Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

heit und gar den paar Tagen jenes fabelhaften Schöpfungs¬
wurfs hat sie ein Thor gerissen abermals in eine wahrhafte
Unendlichkeit. Diesmal Zeit-Millionen, nicht solche des Raums.
Zeit-Millionen strenger geschichtlicher Entwickelung.

[Abbildung]

Nimm dir einmal als Maß lose an, der alte Cheops von
Ägypten, dessen Namen die große Pyramide, ein Werk unbedingt
schon hoch entwickelter Kultur, trägt, habe um Dreitausend vor
Christus gelebt, rund beinahe fünftausend Jahre vor heute.
Aus der Zeit des Cheops melden Inschriften von Tempeln aus
sagenhafter Vorzeit, die, im Wüstensande verschüttet, damals
wieder aufgefunden worden seien. Die große Sphinx war in
Cheops' Tagen schon so alt, daß sie ausgebessert werden mußte.
In welche Zeit verliert sich hier schon die menschliche Kultur,
-- Kultur in einer Form, die Werke schuf, vor denen du heute
noch in Bewunderung, mit einem gewissen Schauer des Nicht¬
nachmachen-könnens, stehst .....

Nun kennen wir, dank sehr moderner Forschung, eine weit
einfachere, ältere Urkultur, die jenseits aller Benutzung der
Metalle stand, die sich mit Steinwerkzeugen behalf und mit
diesen Steinwerkzeugen gigantische Tiere erlegte, die zu Beginn
schriftlicher Überlieferung schon vollständig ausgestorben waren.
Diese Urkultur, in Mitteleuropa in unanzweifelbaren Resten
nachgewiesen, verliert sich rückwärts in eine Epoche hinein, die
der moderne Geologe als Eiszeit bezeichnet. Nach einer astro¬
nomischen Rechnung, die manches für sich hat, wird der Höhe¬
punkt dieser Eiszeit (oder besser Eiszeiten, denn es handelt sich
um einen Vorgang mit Intervallen und Wiederholungen) bis
über das Jahr Hunderttausend vor Christus zurückgeschoben.
Dennoch sind die Schädel der Menschen vom letzten Rande oder
vielleicht sogar bis zum Anfang dieser noch in sich wieder un¬

heit und gar den paar Tagen jenes fabelhaften Schöpfungs¬
wurfs hat ſie ein Thor geriſſen abermals in eine wahrhafte
Unendlichkeit. Diesmal Zeit-Millionen, nicht ſolche des Raums.
Zeit-Millionen ſtrenger geſchichtlicher Entwickelung.

[Abbildung]

Nimm dir einmal als Maß loſe an, der alte Cheops von
Ägypten, deſſen Namen die große Pyramide, ein Werk unbedingt
ſchon hoch entwickelter Kultur, trägt, habe um Dreitauſend vor
Chriſtus gelebt, rund beinahe fünftauſend Jahre vor heute.
Aus der Zeit des Cheops melden Inſchriften von Tempeln aus
ſagenhafter Vorzeit, die, im Wüſtenſande verſchüttet, damals
wieder aufgefunden worden ſeien. Die große Sphinx war in
Cheops' Tagen ſchon ſo alt, daß ſie ausgebeſſert werden mußte.
In welche Zeit verliert ſich hier ſchon die menſchliche Kultur,
— Kultur in einer Form, die Werke ſchuf, vor denen du heute
noch in Bewunderung, mit einem gewiſſen Schauer des Nicht¬
nachmachen-könnens, ſtehſt .....

Nun kennen wir, dank ſehr moderner Forſchung, eine weit
einfachere, ältere Urkultur, die jenſeits aller Benutzung der
Metalle ſtand, die ſich mit Steinwerkzeugen behalf und mit
dieſen Steinwerkzeugen gigantiſche Tiere erlegte, die zu Beginn
ſchriftlicher Überlieferung ſchon vollſtändig ausgeſtorben waren.
Dieſe Urkultur, in Mitteleuropa in unanzweifelbaren Reſten
nachgewieſen, verliert ſich rückwärts in eine Epoche hinein, die
der moderne Geologe als Eiszeit bezeichnet. Nach einer aſtro¬
nomiſchen Rechnung, die manches für ſich hat, wird der Höhe¬
punkt dieſer Eiszeit (oder beſſer Eiszeiten, denn es handelt ſich
um einen Vorgang mit Intervallen und Wiederholungen) bis
über das Jahr Hunderttauſend vor Chriſtus zurückgeſchoben.
Dennoch ſind die Schädel der Menſchen vom letzten Rande oder
vielleicht ſogar bis zum Anfang dieſer noch in ſich wieder un¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="79"/>
heit und gar den paar Tagen jenes fabelhaften Schöpfungs¬<lb/>
wurfs hat &#x017F;ie ein Thor geri&#x017F;&#x017F;en abermals in eine wahrhafte<lb/>
Unendlichkeit. Diesmal Zeit-Millionen, nicht &#x017F;olche des Raums.<lb/>
Zeit-Millionen &#x017F;trenger ge&#x017F;chichtlicher Entwickelung.</p><lb/>
        <figure/>
        <p>Nimm dir einmal als Maß lo&#x017F;e an, der alte Cheops von<lb/>
Ägypten, de&#x017F;&#x017F;en Namen die große Pyramide, ein Werk unbedingt<lb/>
&#x017F;chon hoch entwickelter Kultur, trägt, habe um Dreitau&#x017F;end vor<lb/>
Chri&#x017F;tus gelebt, rund beinahe fünftau&#x017F;end Jahre vor heute.<lb/>
Aus der Zeit des Cheops melden In&#x017F;chriften von Tempeln aus<lb/>
&#x017F;agenhafter Vorzeit, die, im Wü&#x017F;ten&#x017F;ande ver&#x017F;chüttet, damals<lb/>
wieder aufgefunden worden &#x017F;eien. Die große Sphinx war in<lb/>
Cheops' Tagen &#x017F;chon &#x017F;o alt, daß &#x017F;ie ausgebe&#x017F;&#x017F;ert werden mußte.<lb/>
In welche Zeit verliert &#x017F;ich hier &#x017F;chon die men&#x017F;chliche Kultur,<lb/>
&#x2014; Kultur in einer Form, die Werke &#x017F;chuf, vor denen du heute<lb/>
noch in Bewunderung, mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en Schauer des Nicht¬<lb/>
nachmachen-könnens, &#x017F;teh&#x017F;t .....</p><lb/>
        <p>Nun kennen wir, dank &#x017F;ehr moderner For&#x017F;chung, eine weit<lb/>
einfachere, ältere Urkultur, die jen&#x017F;eits aller Benutzung der<lb/>
Metalle &#x017F;tand, die &#x017F;ich mit Steinwerkzeugen behalf und mit<lb/>
die&#x017F;en Steinwerkzeugen giganti&#x017F;che Tiere erlegte, die zu Beginn<lb/>
&#x017F;chriftlicher Überlieferung &#x017F;chon voll&#x017F;tändig ausge&#x017F;torben waren.<lb/>
Die&#x017F;e Urkultur, in Mitteleuropa in unanzweifelbaren Re&#x017F;ten<lb/>
nachgewie&#x017F;en, verliert &#x017F;ich rückwärts in eine Epoche hinein, die<lb/>
der moderne Geologe als Eiszeit bezeichnet. Nach einer a&#x017F;tro¬<lb/>
nomi&#x017F;chen Rechnung, die manches für &#x017F;ich hat, wird der Höhe¬<lb/>
punkt die&#x017F;er Eiszeit (oder be&#x017F;&#x017F;er Eiszeiten, denn es handelt &#x017F;ich<lb/>
um einen Vorgang mit Intervallen und Wiederholungen) bis<lb/>
über das Jahr Hunderttau&#x017F;end vor Chri&#x017F;tus zurückge&#x017F;choben.<lb/>
Dennoch &#x017F;ind die Schädel der Men&#x017F;chen vom letzten Rande oder<lb/>
vielleicht &#x017F;ogar bis zum Anfang die&#x017F;er noch in &#x017F;ich wieder un¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0095] heit und gar den paar Tagen jenes fabelhaften Schöpfungs¬ wurfs hat ſie ein Thor geriſſen abermals in eine wahrhafte Unendlichkeit. Diesmal Zeit-Millionen, nicht ſolche des Raums. Zeit-Millionen ſtrenger geſchichtlicher Entwickelung. [Abbildung] Nimm dir einmal als Maß loſe an, der alte Cheops von Ägypten, deſſen Namen die große Pyramide, ein Werk unbedingt ſchon hoch entwickelter Kultur, trägt, habe um Dreitauſend vor Chriſtus gelebt, rund beinahe fünftauſend Jahre vor heute. Aus der Zeit des Cheops melden Inſchriften von Tempeln aus ſagenhafter Vorzeit, die, im Wüſtenſande verſchüttet, damals wieder aufgefunden worden ſeien. Die große Sphinx war in Cheops' Tagen ſchon ſo alt, daß ſie ausgebeſſert werden mußte. In welche Zeit verliert ſich hier ſchon die menſchliche Kultur, — Kultur in einer Form, die Werke ſchuf, vor denen du heute noch in Bewunderung, mit einem gewiſſen Schauer des Nicht¬ nachmachen-könnens, ſtehſt ..... Nun kennen wir, dank ſehr moderner Forſchung, eine weit einfachere, ältere Urkultur, die jenſeits aller Benutzung der Metalle ſtand, die ſich mit Steinwerkzeugen behalf und mit dieſen Steinwerkzeugen gigantiſche Tiere erlegte, die zu Beginn ſchriftlicher Überlieferung ſchon vollſtändig ausgeſtorben waren. Dieſe Urkultur, in Mitteleuropa in unanzweifelbaren Reſten nachgewieſen, verliert ſich rückwärts in eine Epoche hinein, die der moderne Geologe als Eiszeit bezeichnet. Nach einer aſtro¬ nomiſchen Rechnung, die manches für ſich hat, wird der Höhe¬ punkt dieſer Eiszeit (oder beſſer Eiszeiten, denn es handelt ſich um einen Vorgang mit Intervallen und Wiederholungen) bis über das Jahr Hunderttauſend vor Chriſtus zurückgeſchoben. Dennoch ſind die Schädel der Menſchen vom letzten Rande oder vielleicht ſogar bis zum Anfang dieſer noch in ſich wieder un¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/95
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/95>, abgerufen am 24.11.2024.