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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Sie hat ihre Eier jetzt, wo sie sie haben will. Denn
eben in diese Bauchhöhle öffnet sich auch nach außen jene neu
entstandene Geburtsöffnung, und kaum sind die Eier frei im
Bauch, so sind sie auch schon hier herausbefördert. Allerdings
noch nicht ganz ins Freie. Denn an den fünf ersten Bein¬
paaren der Mutter sind inzwischen auch noch fünf sogenannte
Brutplatten entstanden, die zusammen eine äußere Tasche bilden,
in der die Eier jetzt erst behaglich ausreifen können. Das
Kellertier ist thatsächlich eine Art Känguruh in seiner Art ge¬
worden: es hat einen Beutel, in dem es die Eier mit sich
herumschleppt, bis die Jungen zum Auskriechen reif sind. Eine
kurze Weile: und es ist so weit. Eine Schar hoffnungsvoller
Kellersprößlinge verläßt die mütterliche Wiege und geht auf
eigene Faust in den großen Kellerkosmos hinaus.

Aber die Wiege bleibt noch nicht leer. Am Eierstock haben
sich inzwischen neue Eier in der Mutter entwickelt. Ein Teil
Samen ist im Eierstock "auf Reserve" geblieben und befruchtet
auch den neuen Nachwuchs. Zum zweitenmal kugeln ent¬
wickelungsfähige Eier iu den offenen Mutterleib und fallen
alsbald durch das Geburtsloch in die leere Wiege, wo sie einer
neuen Generation von Kellerkindern das Leben schenken. Erst
wenn auch diese das Weite der Kellerwelt gesucht haben, fühlt
sich das Kellerweib aller Verpflichtungen bar, häutet sich noch¬
mals reinlich um und verfällt dann in die Winterruhe.

Und nun kommt der Lohn treuer Pflichterfüllung. Denn
mit dem Frühling, der zwar den Keller nicht erhellt, aber doch
irgendwie wohl auch dort sich bemerkbar machen muß, ersteht
dasselbe Kellertier, das zweimal Gattin, Mutter und Familien¬
känguruh war, abermals als vollkommene Jungfrau.

Bei jener letzten herbstlichen Häutung ist die Kinderwiege
wieder abgefallen, die Geburtspforte wie die Eileiterpforte ist
wieder zugewachsen, und von neuem haben sich dafür am
Bauche die ursprünglichen Scheiden aufgethan: die neue Braut
wartet des neuen Kellermanns.

Sie hat ihre Eier jetzt, wo ſie ſie haben will. Denn
eben in dieſe Bauchhöhle öffnet ſich auch nach außen jene neu
entſtandene Geburtsöffnung, und kaum ſind die Eier frei im
Bauch, ſo ſind ſie auch ſchon hier herausbefördert. Allerdings
noch nicht ganz ins Freie. Denn an den fünf erſten Bein¬
paaren der Mutter ſind inzwiſchen auch noch fünf ſogenannte
Brutplatten entſtanden, die zuſammen eine äußere Taſche bilden,
in der die Eier jetzt erſt behaglich ausreifen können. Das
Kellertier iſt thatſächlich eine Art Känguruh in ſeiner Art ge¬
worden: es hat einen Beutel, in dem es die Eier mit ſich
herumſchleppt, bis die Jungen zum Auskriechen reif ſind. Eine
kurze Weile: und es iſt ſo weit. Eine Schar hoffnungsvoller
Kellerſprößlinge verläßt die mütterliche Wiege und geht auf
eigene Fauſt in den großen Kellerkosmos hinaus.

Aber die Wiege bleibt noch nicht leer. Am Eierſtock haben
ſich inzwiſchen neue Eier in der Mutter entwickelt. Ein Teil
Samen iſt im Eierſtock „auf Reſerve“ geblieben und befruchtet
auch den neuen Nachwuchs. Zum zweitenmal kugeln ent¬
wickelungsfähige Eier iu den offenen Mutterleib und fallen
alsbald durch das Geburtsloch in die leere Wiege, wo ſie einer
neuen Generation von Kellerkindern das Leben ſchenken. Erſt
wenn auch dieſe das Weite der Kellerwelt geſucht haben, fühlt
ſich das Kellerweib aller Verpflichtungen bar, häutet ſich noch¬
mals reinlich um und verfällt dann in die Winterruhe.

Und nun kommt der Lohn treuer Pflichterfüllung. Denn
mit dem Frühling, der zwar den Keller nicht erhellt, aber doch
irgendwie wohl auch dort ſich bemerkbar machen muß, erſteht
dasſelbe Kellertier, das zweimal Gattin, Mutter und Familien¬
känguruh war, abermals als vollkommene Jungfrau.

Bei jener letzten herbſtlichen Häutung iſt die Kinderwiege
wieder abgefallen, die Geburtspforte wie die Eileiterpforte iſt
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[322/0338] Sie hat ihre Eier jetzt, wo ſie ſie haben will. Denn eben in dieſe Bauchhöhle öffnet ſich auch nach außen jene neu entſtandene Geburtsöffnung, und kaum ſind die Eier frei im Bauch, ſo ſind ſie auch ſchon hier herausbefördert. Allerdings noch nicht ganz ins Freie. Denn an den fünf erſten Bein¬ paaren der Mutter ſind inzwiſchen auch noch fünf ſogenannte Brutplatten entſtanden, die zuſammen eine äußere Taſche bilden, in der die Eier jetzt erſt behaglich ausreifen können. Das Kellertier iſt thatſächlich eine Art Känguruh in ſeiner Art ge¬ worden: es hat einen Beutel, in dem es die Eier mit ſich herumſchleppt, bis die Jungen zum Auskriechen reif ſind. Eine kurze Weile: und es iſt ſo weit. Eine Schar hoffnungsvoller Kellerſprößlinge verläßt die mütterliche Wiege und geht auf eigene Fauſt in den großen Kellerkosmos hinaus. Aber die Wiege bleibt noch nicht leer. Am Eierſtock haben ſich inzwiſchen neue Eier in der Mutter entwickelt. Ein Teil Samen iſt im Eierſtock „auf Reſerve“ geblieben und befruchtet auch den neuen Nachwuchs. Zum zweitenmal kugeln ent¬ wickelungsfähige Eier iu den offenen Mutterleib und fallen alsbald durch das Geburtsloch in die leere Wiege, wo ſie einer neuen Generation von Kellerkindern das Leben ſchenken. Erſt wenn auch dieſe das Weite der Kellerwelt geſucht haben, fühlt ſich das Kellerweib aller Verpflichtungen bar, häutet ſich noch¬ mals reinlich um und verfällt dann in die Winterruhe. Und nun kommt der Lohn treuer Pflichterfüllung. Denn mit dem Frühling, der zwar den Keller nicht erhellt, aber doch irgendwie wohl auch dort ſich bemerkbar machen muß, erſteht dasſelbe Kellertier, das zweimal Gattin, Mutter und Familien¬ känguruh war, abermals als vollkommene Jungfrau. Bei jener letzten herbſtlichen Häutung iſt die Kinderwiege wieder abgefallen, die Geburtspforte wie die Eileiterpforte iſt wieder zugewachſen, und von neuem haben ſich dafür am Bauche die urſprünglichen Scheiden aufgethan: die neue Braut wartet des neuen Kellermanns.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/338>, abgerufen am 24.11.2024.