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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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ein altes Unglück der Entwickelung mit ihr verknüpft. Dann
erging er sich in Utopieen, wie der Mann zu retten sei vor
diesem "Weib". Absolute soziale Trennung. Eine "Mensch¬
heit", bestehend aus Nationen unabhängiger, geistesstarker
Männer. Und da und dort, möglichst isoliert davon, eine Art
großen Zigeunerlagers, wo das Geschöpf Weib sich aufhielt.
Ab und zu für den Mann die schwere Pflicht, auf kürzeste
Zeit sich mit dieser fremden Welt zu beschäftigen. Aber wahr¬
lich nur aus leidiger Pflicht -- und so kurz wie möglich.
Dann kehrte er wieder heim in das wahre große Geistesreich,
wie ein Kulturmensch vom Nordpol kehrt. Und alle Kinder¬
erziehung bei den Männern, ausschließlich. Die Zukunft mußte
etwas derart bringen kein Zweifel. Und es war doch
wenigstens ein stolzes Gefühl, um die Zukunft zu wissen .....

Ich sehe ihn noch wie heute, wie er mir das einmal vor¬
dozierte, in grauem Ton, ein graues Männlein. Ein Regen¬
tag und die Wasser rannen. Ich aber dachte an Ovids Meta¬
morphosen und in was der Geist des alten lustigen Dichters
diesen galligen Erdensohn wohl verwandelt hätte.

Dein Körper, du Lieber, den die Galle ohnehin schon
schrumpfen ließ, wäre ganz aufs winzige zusammengeschnurrt, --
bis auf acht Zentimeter herab. Hinten wäre dir ein zierliches
Fächerschwänzchen gewachsen, deine Beine und Arme wurden
Flossen, über deinen Rücken und Leib goß sich ein zartes Grün
und Silber aus, das schuppig glänzte. All deine Seelen¬
borstigkeit und Weiberverachtung aber stach dir in ein paar
langen, haarscharfen Spitzen aus dem Leibe heraus, Stacheln
so mörderisch, daß selbst der grimmigste Hecht dich entsetzt aus¬
speien möchte, ohne es gleich zu können, da du ihm den
Gaumen anbohrtest, wie ein Igel sich in eine Hundeschnauze bohrt.

Alles in allem, du wärst unser lustigster Fisch geworden:
der Stichling, Stechbüttel oder Stachelinsky. Und das nicht
bloß zur Strafe für deine Stachelseele überhaupt, sondern weil
dieser Stichling drunten tief im verschwiegenen Wasser alles

ein altes Unglück der Entwickelung mit ihr verknüpft. Dann
erging er ſich in Utopieen, wie der Mann zu retten ſei vor
dieſem „Weib“. Abſolute ſoziale Trennung. Eine „Menſch¬
heit“, beſtehend aus Nationen unabhängiger, geiſtesſtarker
Männer. Und da und dort, möglichſt iſoliert davon, eine Art
großen Zigeunerlagers, wo das Geſchöpf Weib ſich aufhielt.
Ab und zu für den Mann die ſchwere Pflicht, auf kürzeſte
Zeit ſich mit dieſer fremden Welt zu beſchäftigen. Aber wahr¬
lich nur aus leidiger Pflicht — und ſo kurz wie möglich.
Dann kehrte er wieder heim in das wahre große Geiſtesreich,
wie ein Kulturmenſch vom Nordpol kehrt. Und alle Kinder¬
erziehung bei den Männern, ausſchließlich. Die Zukunft mußte
etwas derart bringen kein Zweifel. Und es war doch
wenigſtens ein ſtolzes Gefühl, um die Zukunft zu wiſſen .....

Ich ſehe ihn noch wie heute, wie er mir das einmal vor¬
dozierte, in grauem Ton, ein graues Männlein. Ein Regen¬
tag und die Waſſer rannen. Ich aber dachte an Ovids Meta¬
morphoſen und in was der Geiſt des alten luſtigen Dichters
dieſen galligen Erdenſohn wohl verwandelt hätte.

Dein Körper, du Lieber, den die Galle ohnehin ſchon
ſchrumpfen ließ, wäre ganz aufs winzige zuſammengeſchnurrt, —
bis auf acht Zentimeter herab. Hinten wäre dir ein zierliches
Fächerſchwänzchen gewachſen, deine Beine und Arme wurden
Floſſen, über deinen Rücken und Leib goß ſich ein zartes Grün
und Silber aus, das ſchuppig glänzte. All deine Seelen¬
borſtigkeit und Weiberverachtung aber ſtach dir in ein paar
langen, haarſcharfen Spitzen aus dem Leibe heraus, Stacheln
ſo mörderiſch, daß ſelbſt der grimmigſte Hecht dich entſetzt aus¬
ſpeien möchte, ohne es gleich zu können, da du ihm den
Gaumen anbohrteſt, wie ein Igel ſich in eine Hundeſchnauze bohrt.

Alles in allem, du wärſt unſer luſtigſter Fiſch geworden:
der Stichling, Stechbüttel oder Stachelinſky. Und das nicht
bloß zur Strafe für deine Stachelſeele überhaupt, ſondern weil
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[341/0357] ein altes Unglück der Entwickelung mit ihr verknüpft. Dann erging er ſich in Utopieen, wie der Mann zu retten ſei vor dieſem „Weib“. Abſolute ſoziale Trennung. Eine „Menſch¬ heit“, beſtehend aus Nationen unabhängiger, geiſtesſtarker Männer. Und da und dort, möglichſt iſoliert davon, eine Art großen Zigeunerlagers, wo das Geſchöpf Weib ſich aufhielt. Ab und zu für den Mann die ſchwere Pflicht, auf kürzeſte Zeit ſich mit dieſer fremden Welt zu beſchäftigen. Aber wahr¬ lich nur aus leidiger Pflicht — und ſo kurz wie möglich. Dann kehrte er wieder heim in das wahre große Geiſtesreich, wie ein Kulturmenſch vom Nordpol kehrt. Und alle Kinder¬ erziehung bei den Männern, ausſchließlich. Die Zukunft mußte etwas derart bringen kein Zweifel. Und es war doch wenigſtens ein ſtolzes Gefühl, um die Zukunft zu wiſſen ..... Ich ſehe ihn noch wie heute, wie er mir das einmal vor¬ dozierte, in grauem Ton, ein graues Männlein. Ein Regen¬ tag und die Waſſer rannen. Ich aber dachte an Ovids Meta¬ morphoſen und in was der Geiſt des alten luſtigen Dichters dieſen galligen Erdenſohn wohl verwandelt hätte. Dein Körper, du Lieber, den die Galle ohnehin ſchon ſchrumpfen ließ, wäre ganz aufs winzige zuſammengeſchnurrt, — bis auf acht Zentimeter herab. Hinten wäre dir ein zierliches Fächerſchwänzchen gewachſen, deine Beine und Arme wurden Floſſen, über deinen Rücken und Leib goß ſich ein zartes Grün und Silber aus, das ſchuppig glänzte. All deine Seelen¬ borſtigkeit und Weiberverachtung aber ſtach dir in ein paar langen, haarſcharfen Spitzen aus dem Leibe heraus, Stacheln ſo mörderiſch, daß ſelbſt der grimmigſte Hecht dich entſetzt aus¬ ſpeien möchte, ohne es gleich zu können, da du ihm den Gaumen anbohrteſt, wie ein Igel ſich in eine Hundeſchnauze bohrt. Alles in allem, du wärſt unſer luſtigſter Fiſch geworden: der Stichling, Stechbüttel oder Stachelinſky. Und das nicht bloß zur Strafe für deine Stachelſeele überhaupt, ſondern weil dieſer Stichling drunten tief im verſchwiegenen Waſſer alles

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/357>, abgerufen am 25.11.2024.