klümpchen "Zellen" und sagt: der ganze Hund ist in allen seinen Organen durch die Bank aufgebaut aus Millionen und Abermillionen solcher lebendigen "Zellen", -- er ist ein großes Gebäude, dessen einheitlicher Baustein die "Zelle" ist. Die Lebensgewohnheiten, die "Arbeiten" dieser Zellen sind dabei sehr verschiedenartige. Die Zellen des Darmes saugen Nah¬ rungssäfte auf, die Zellen der Lunge verarbeiten die dem Or¬ ganismus nötige Luft, die Zellen des Gehirnes empfinden, überlegen und ordnen als Oberleitung den ganzen Leibeshaus¬ halt -- und so fort. Aber die Zellen selbst bleiben sich als solche trotz verschiedenster Leistung innerlich so gut wie wesens¬ gleich und wahren sich sämtlich das Grundbild des einheitlichen Lebens-Ziegelsteins.
Der Hund, den wir als Beispiel gewählt haben, ist ein verhältnismäßig schon sehr hoch entwickeltes Tier. Nimm ein niedrigeres Tier: etwa einen Regenwurm. Du findest dieselbe Sache. Auch er besteht nicht aus einheitlichem Lebensstoff, sondern dieser Lebensstoff erscheint auch in ihm zunächst ge¬ gliedert in "Zellen", und eine Unmasse solcher Zellen setzen dann seinen Leib, seine Organe zusammen. Er ist kleiner als der Hund und hat nicht so komplizierte Organe wie dieser. Also besteht er aus weniger Zellen, -- genau so, wie eine Hütte weniger Ziegelsteine enthält als ein Palast. Das ist aber der einzige wesentliche Unterschied. Ganz unten in der Kette findest du Tiere, die schließlich gar nur mehr aus einer einzigen Zelle bestehen. Ein einziger Ziegelstein, auf blanke Ackerfläche gelegt, bildet ein "Haus" für sich: so ist es hier. Umgekehrt gehst du wieder zu den Pflanzen, so findest du dort die höheren abermals aus vielen Millionen von Zellen zu¬ sammengesetzt: der Ölbaum da drüben trägt in jedem Blatt allein eine ganze Fülle davon und wie viel solcher Blätter schüttelt er im Winde!
Nun aber zu dir selbst, zum Menschen, aufwärts noch über den Hund hinaus. Auch du bist vom Tier gekommen,
klümpchen „Zellen“ und ſagt: der ganze Hund iſt in allen ſeinen Organen durch die Bank aufgebaut aus Millionen und Abermillionen ſolcher lebendigen „Zellen“, — er iſt ein großes Gebäude, deſſen einheitlicher Bauſtein die „Zelle“ iſt. Die Lebensgewohnheiten, die „Arbeiten“ dieſer Zellen ſind dabei ſehr verſchiedenartige. Die Zellen des Darmes ſaugen Nah¬ rungsſäfte auf, die Zellen der Lunge verarbeiten die dem Or¬ ganismus nötige Luft, die Zellen des Gehirnes empfinden, überlegen und ordnen als Oberleitung den ganzen Leibeshaus¬ halt — und ſo fort. Aber die Zellen ſelbſt bleiben ſich als ſolche trotz verſchiedenſter Leiſtung innerlich ſo gut wie weſens¬ gleich und wahren ſich ſämtlich das Grundbild des einheitlichen Lebens-Ziegelſteins.
Der Hund, den wir als Beiſpiel gewählt haben, iſt ein verhältnismäßig ſchon ſehr hoch entwickeltes Tier. Nimm ein niedrigeres Tier: etwa einen Regenwurm. Du findeſt dieſelbe Sache. Auch er beſteht nicht aus einheitlichem Lebensſtoff, ſondern dieſer Lebensſtoff erſcheint auch in ihm zunächſt ge¬ gliedert in „Zellen“, und eine Unmaſſe ſolcher Zellen ſetzen dann ſeinen Leib, ſeine Organe zuſammen. Er iſt kleiner als der Hund und hat nicht ſo komplizierte Organe wie dieſer. Alſo beſteht er aus weniger Zellen, — genau ſo, wie eine Hütte weniger Ziegelſteine enthält als ein Palaſt. Das iſt aber der einzige weſentliche Unterſchied. Ganz unten in der Kette findeſt du Tiere, die ſchließlich gar nur mehr aus einer einzigen Zelle beſtehen. Ein einziger Ziegelſtein, auf blanke Ackerfläche gelegt, bildet ein „Haus“ für ſich: ſo iſt es hier. Umgekehrt gehſt du wieder zu den Pflanzen, ſo findeſt du dort die höheren abermals aus vielen Millionen von Zellen zu¬ ſammengeſetzt: der Ölbaum da drüben trägt in jedem Blatt allein eine ganze Fülle davon und wie viel ſolcher Blätter ſchüttelt er im Winde!
Nun aber zu dir ſelbſt, zum Menſchen, aufwärts noch über den Hund hinaus. Auch du biſt vom Tier gekommen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0076"n="60"/>
klümpchen „Zellen“ und ſagt: der ganze Hund iſt in allen<lb/>ſeinen Organen durch die Bank aufgebaut aus Millionen und<lb/>
Abermillionen ſolcher lebendigen „Zellen“, — er iſt ein großes<lb/>
Gebäude, deſſen einheitlicher Bauſtein die „Zelle“ iſt. Die<lb/>
Lebensgewohnheiten, die „Arbeiten“ dieſer Zellen ſind dabei<lb/>ſehr verſchiedenartige. Die Zellen des Darmes ſaugen Nah¬<lb/>
rungsſäfte auf, die Zellen der Lunge verarbeiten die dem Or¬<lb/>
ganismus nötige Luft, die Zellen des Gehirnes empfinden,<lb/>
überlegen und ordnen als Oberleitung den ganzen Leibeshaus¬<lb/>
halt — und ſo fort. Aber die Zellen ſelbſt bleiben ſich als<lb/>ſolche trotz verſchiedenſter Leiſtung innerlich ſo gut wie weſens¬<lb/>
gleich und wahren ſich ſämtlich das Grundbild des einheitlichen<lb/>
Lebens-Ziegelſteins.</p><lb/><p>Der Hund, den wir als Beiſpiel gewählt haben, iſt ein<lb/>
verhältnismäßig ſchon ſehr hoch entwickeltes Tier. Nimm ein<lb/>
niedrigeres Tier: etwa einen Regenwurm. Du findeſt dieſelbe<lb/>
Sache. Auch er beſteht nicht aus einheitlichem Lebensſtoff,<lb/>ſondern dieſer Lebensſtoff erſcheint auch in ihm zunächſt ge¬<lb/>
gliedert in „Zellen“, und eine Unmaſſe ſolcher Zellen ſetzen<lb/>
dann ſeinen Leib, ſeine Organe zuſammen. Er iſt kleiner als<lb/>
der Hund und hat nicht ſo komplizierte Organe wie dieſer.<lb/>
Alſo beſteht er aus weniger Zellen, — genau ſo, wie eine<lb/>
Hütte weniger Ziegelſteine enthält als ein Palaſt. Das iſt<lb/>
aber der einzige weſentliche Unterſchied. Ganz unten in der<lb/>
Kette findeſt du Tiere, die ſchließlich gar nur mehr aus einer<lb/>
einzigen Zelle beſtehen. Ein einziger Ziegelſtein, auf blanke<lb/>
Ackerfläche gelegt, bildet ein „Haus“ für ſich: ſo iſt es hier.<lb/>
Umgekehrt gehſt du wieder zu den Pflanzen, ſo findeſt du dort<lb/>
die höheren abermals aus vielen Millionen von Zellen zu¬<lb/>ſammengeſetzt: der Ölbaum da drüben trägt in jedem Blatt<lb/>
allein eine ganze Fülle davon und wie viel ſolcher Blätter<lb/>ſchüttelt er im Winde!</p><lb/><p>Nun aber zu dir ſelbſt, zum Menſchen, aufwärts noch<lb/>
über den Hund hinaus. Auch du biſt vom Tier gekommen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[60/0076]
klümpchen „Zellen“ und ſagt: der ganze Hund iſt in allen
ſeinen Organen durch die Bank aufgebaut aus Millionen und
Abermillionen ſolcher lebendigen „Zellen“, — er iſt ein großes
Gebäude, deſſen einheitlicher Bauſtein die „Zelle“ iſt. Die
Lebensgewohnheiten, die „Arbeiten“ dieſer Zellen ſind dabei
ſehr verſchiedenartige. Die Zellen des Darmes ſaugen Nah¬
rungsſäfte auf, die Zellen der Lunge verarbeiten die dem Or¬
ganismus nötige Luft, die Zellen des Gehirnes empfinden,
überlegen und ordnen als Oberleitung den ganzen Leibeshaus¬
halt — und ſo fort. Aber die Zellen ſelbſt bleiben ſich als
ſolche trotz verſchiedenſter Leiſtung innerlich ſo gut wie weſens¬
gleich und wahren ſich ſämtlich das Grundbild des einheitlichen
Lebens-Ziegelſteins.
Der Hund, den wir als Beiſpiel gewählt haben, iſt ein
verhältnismäßig ſchon ſehr hoch entwickeltes Tier. Nimm ein
niedrigeres Tier: etwa einen Regenwurm. Du findeſt dieſelbe
Sache. Auch er beſteht nicht aus einheitlichem Lebensſtoff,
ſondern dieſer Lebensſtoff erſcheint auch in ihm zunächſt ge¬
gliedert in „Zellen“, und eine Unmaſſe ſolcher Zellen ſetzen
dann ſeinen Leib, ſeine Organe zuſammen. Er iſt kleiner als
der Hund und hat nicht ſo komplizierte Organe wie dieſer.
Alſo beſteht er aus weniger Zellen, — genau ſo, wie eine
Hütte weniger Ziegelſteine enthält als ein Palaſt. Das iſt
aber der einzige weſentliche Unterſchied. Ganz unten in der
Kette findeſt du Tiere, die ſchließlich gar nur mehr aus einer
einzigen Zelle beſtehen. Ein einziger Ziegelſtein, auf blanke
Ackerfläche gelegt, bildet ein „Haus“ für ſich: ſo iſt es hier.
Umgekehrt gehſt du wieder zu den Pflanzen, ſo findeſt du dort
die höheren abermals aus vielen Millionen von Zellen zu¬
ſammengeſetzt: der Ölbaum da drüben trägt in jedem Blatt
allein eine ganze Fülle davon und wie viel ſolcher Blätter
ſchüttelt er im Winde!
Nun aber zu dir ſelbſt, zum Menſchen, aufwärts noch
über den Hund hinaus. Auch du biſt vom Tier gekommen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/76>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.