Die große Sortiermaschine holt zum letzten Zuge aus, du klapperst die äußersten Löcher durch. Unendlich leicht ist aus hundert Gründen zu belegen, daß du wirklich ein regelrechtes Säugetier bist. Deine Brustwarzen, zum Milch¬ saugen angelegt, predigen es dir. Laß aber auch ein Tröpflein deines "ganz besonderen Saftes", des Blutes, rinnen und be¬ trachte es im Mikroskop. Da treiben in der Welle rote Körperchen, von denen das Blut seine rote Farbe hat. Diese Blutkörperchen sind kreisrund, und in ihrem Innern weisen sie keinen Kern. Vergleiche damit die Körperchen im Blute anderer höherer Tiere. Seltsam: beim Vogel, bei der Eidechse, beim Molch, beim höheren Fisch giebt es im Blute auch welche. Aber dort sind sie nicht allemal rund, sondern länglich, und im Innern steckt allemal ein kleiner Kern. Vergleichst du da¬ gegen mit Säugetieren, wie Hund und Hase, Igel und Fleder¬ maus, Pferd und Affe: immer fehlt hier genau wie bei dir der bewußte Kern. Und wenn du bloß von den Kameelen absiehst, die ihre Eigenheit sich wahren, so hast du auch bei allen Säugetieren jene charakteristische runde Form der roten Blutkörperlein im Gegensatz zur länglichen, also auch wieder eben das, was du selber dein eigen nennst.
Säugetiere! Schließlich ist auch das noch ein bunter Troß. Da teilen sich zunächst ab gewissermaßen drei Stock¬ werke. Im untersten sieht's noch ziemlich altertümlich, ziemlich ärmlich aus, wie in einer Großmutterstube im Erdgeschoß, wo noch das Spinnrad flirrt.
7*
[Abbildung]
Die große Sortiermaſchine holt zum letzten Zuge aus, du klapperſt die äußerſten Löcher durch. Unendlich leicht iſt aus hundert Gründen zu belegen, daß du wirklich ein regelrechtes Säugetier biſt. Deine Bruſtwarzen, zum Milch¬ ſaugen angelegt, predigen es dir. Laß aber auch ein Tröpflein deines „ganz beſonderen Saftes“, des Blutes, rinnen und be¬ trachte es im Mikroſkop. Da treiben in der Welle rote Körperchen, von denen das Blut ſeine rote Farbe hat. Dieſe Blutkörperchen ſind kreisrund, und in ihrem Innern weiſen ſie keinen Kern. Vergleiche damit die Körperchen im Blute anderer höherer Tiere. Seltſam: beim Vogel, bei der Eidechſe, beim Molch, beim höheren Fiſch giebt es im Blute auch welche. Aber dort ſind ſie nicht allemal rund, ſondern länglich, und im Innern ſteckt allemal ein kleiner Kern. Vergleichſt du da¬ gegen mit Säugetieren, wie Hund und Haſe, Igel und Fleder¬ maus, Pferd und Affe: immer fehlt hier genau wie bei dir der bewußte Kern. Und wenn du bloß von den Kameelen abſiehſt, die ihre Eigenheit ſich wahren, ſo haſt du auch bei allen Säugetieren jene charakteriſtiſche runde Form der roten Blutkörperlein im Gegenſatz zur länglichen, alſo auch wieder eben das, was du ſelber dein eigen nennſt.
Säugetiere! Schließlich iſt auch das noch ein bunter Troß. Da teilen ſich zunächſt ab gewiſſermaßen drei Stock¬ werke. Im unterſten ſieht's noch ziemlich altertümlich, ziemlich ärmlich aus, wie in einer Großmutterſtube im Erdgeſchoß, wo noch das Spinnrad flirrt.
7*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0115"n="99"/><figure/><p><hirendition="#in">D</hi>ie große Sortiermaſchine holt zum letzten Zuge aus,<lb/>
du klapperſt die äußerſten Löcher durch. Unendlich leicht<lb/>
iſt aus hundert Gründen zu belegen, daß du wirklich ein<lb/>
regelrechtes Säugetier biſt. Deine Bruſtwarzen, zum Milch¬<lb/>ſaugen angelegt, predigen es dir. Laß aber auch ein Tröpflein<lb/>
deines „ganz beſonderen Saftes“, des Blutes, rinnen und be¬<lb/>
trachte es im Mikroſkop. Da treiben in der Welle rote<lb/>
Körperchen, von denen das Blut ſeine rote Farbe hat. Dieſe<lb/>
Blutkörperchen ſind kreisrund, und in ihrem Innern weiſen ſie<lb/>
keinen Kern. Vergleiche damit die Körperchen im Blute anderer<lb/>
höherer Tiere. Seltſam: beim Vogel, bei der Eidechſe, beim<lb/>
Molch, beim höheren Fiſch giebt es im Blute auch welche.<lb/>
Aber dort ſind ſie nicht allemal rund, ſondern länglich, und<lb/>
im Innern ſteckt allemal ein kleiner Kern. Vergleichſt du da¬<lb/>
gegen mit Säugetieren, wie Hund und Haſe, Igel und Fleder¬<lb/>
maus, Pferd und Affe: immer fehlt hier genau wie bei dir<lb/>
der bewußte Kern. Und wenn du bloß von den Kameelen<lb/>
abſiehſt, die ihre Eigenheit ſich wahren, ſo haſt du auch<lb/>
bei allen Säugetieren jene charakteriſtiſche <hirendition="#g">runde</hi> Form der<lb/>
roten Blutkörperlein im Gegenſatz zur länglichen, alſo auch<lb/>
wieder eben das, was du ſelber dein eigen nennſt.</p><lb/><p>Säugetiere! Schließlich iſt auch das noch ein bunter<lb/>
Troß. Da teilen ſich zunächſt ab gewiſſermaßen drei Stock¬<lb/>
werke. Im unterſten ſieht's noch ziemlich altertümlich, ziemlich<lb/>
ärmlich aus, wie in einer Großmutterſtube im Erdgeſchoß, wo<lb/>
noch das Spinnrad flirrt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">7*<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[99/0115]
[Abbildung]
Die große Sortiermaſchine holt zum letzten Zuge aus,
du klapperſt die äußerſten Löcher durch. Unendlich leicht
iſt aus hundert Gründen zu belegen, daß du wirklich ein
regelrechtes Säugetier biſt. Deine Bruſtwarzen, zum Milch¬
ſaugen angelegt, predigen es dir. Laß aber auch ein Tröpflein
deines „ganz beſonderen Saftes“, des Blutes, rinnen und be¬
trachte es im Mikroſkop. Da treiben in der Welle rote
Körperchen, von denen das Blut ſeine rote Farbe hat. Dieſe
Blutkörperchen ſind kreisrund, und in ihrem Innern weiſen ſie
keinen Kern. Vergleiche damit die Körperchen im Blute anderer
höherer Tiere. Seltſam: beim Vogel, bei der Eidechſe, beim
Molch, beim höheren Fiſch giebt es im Blute auch welche.
Aber dort ſind ſie nicht allemal rund, ſondern länglich, und
im Innern ſteckt allemal ein kleiner Kern. Vergleichſt du da¬
gegen mit Säugetieren, wie Hund und Haſe, Igel und Fleder¬
maus, Pferd und Affe: immer fehlt hier genau wie bei dir
der bewußte Kern. Und wenn du bloß von den Kameelen
abſiehſt, die ihre Eigenheit ſich wahren, ſo haſt du auch
bei allen Säugetieren jene charakteriſtiſche runde Form der
roten Blutkörperlein im Gegenſatz zur länglichen, alſo auch
wieder eben das, was du ſelber dein eigen nennſt.
Säugetiere! Schließlich iſt auch das noch ein bunter
Troß. Da teilen ſich zunächſt ab gewiſſermaßen drei Stock¬
werke. Im unterſten ſieht's noch ziemlich altertümlich, ziemlich
ärmlich aus, wie in einer Großmutterſtube im Erdgeſchoß, wo
noch das Spinnrad flirrt.
7*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/115>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.