſts Zauberſchlüſſel, ſchlechter¬
dings ſelber gar nichts: ſie beſitzen keine Hand. Wie ſollten ſie
ſie haben! Auf vier gleichartigen Floſſen ſtelzte ſich der Fiſch
aus dem Waſſer aufs Land. Das wurden vier Beine dann.
Auf vier Beinen, normaler Weiſe mit je fünf Zehen, lief das
alte Eidechſenvolk, aus dem das Säugetier heraufkam. Auf
ſolchen vier Patſchen läuft genau ſo noch das Schnabeltier.
Alſo Vorderfüße, Hinterfüße. Aber wo ſoll die Hand zunächſt
herkommen?

Was iſt die Hand eigentlich im Gegenſatz zum Fuß? Ein
Greiforgan. Ja, da liegt ihr ganzer Zauber! Der Fuß
tritt auf und bewegt den Körper auf der Fläche dahin. Die
Hand aber faßt, langt, greift. Hier miſchen ſich in deinem
Menſchenkörper zwei wunderbare Dinge. Aufrechter Gang auf
den Hinterbeinen. Und zugleich Umwandlung der Vorderbeine
zu einem raffinierteſten Greiforgan. An dieſem Sachverhalt
laß jetzt die da drüben Revue paſſieren.

Das Laufen auf zwei Beinen iſt ja ganz tief bei den
Eidechſen ſelber ſchon probiert worden. Alte Saurier der Ur¬
welt liefen, hüpften, balancierten ſich ſo in kleinem wie rieſigſtem
Format. Von da hat's der Vogel mitbekommen. Der verliebte
Haubenſteißfuß dort im See läuft in dieſem Punkte genau ſo
wie du: er hat echte „Beine“ mit Füßen daran. Aber ſeine
Arme haben keine Hände entwickelt, ſondern Flügel. Er wollte
eben nicht greifen, ſondern fliegen. Alſo Apage!

Das Säugetier iſt ja auch gar nicht über dieſen Vogel
weggegangen. Sondern für ſich ſeparat wieder von der ſchlichten
vierbeinig laufenden Eidechſe des flachen Bodens aus. Ihr
entſpricht jenes Schnabeltier, mit dem die Säugerreihe anhebt.
Aber da iſt im nächſten Stockwerk, bei den Beuteltieren, das
Känguruh. Es läuft wie ein Vogel gewohnheitsmäßig jetzt
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[101/0117] Da drängt es ſich heran von Geſtalten aller Art, die haben alles mögliche, aber ſie haben gerade von dem, was du ihnen da entgegenſtreckſt wie Fauſts Zauberſchlüſſel, ſchlechter¬ dings ſelber gar nichts: ſie beſitzen keine Hand. Wie ſollten ſie ſie haben! Auf vier gleichartigen Floſſen ſtelzte ſich der Fiſch aus dem Waſſer aufs Land. Das wurden vier Beine dann. Auf vier Beinen, normaler Weiſe mit je fünf Zehen, lief das alte Eidechſenvolk, aus dem das Säugetier heraufkam. Auf ſolchen vier Patſchen läuft genau ſo noch das Schnabeltier. Alſo Vorderfüße, Hinterfüße. Aber wo ſoll die Hand zunächſt herkommen? Was iſt die Hand eigentlich im Gegenſatz zum Fuß? Ein Greiforgan. Ja, da liegt ihr ganzer Zauber! Der Fuß tritt auf und bewegt den Körper auf der Fläche dahin. Die Hand aber faßt, langt, greift. Hier miſchen ſich in deinem Menſchenkörper zwei wunderbare Dinge. Aufrechter Gang auf den Hinterbeinen. Und zugleich Umwandlung der Vorderbeine zu einem raffinierteſten Greiforgan. An dieſem Sachverhalt laß jetzt die da drüben Revue paſſieren. Das Laufen auf zwei Beinen iſt ja ganz tief bei den Eidechſen ſelber ſchon probiert worden. Alte Saurier der Ur¬ welt liefen, hüpften, balancierten ſich ſo in kleinem wie rieſigſtem Format. Von da hat's der Vogel mitbekommen. Der verliebte Haubenſteißfuß dort im See läuft in dieſem Punkte genau ſo wie du: er hat echte „Beine“ mit Füßen daran. Aber ſeine Arme haben keine Hände entwickelt, ſondern Flügel. Er wollte eben nicht greifen, ſondern fliegen. Alſo Apage! Das Säugetier iſt ja auch gar nicht über dieſen Vogel weggegangen. Sondern für ſich ſeparat wieder von der ſchlichten vierbeinig laufenden Eidechſe des flachen Bodens aus. Ihr entſpricht jenes Schnabeltier, mit dem die Säugerreihe anhebt. Aber da iſt im nächſten Stockwerk, bei den Beuteltieren, das Känguruh. Es läuft wie ein Vogel gewohnheitsmäßig jetzt auch als Säugetier auf den Hinterbeinen, und die Vorderbeine

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/117>, abgerufen am 22.11.2024.