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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Es war einmal eine Urbiene, die hatte die bei Insekten
nicht weiter wunderbare Eigenschaft, auf Grund einer Begattung
(und obendrein etwa noch durch die besondere, im Insekten¬
stamm für sich wieder angelegte wunderbare Gabe der Jungfern¬
zeugung sogar ohne Begattung) ungeheure Massen von Eiern
zu legen. Die aus den Eiern kriechenden Lärvchen brauchten
nun ein gewisses Maß guter Pflege. Die alte Biene besaß
auch Muttergefühle genug, sie schleppte Nahrung, was das Zeug
halten wollte.

Aber da war nun doch ein fatales Plus.

Ihre Zeugungskraft ging weit über ihre Pflegekraft. Der
Mann half nicht mit, -- was thun? Es war selbst bei
höchstem Eifer unmöglich, alle die hungernden Mäuler genügend
zu stopfen. Nach einer Weile kroch eine erste Rate junger
Bienlein aus. Aber o Graus! Die ungenügende Fütterung
hatte sie verkümmern lassen. Ihre Geschlechtsteile waren zur
Begattung völlig ungeeignet geworden. Ewig schienen sie der
eigenen Gattenliebe verschlossen. Da saßen sie nun, arme
Jüngferchen. Wohin mit ihnen? Aber sie sahen die alte
Mutter, die ja noch Wickelkinder die schwere Menge liegen
hatte und sich abrackerte, denen zu helfen. Aller eigenen Liebes¬
sehnsucht bar, machten sich die Jüngferchen daran, der Alten
zu helfen. Sie trugen auch Nahrung an. Sei es, daß es
bloß Nachahmung war. Sei es, daß die doch auch ihnen
innerlich vererbten Muttergefühle erwachten, ob's schon nicht
ihre Kinder waren, die sie fütterten. Genug: -- sie entlasteten
die Alte, halfen überall -- viele, wie sie waren, -- energisch
nach und bewirkten schließlich, daß doch auch noch neben manchem
verkümmerten endlich wieder genügend viele unverkümmerte,
geschlechtsfähige Bienlein zur Reife gelangten, womit die Fort¬
dauer der Art gesichert war.

Nicht wahr: von hier bis zu dem vollkommenen "Bienen¬
staat" ist noch ein gewisser Schritt. Aber du begreifst gleich¬
wohl, daß von hier die Dinge in langem Verlauf etwa so

Es war einmal eine Urbiene, die hatte die bei Inſekten
nicht weiter wunderbare Eigenſchaft, auf Grund einer Begattung
(und obendrein etwa noch durch die beſondere, im Inſekten¬
ſtamm für ſich wieder angelegte wunderbare Gabe der Jungfern¬
zeugung ſogar ohne Begattung) ungeheure Maſſen von Eiern
zu legen. Die aus den Eiern kriechenden Lärvchen brauchten
nun ein gewiſſes Maß guter Pflege. Die alte Biene beſaß
auch Muttergefühle genug, ſie ſchleppte Nahrung, was das Zeug
halten wollte.

Aber da war nun doch ein fatales Plus.

Ihre Zeugungskraft ging weit über ihre Pflegekraft. Der
Mann half nicht mit, — was thun? Es war ſelbſt bei
höchſtem Eifer unmöglich, alle die hungernden Mäuler genügend
zu ſtopfen. Nach einer Weile kroch eine erſte Rate junger
Bienlein aus. Aber o Graus! Die ungenügende Fütterung
hatte ſie verkümmern laſſen. Ihre Geſchlechtsteile waren zur
Begattung völlig ungeeignet geworden. Ewig ſchienen ſie der
eigenen Gattenliebe verſchloſſen. Da ſaßen ſie nun, arme
Jüngferchen. Wohin mit ihnen? Aber ſie ſahen die alte
Mutter, die ja noch Wickelkinder die ſchwere Menge liegen
hatte und ſich abrackerte, denen zu helfen. Aller eigenen Liebes¬
ſehnſucht bar, machten ſich die Jüngferchen daran, der Alten
zu helfen. Sie trugen auch Nahrung an. Sei es, daß es
bloß Nachahmung war. Sei es, daß die doch auch ihnen
innerlich vererbten Muttergefühle erwachten, ob's ſchon nicht
ihre Kinder waren, die ſie fütterten. Genug: — ſie entlaſteten
die Alte, halfen überall — viele, wie ſie waren, — energiſch
nach und bewirkten ſchließlich, daß doch auch noch neben manchem
verkümmerten endlich wieder genügend viele unverkümmerte,
geſchlechtsfähige Bienlein zur Reife gelangten, womit die Fort¬
dauer der Art geſichert war.

Nicht wahr: von hier bis zu dem vollkommenen „Bienen¬
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wohl, daß von hier die Dinge in langem Verlauf etwa ſo

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[395/0411] Es war einmal eine Urbiene, die hatte die bei Inſekten nicht weiter wunderbare Eigenſchaft, auf Grund einer Begattung (und obendrein etwa noch durch die beſondere, im Inſekten¬ ſtamm für ſich wieder angelegte wunderbare Gabe der Jungfern¬ zeugung ſogar ohne Begattung) ungeheure Maſſen von Eiern zu legen. Die aus den Eiern kriechenden Lärvchen brauchten nun ein gewiſſes Maß guter Pflege. Die alte Biene beſaß auch Muttergefühle genug, ſie ſchleppte Nahrung, was das Zeug halten wollte. Aber da war nun doch ein fatales Plus. Ihre Zeugungskraft ging weit über ihre Pflegekraft. Der Mann half nicht mit, — was thun? Es war ſelbſt bei höchſtem Eifer unmöglich, alle die hungernden Mäuler genügend zu ſtopfen. Nach einer Weile kroch eine erſte Rate junger Bienlein aus. Aber o Graus! Die ungenügende Fütterung hatte ſie verkümmern laſſen. Ihre Geſchlechtsteile waren zur Begattung völlig ungeeignet geworden. Ewig ſchienen ſie der eigenen Gattenliebe verſchloſſen. Da ſaßen ſie nun, arme Jüngferchen. Wohin mit ihnen? Aber ſie ſahen die alte Mutter, die ja noch Wickelkinder die ſchwere Menge liegen hatte und ſich abrackerte, denen zu helfen. Aller eigenen Liebes¬ ſehnſucht bar, machten ſich die Jüngferchen daran, der Alten zu helfen. Sie trugen auch Nahrung an. Sei es, daß es bloß Nachahmung war. Sei es, daß die doch auch ihnen innerlich vererbten Muttergefühle erwachten, ob's ſchon nicht ihre Kinder waren, die ſie fütterten. Genug: — ſie entlaſteten die Alte, halfen überall — viele, wie ſie waren, — energiſch nach und bewirkten ſchließlich, daß doch auch noch neben manchem verkümmerten endlich wieder genügend viele unverkümmerte, geſchlechtsfähige Bienlein zur Reife gelangten, womit die Fort¬ dauer der Art geſichert war. Nicht wahr: von hier bis zu dem vollkommenen „Bienen¬ ſtaat“ iſt noch ein gewiſſer Schritt. Aber du begreifſt gleich¬ wohl, daß von hier die Dinge in langem Verlauf etwa ſo

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/411>, abgerufen am 27.11.2024.