winzigen zarten Knospe des kommenden Menschleins die Kiemen¬ spalten am Halse, die der Fisch braucht, um aus seinem Element, dem Wasser, besonders kunstvoll den nährenden Sauerstoff aus¬ zuscheiden. Und die Gliedmaßen treten hervor in gerundeter Flossenform. Das Bild des Urfisches zittert wie im Dunste noch einmal auf, -- des Urfisches, der im Grau verdämmerter Zeiten höheren Wesen das Leben gab, Wesen, die immer aufwärts steigen sollten, bis zuletzt der Mensch wie eine neue Überwelt aus ihrer Krone flammte, -- der Mensch, der alles Leid und alle Lust der Kreatur auf seinen Schultern trägt .....
So ist auch dieses wilde, dieses groteske Bild aufs innigste verknüpft mit dir.
Wieder stehst du als der späte Träumer auf der Granitklippe und denkst und denkst. Aus diesem Wirrsal roh sich drängender Fische dieselbe dunkle Frage. Wozu? Was ist die Liebe?
Wie die Stimme Jehovas einst zu Hiob kam. "Gürte deine Lenden wie ein Mann, ich will dich fragen, lehre mich!" So rufst du der Liebe in dieser gespensterhaften Offenbarung zu.
Antwort! Das Meer, das uralte graue Meer, in dem Welten versunken sind, gurgelt und rauscht und schlingt seine Millionen liebestoller Fische wieder hinab. Und schweigt.
Höher!
Du mußt noch viel höher. Um zu ahnen, was das alles sagen will. Wohin das wollte und wohin es gekommen ist. Gürte deine Lenden, ich will dich führen.
[Abbildung]
winzigen zarten Knoſpe des kommenden Menſchleins die Kiemen¬ ſpalten am Halſe, die der Fiſch braucht, um aus ſeinem Element, dem Waſſer, beſonders kunſtvoll den nährenden Sauerſtoff aus¬ zuſcheiden. Und die Gliedmaßen treten hervor in gerundeter Floſſenform. Das Bild des Urfiſches zittert wie im Dunſte noch einmal auf, — des Urfiſches, der im Grau verdämmerter Zeiten höheren Weſen das Leben gab, Weſen, die immer aufwärts ſteigen ſollten, bis zuletzt der Menſch wie eine neue Überwelt aus ihrer Krone flammte, — der Menſch, der alles Leid und alle Luſt der Kreatur auf ſeinen Schultern trägt .....
So iſt auch dieſes wilde, dieſes groteske Bild aufs innigſte verknüpft mit dir.
Wieder ſtehſt du als der ſpäte Träumer auf der Granitklippe und denkſt und denkſt. Aus dieſem Wirrſal roh ſich drängender Fiſche dieſelbe dunkle Frage. Wozu? Was iſt die Liebe?
Wie die Stimme Jehovas einſt zu Hiob kam. „Gürte deine Lenden wie ein Mann, ich will dich fragen, lehre mich!“ So rufſt du der Liebe in dieſer geſpenſterhaften Offenbarung zu.
Antwort! Das Meer, das uralte graue Meer, in dem Welten verſunken ſind, gurgelt und rauſcht und ſchlingt ſeine Millionen liebestoller Fiſche wieder hinab. Und ſchweigt.
Höher!
Du mußt noch viel höher. Um zu ahnen, was das alles ſagen will. Wohin das wollte und wohin es gekommen iſt. Gürte deine Lenden, ich will dich führen.
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winzigen zarten Knoſpe des kommenden Menſchleins die Kiemen¬
ſpalten am Halſe, die der Fiſch braucht, um aus ſeinem Element,
dem Waſſer, beſonders kunſtvoll den nährenden Sauerſtoff aus¬
zuſcheiden. Und die Gliedmaßen treten hervor in gerundeter
Floſſenform. Das Bild des Urfiſches zittert wie im Dunſte
noch einmal auf, — des Urfiſches, der im Grau verdämmerter
Zeiten höheren Weſen das Leben gab, Weſen, die immer
aufwärts ſteigen ſollten, bis zuletzt der Menſch wie eine neue
Überwelt aus ihrer Krone flammte, — der Menſch, der alles
Leid und alle Luſt der Kreatur auf ſeinen Schultern trägt .....
So iſt auch dieſes wilde, dieſes groteske Bild aufs innigſte
verknüpft mit dir.
Wieder ſtehſt du als der ſpäte Träumer auf der Granitklippe
und denkſt und denkſt. Aus dieſem Wirrſal roh ſich drängender
Fiſche dieſelbe dunkle Frage. Wozu? Was iſt die Liebe?
Wie die Stimme Jehovas einſt zu Hiob kam. „Gürte
deine Lenden wie ein Mann, ich will dich fragen, lehre mich!“
So rufſt du der Liebe in dieſer geſpenſterhaften Offenbarung zu.
Antwort! Das Meer, das uralte graue Meer, in dem
Welten verſunken ſind, gurgelt und rauſcht und ſchlingt ſeine
Millionen liebestoller Fiſche wieder hinab. Und ſchweigt.
Höher!
Du mußt noch viel höher. Um zu ahnen, was das alles
ſagen will. Wohin das wollte und wohin es gekommen iſt.
Gürte deine Lenden, ich will dich führen.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/39>, abgerufen am 23.11.2024.
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