dem Abgrund stieg und wieder sinkend das größte Schiff mit seinen ungeheuren Spinnenarmen ins Verderben zog, -- die Legende, die endlich ihre Lösung gefunden hat durch die gigan¬ tischen Tintenfische in den Schlünden der See. Hier ist immer einmal wieder die Seeschlange gesehen worden, mit wallender Mähne, mit grauenhaft endlosen Windungen, die das grüne Wasser des Fjordes aufkochen machten -- ein Geheimnis, so grau und alt wie die Existenz seefahrender Völker und doch noch immer ohne klärenden Schluß. In den Abgründen dieses Meeres, dort, wo in einigem Abstand von der Felsküste der Grund jäh zu schaudervollem Thale niederstürzt, als sinke der Ozean in einen tieferen, dem Erdinnern näheren zweiten Ozean hinab, haust der Wurzelhaarstern, -- mit federnder Krone auf schlankem, festwurzelndem Stengel, einer wunderbaren Lilie der bunten Korallengründe gleich, in Wahrheit aber ein Tier, fremd in seiner Zeit, ein einsamer Nachzügler aus dem blauen Wunder¬ meer der Kreideperiode, wo die riesenhaften Seelilien wie schil¬ lernde Palmenwälder der Tiefe sich wiegten und den scheu߬ lichen Reptilien jener Tage Schlupfwinkel boten wie heute das indische Dschungel dem Königstiger .....
Naht irgend eins dieser Meerwunder jetzt wieder dem Strand?
Dämmerung senkt ihre kühlen Farbtöne über die See. Aber nun glimmt es aus den Wassern selbst wie magischer Schein, der vom hohen Spiegel her gegen die alte Granitküste heranzuschleifen scheint. Der Schein malt sich nach oben in die Luft hinein, man sieht ihn hoch in den Dünsten silbern näher kommen. So, obwohl viel gewaltiger, zeigt sich dem Polar¬ fahrer am Himmel schon von ferne als Eisblick die Nähe der vordringenden Kristallmassen, die ihm den Weg versperren werden, Vorposten der Wüste, die vom erstarrten Polende des Erdballs niedersinkt, als münde dort die ewige, vernichtende Grabeskälte der freien Planetenräume ein in die ungeheure sausende Kugel, die mit so viel Lebenslast auf ihrer warmen
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dem Abgrund ſtieg und wieder ſinkend das größte Schiff mit ſeinen ungeheuren Spinnenarmen ins Verderben zog, — die Legende, die endlich ihre Löſung gefunden hat durch die gigan¬ tiſchen Tintenfiſche in den Schlünden der See. Hier iſt immer einmal wieder die Seeſchlange geſehen worden, mit wallender Mähne, mit grauenhaft endloſen Windungen, die das grüne Waſſer des Fjordes aufkochen machten — ein Geheimnis, ſo grau und alt wie die Exiſtenz ſeefahrender Völker und doch noch immer ohne klärenden Schluß. In den Abgründen dieſes Meeres, dort, wo in einigem Abſtand von der Felsküſte der Grund jäh zu ſchaudervollem Thale niederſtürzt, als ſinke der Ozean in einen tieferen, dem Erdinnern näheren zweiten Ozean hinab, hauſt der Wurzelhaarſtern, — mit federnder Krone auf ſchlankem, feſtwurzelndem Stengel, einer wunderbaren Lilie der bunten Korallengründe gleich, in Wahrheit aber ein Tier, fremd in ſeiner Zeit, ein einſamer Nachzügler aus dem blauen Wunder¬ meer der Kreideperiode, wo die rieſenhaften Seelilien wie ſchil¬ lernde Palmenwälder der Tiefe ſich wiegten und den ſcheu߬ lichen Reptilien jener Tage Schlupfwinkel boten wie heute das indiſche Dſchungel dem Königstiger .....
Naht irgend eins dieſer Meerwunder jetzt wieder dem Strand?
Dämmerung ſenkt ihre kühlen Farbtöne über die See. Aber nun glimmt es aus den Waſſern ſelbſt wie magiſcher Schein, der vom hohen Spiegel her gegen die alte Granitküſte heranzuſchleifen ſcheint. Der Schein malt ſich nach oben in die Luft hinein, man ſieht ihn hoch in den Dünſten ſilbern näher kommen. So, obwohl viel gewaltiger, zeigt ſich dem Polar¬ fahrer am Himmel ſchon von ferne als Eisblick die Nähe der vordringenden Kriſtallmaſſen, die ihm den Weg verſperren werden, Vorpoſten der Wüſte, die vom erſtarrten Polende des Erdballs niederſinkt, als münde dort die ewige, vernichtende Grabeskälte der freien Planetenräume ein in die ungeheure ſauſende Kugel, die mit ſo viel Lebenslaſt auf ihrer warmen
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[17/0033]
dem Abgrund ſtieg und wieder ſinkend das größte Schiff mit
ſeinen ungeheuren Spinnenarmen ins Verderben zog, — die
Legende, die endlich ihre Löſung gefunden hat durch die gigan¬
tiſchen Tintenfiſche in den Schlünden der See. Hier iſt immer
einmal wieder die Seeſchlange geſehen worden, mit wallender
Mähne, mit grauenhaft endloſen Windungen, die das grüne
Waſſer des Fjordes aufkochen machten — ein Geheimnis, ſo
grau und alt wie die Exiſtenz ſeefahrender Völker und doch
noch immer ohne klärenden Schluß. In den Abgründen dieſes
Meeres, dort, wo in einigem Abſtand von der Felsküſte der
Grund jäh zu ſchaudervollem Thale niederſtürzt, als ſinke der
Ozean in einen tieferen, dem Erdinnern näheren zweiten Ozean
hinab, hauſt der Wurzelhaarſtern, — mit federnder Krone auf
ſchlankem, feſtwurzelndem Stengel, einer wunderbaren Lilie der
bunten Korallengründe gleich, in Wahrheit aber ein Tier, fremd
in ſeiner Zeit, ein einſamer Nachzügler aus dem blauen Wunder¬
meer der Kreideperiode, wo die rieſenhaften Seelilien wie ſchil¬
lernde Palmenwälder der Tiefe ſich wiegten und den ſcheu߬
lichen Reptilien jener Tage Schlupfwinkel boten wie heute das
indiſche Dſchungel dem Königstiger .....
Naht irgend eins dieſer Meerwunder jetzt wieder dem
Strand?
Dämmerung ſenkt ihre kühlen Farbtöne über die See.
Aber nun glimmt es aus den Waſſern ſelbſt wie magiſcher
Schein, der vom hohen Spiegel her gegen die alte Granitküſte
heranzuſchleifen ſcheint. Der Schein malt ſich nach oben in die
Luft hinein, man ſieht ihn hoch in den Dünſten ſilbern näher
kommen. So, obwohl viel gewaltiger, zeigt ſich dem Polar¬
fahrer am Himmel ſchon von ferne als Eisblick die Nähe der
vordringenden Kriſtallmaſſen, die ihm den Weg verſperren
werden, Vorpoſten der Wüſte, die vom erſtarrten Polende des
Erdballs niederſinkt, als münde dort die ewige, vernichtende
Grabeskälte der freien Planetenräume ein in die ungeheure
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/33>, abgerufen am 28.11.2024.
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