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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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falls einteiligen) Eierstock, der unbefruchtete Eier liefert.
Samenwerkstatt wie Eierwerkstatt haben jede ihre äußere
Öffnung, durch die das Fabrikat in Umlauf kommen könnte,
und es wäre nun an und für sich wohl das Plausibele, wenn
der Tintenmann bei jener wüsten Umklammerei, wie sie oben
geschildert ist, seine Samenpforte unmittelbar an das weibliche
Eierthor brächte und so die Befruchtung vollzöge.

Aber so einfach geht das leider nicht, hier kommt eben
die ganz konfuse, absonderliche Bauart des Tintenfischkörpers
in Betracht. Der Tintenfisch hat oben seinen regelrechten
Kopf, kenntlich an den zwei Glotzaugen und der Schnauze.
Um die Schnauze herum stehen die Beine. Der Rest des
Körpers ist ein einfacher, äußerlich nicht mehr gegliederter
Sack, der, wenn das Tier köpflings auf seinen Beinen läuft,
sich heraufwölbt wie ein einziges großes Hinterteil. Nach dem
Muster anderer höherer Tiere sollte man erwarten, daß etwa
am Ende dieses Leibessackes mindestens eine zweite Öffnung
sich fände, die als After und Geschlechtsthor diente. Aber da
hinten ist alles rund und glatt wie ein Apfel. Dafür findet
sich dicht unter dem Kopfe an der Bauchseite ein Spalt, ähnlich
etwa dem Spalt einer Kieme, wie sie der Fisch zu Atmungs¬
zwecken besitzt. Neben dem Spalt kommt noch eine kleine be¬
sondere Öffnung wie das Mundloch einer Röhre hervor. Spalt
wie Röhre führen nebeneinander in eine merkwürdige Höhlung
des Innenleibes, die wie eine äußere Tasche am Bauch herab¬
geht. Es zeigt sich, wenn man die Tasche aufdeckt, daß der
ganze Leibessack des Tintenfischs eigentlich aus zwei Säcken
besteht: einem innerlichen, wirklichen Leibessack, der die Ein¬
geweide, Hoden, Eierstock u. s. w. enthält, und einem äußeren
Hautsack, der den Innensack wie ein loser Mantel umkleidet.
Die scheinbare Tasche ist nichts anderes als der offene Hohl¬
raum der Bauchseite zwischen dem echten Leibessack und dem
äußeren Mantel. Erst in diesen Hohlraum öffnen sich vom
Innensack her durch richtige Löcher die im tiefsten Innern

falls einteiligen) Eierſtock, der unbefruchtete Eier liefert.
Samenwerkſtatt wie Eierwerkſtatt haben jede ihre äußere
Öffnung, durch die das Fabrikat in Umlauf kommen könnte,
und es wäre nun an und für ſich wohl das Plauſibele, wenn
der Tintenmann bei jener wüſten Umklammerei, wie ſie oben
geſchildert iſt, ſeine Samenpforte unmittelbar an das weibliche
Eierthor brächte und ſo die Befruchtung vollzöge.

Aber ſo einfach geht das leider nicht, hier kommt eben
die ganz konfuſe, abſonderliche Bauart des Tintenfiſchkörpers
in Betracht. Der Tintenfiſch hat oben ſeinen regelrechten
Kopf, kenntlich an den zwei Glotzaugen und der Schnauze.
Um die Schnauze herum ſtehen die Beine. Der Reſt des
Körpers iſt ein einfacher, äußerlich nicht mehr gegliederter
Sack, der, wenn das Tier köpflings auf ſeinen Beinen läuft,
ſich heraufwölbt wie ein einziges großes Hinterteil. Nach dem
Muſter anderer höherer Tiere ſollte man erwarten, daß etwa
am Ende dieſes Leibesſackes mindeſtens eine zweite Öffnung
ſich fände, die als After und Geſchlechtsthor diente. Aber da
hinten iſt alles rund und glatt wie ein Apfel. Dafür findet
ſich dicht unter dem Kopfe an der Bauchſeite ein Spalt, ähnlich
etwa dem Spalt einer Kieme, wie ſie der Fiſch zu Atmungs¬
zwecken beſitzt. Neben dem Spalt kommt noch eine kleine be¬
ſondere Öffnung wie das Mundloch einer Röhre hervor. Spalt
wie Röhre führen nebeneinander in eine merkwürdige Höhlung
des Innenleibes, die wie eine äußere Taſche am Bauch herab¬
geht. Es zeigt ſich, wenn man die Taſche aufdeckt, daß der
ganze Leibesſack des Tintenfiſchs eigentlich aus zwei Säcken
beſteht: einem innerlichen, wirklichen Leibesſack, der die Ein¬
geweide, Hoden, Eierſtock u. ſ. w. enthält, und einem äußeren
Hautſack, der den Innenſack wie ein loſer Mantel umkleidet.
Die ſcheinbare Taſche iſt nichts anderes als der offene Hohl¬
raum der Bauchſeite zwiſchen dem echten Leibesſack und dem
äußeren Mantel. Erſt in dieſen Hohlraum öffnen ſich vom
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[298/0314] falls einteiligen) Eierſtock, der unbefruchtete Eier liefert. Samenwerkſtatt wie Eierwerkſtatt haben jede ihre äußere Öffnung, durch die das Fabrikat in Umlauf kommen könnte, und es wäre nun an und für ſich wohl das Plauſibele, wenn der Tintenmann bei jener wüſten Umklammerei, wie ſie oben geſchildert iſt, ſeine Samenpforte unmittelbar an das weibliche Eierthor brächte und ſo die Befruchtung vollzöge. Aber ſo einfach geht das leider nicht, hier kommt eben die ganz konfuſe, abſonderliche Bauart des Tintenfiſchkörpers in Betracht. Der Tintenfiſch hat oben ſeinen regelrechten Kopf, kenntlich an den zwei Glotzaugen und der Schnauze. Um die Schnauze herum ſtehen die Beine. Der Reſt des Körpers iſt ein einfacher, äußerlich nicht mehr gegliederter Sack, der, wenn das Tier köpflings auf ſeinen Beinen läuft, ſich heraufwölbt wie ein einziges großes Hinterteil. Nach dem Muſter anderer höherer Tiere ſollte man erwarten, daß etwa am Ende dieſes Leibesſackes mindeſtens eine zweite Öffnung ſich fände, die als After und Geſchlechtsthor diente. Aber da hinten iſt alles rund und glatt wie ein Apfel. Dafür findet ſich dicht unter dem Kopfe an der Bauchſeite ein Spalt, ähnlich etwa dem Spalt einer Kieme, wie ſie der Fiſch zu Atmungs¬ zwecken beſitzt. Neben dem Spalt kommt noch eine kleine be¬ ſondere Öffnung wie das Mundloch einer Röhre hervor. Spalt wie Röhre führen nebeneinander in eine merkwürdige Höhlung des Innenleibes, die wie eine äußere Taſche am Bauch herab¬ geht. Es zeigt ſich, wenn man die Taſche aufdeckt, daß der ganze Leibesſack des Tintenfiſchs eigentlich aus zwei Säcken beſteht: einem innerlichen, wirklichen Leibesſack, der die Ein¬ geweide, Hoden, Eierſtock u. ſ. w. enthält, und einem äußeren Hautſack, der den Innenſack wie ein loſer Mantel umkleidet. Die ſcheinbare Taſche iſt nichts anderes als der offene Hohl¬ raum der Bauchſeite zwiſchen dem echten Leibesſack und dem äußeren Mantel. Erſt in dieſen Hohlraum öffnen ſich vom Innenſack her durch richtige Löcher die im tiefſten Innern

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/314>, abgerufen am 25.11.2024.