werden konnten. Du ahnst mindestens, daß das "Zweierlei" von zeugender Königin und bloß pflegender Vestalin ursprüng¬ lich einmal möglich wurde.
Interessant genug: ich erzähle dir dabei nicht einfach ins Blaue hinein. Bei Verwandten der Biene, die zwar schon in größeren Familien, aber noch nicht annähernd in solchen riesigen Staaten leben, -- bei Hummeln und vor allem Wespen, -- findest du heute noch gewisse Stufen jenes Entwickelungsprozesses einmal wieder gleichsam lebendig versteinert vor, -- das heißt: heute noch allgemein als Normalstand in Brauch. Da siehst du ein absolut entwickeltes, echtes Wespenweibchen, vergleichbar einer Bienenkönigin, das im Herbst sich hat von einem Manne begatten lassen und das dann allein überwintert ist. Im Frühling legt es eine erste Schicht Eier, es entstehen Lärvchen, und die Alte füttert, so gut sie kann. Natürlich bei der Menge mangelhaft! Es entstehen aus den Eiern neue Weibchen, die aber mindestens in der Größe etwas verkümmertes an sich haben. Klein, wie sie sind, und von allen Drohnen fern um diese Zeit, kommen diese erstgeborenen Weibchen zu keiner Begattung: dagegen greifen sie alsbald lebhaft bei der weiteren Larvenpäppelung mit ein, -- sie nehmen der alten Eierlegerin die Mühe des Nahrungsholens ab und päppeln schließlich regel¬ rechte große Weibchen wieder aus späteren Larven gegen den Herbst zu heraus. Diese richtigen Weiber finden dann wieder ihre Drohnen, die inzwischen von beiden Parteien, von der alten Stammmutter neben ihrer sonstigen Eierlegerei und von den Kümmerweiber noch gelegentlich wieder extra, per Par¬ thenogenesis im früher beschriebenen Sinne in die Welt gesetzt worden sind. Sie begatten sich, überwintern und fangen die Historia im grünen Lenz lustig wieder von vorne an. Sicher¬ lich siehst du hier in die Brücke.
Laß die kleine Zahl jetzt zur Riesenmasse schwellen. Laß alles sich starr regeln. Die Eierlegekraft des Ur-, Erz- und Oberweibes, -- der regelrechten "Königin", -- wachse ins
werden konnten. Du ahnſt mindeſtens, daß das „Zweierlei“ von zeugender Königin und bloß pflegender Veſtalin urſprüng¬ lich einmal möglich wurde.
Intereſſant genug: ich erzähle dir dabei nicht einfach ins Blaue hinein. Bei Verwandten der Biene, die zwar ſchon in größeren Familien, aber noch nicht annähernd in ſolchen rieſigen Staaten leben, — bei Hummeln und vor allem Weſpen, — findeſt du heute noch gewiſſe Stufen jenes Entwickelungsprozeſſes einmal wieder gleichſam lebendig verſteinert vor, — das heißt: heute noch allgemein als Normalſtand in Brauch. Da ſiehſt du ein abſolut entwickeltes, echtes Weſpenweibchen, vergleichbar einer Bienenkönigin, das im Herbſt ſich hat von einem Manne begatten laſſen und das dann allein überwintert iſt. Im Frühling legt es eine erſte Schicht Eier, es entſtehen Lärvchen, und die Alte füttert, ſo gut ſie kann. Natürlich bei der Menge mangelhaft! Es entſtehen aus den Eiern neue Weibchen, die aber mindeſtens in der Größe etwas verkümmertes an ſich haben. Klein, wie ſie ſind, und von allen Drohnen fern um dieſe Zeit, kommen dieſe erſtgeborenen Weibchen zu keiner Begattung: dagegen greifen ſie alsbald lebhaft bei der weiteren Larvenpäppelung mit ein, — ſie nehmen der alten Eierlegerin die Mühe des Nahrungsholens ab und päppeln ſchließlich regel¬ rechte große Weibchen wieder aus ſpäteren Larven gegen den Herbſt zu heraus. Dieſe richtigen Weiber finden dann wieder ihre Drohnen, die inzwiſchen von beiden Parteien, von der alten Stammmutter neben ihrer ſonſtigen Eierlegerei und von den Kümmerweiber noch gelegentlich wieder extra, per Par¬ thenogeneſis im früher beſchriebenen Sinne in die Welt geſetzt worden ſind. Sie begatten ſich, überwintern und fangen die Hiſtoria im grünen Lenz luſtig wieder von vorne an. Sicher¬ lich ſiehſt du hier in die Brücke.
Laß die kleine Zahl jetzt zur Rieſenmaſſe ſchwellen. Laß alles ſich ſtarr regeln. Die Eierlegekraft des Ur-, Erz- und Oberweibes, — der regelrechten „Königin“, — wachſe ins
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werden konnten. Du ahnſt mindeſtens, daß das „Zweierlei“
von zeugender Königin und bloß pflegender Veſtalin urſprüng¬
lich einmal möglich wurde.
Intereſſant genug: ich erzähle dir dabei nicht einfach ins
Blaue hinein. Bei Verwandten der Biene, die zwar ſchon in
größeren Familien, aber noch nicht annähernd in ſolchen rieſigen
Staaten leben, — bei Hummeln und vor allem Weſpen, —
findeſt du heute noch gewiſſe Stufen jenes Entwickelungsprozeſſes
einmal wieder gleichſam lebendig verſteinert vor, — das heißt:
heute noch allgemein als Normalſtand in Brauch. Da ſiehſt
du ein abſolut entwickeltes, echtes Weſpenweibchen, vergleichbar
einer Bienenkönigin, das im Herbſt ſich hat von einem Manne
begatten laſſen und das dann allein überwintert iſt. Im
Frühling legt es eine erſte Schicht Eier, es entſtehen Lärvchen,
und die Alte füttert, ſo gut ſie kann. Natürlich bei der Menge
mangelhaft! Es entſtehen aus den Eiern neue Weibchen, die
aber mindeſtens in der Größe etwas verkümmertes an ſich
haben. Klein, wie ſie ſind, und von allen Drohnen fern um
dieſe Zeit, kommen dieſe erſtgeborenen Weibchen zu keiner
Begattung: dagegen greifen ſie alsbald lebhaft bei der weiteren
Larvenpäppelung mit ein, — ſie nehmen der alten Eierlegerin
die Mühe des Nahrungsholens ab und päppeln ſchließlich regel¬
rechte große Weibchen wieder aus ſpäteren Larven gegen den
Herbſt zu heraus. Dieſe richtigen Weiber finden dann wieder
ihre Drohnen, die inzwiſchen von beiden Parteien, von der
alten Stammmutter neben ihrer ſonſtigen Eierlegerei und von
den Kümmerweiber noch gelegentlich wieder extra, per Par¬
thenogeneſis im früher beſchriebenen Sinne in die Welt geſetzt
worden ſind. Sie begatten ſich, überwintern und fangen die
Hiſtoria im grünen Lenz luſtig wieder von vorne an. Sicher¬
lich ſiehſt du hier in die Brücke.
Laß die kleine Zahl jetzt zur Rieſenmaſſe ſchwellen. Laß
alles ſich ſtarr regeln. Die Eierlegekraft des Ur-, Erz- und
Oberweibes, — der regelrechten „Königin“, — wachſe ins
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/412>, abgerufen am 27.11.2024.
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