sondern es finden sich durchweg noch höchst wirksame besondere Begattungsapparate. Meist hat das Männlein an seiner Darm¬ pforte ein paar handfeste Stacheln, die für gewöhnlich in einer besonderen Tasche liegen und nur zum Zweck hervorgestoßen werden. Bisweilen erweitert sich das ganze Leibesende auch noch zu einer kleinen Glocke, die das Weibchen saugend umfaßt.
Kaum aber jetzt, daß bei unserm Stabälchen die Flitter¬ stunde mit ihrem ganzen Apparat vorüber ist, so beginnen im Leibe des liebesatten Weibchens Zeichen und Wunder der be¬ denklichsten Art. Wie alle ihresgleichen hat auch Frau Rhabditis im Bauche einen regelrechten Fruchthalter, der nunmehr, nach beendetem Akt, befruchtete Eier umschließt. Nicht lange -- und die Eier sind zu Jungen geworden, allerwinzigsten Rhabditis¬ lein, die ganz gut schon frei in die große Schlammstube hinausspazieren könnten. Nichts aber davon. Sie sind ihrer nicht viele, höchstens vier, oft ist sogar nur ein einziges da. Aber sie recken sich, rollen sich auf -- ratsch, reißt die Wand des Fruchthalters innen im Muttertier auseinander und jetzt wird's ungemütlich.
Das heißt für die Mutter. Die kleinen Wurmpelikane beginnen zu fressen, zu fressen im buchstäblichen Sinne an den Eingeweiden ihrer Mutter selbst. Und sie ruhen nicht eher, als bis Mutter Rhabditis bis auf die Haut ausgefressen ist und nur noch als leere, tote Hülle um ihre mörderischen Kinder hängt .....
Nach einer Weile wird dann auch die mütterliche Haut gesprengt und die Rhabditisbrut schlängelt sich in den Schlamm. Noch geschlechtslos, gelangt sie aus ihm in die Lunge eines Frosches. Schmarotzertiere von seltsam verwandelter Gestalt geworden, hausen die Würmer hier längere Zeit und ent¬ wickeln jedes für sich jetzt beide Geschlechtsteile am gleichen Leibe, ganz im Gegensatz zu den getrenntgeschlechtigen Eltern. Und erst ihre, aus gegenseitiger Doppelbegattung entsprießenden Jungen wandern wieder durch den Darm aus dem Frosche
ſondern es finden ſich durchweg noch höchſt wirkſame beſondere Begattungsapparate. Meiſt hat das Männlein an ſeiner Darm¬ pforte ein paar handfeſte Stacheln, die für gewöhnlich in einer beſonderen Taſche liegen und nur zum Zweck hervorgeſtoßen werden. Bisweilen erweitert ſich das ganze Leibesende auch noch zu einer kleinen Glocke, die das Weibchen ſaugend umfaßt.
Kaum aber jetzt, daß bei unſerm Stabälchen die Flitter¬ ſtunde mit ihrem ganzen Apparat vorüber iſt, ſo beginnen im Leibe des liebeſatten Weibchens Zeichen und Wunder der be¬ denklichſten Art. Wie alle ihresgleichen hat auch Frau Rhabditis im Bauche einen regelrechten Fruchthalter, der nunmehr, nach beendetem Akt, befruchtete Eier umſchließt. Nicht lange — und die Eier ſind zu Jungen geworden, allerwinzigſten Rhabditis¬ lein, die ganz gut ſchon frei in die große Schlammſtube hinausſpazieren könnten. Nichts aber davon. Sie ſind ihrer nicht viele, höchſtens vier, oft iſt ſogar nur ein einziges da. Aber ſie recken ſich, rollen ſich auf — ratſch, reißt die Wand des Fruchthalters innen im Muttertier auseinander und jetzt wird's ungemütlich.
Das heißt für die Mutter. Die kleinen Wurmpelikane beginnen zu freſſen, zu freſſen im buchſtäblichen Sinne an den Eingeweiden ihrer Mutter ſelbſt. Und ſie ruhen nicht eher, als bis Mutter Rhabditis bis auf die Haut ausgefreſſen iſt und nur noch als leere, tote Hülle um ihre mörderiſchen Kinder hängt .....
Nach einer Weile wird dann auch die mütterliche Haut geſprengt und die Rhabditisbrut ſchlängelt ſich in den Schlamm. Noch geſchlechtslos, gelangt ſie aus ihm in die Lunge eines Froſches. Schmarotzertiere von ſeltſam verwandelter Geſtalt geworden, hauſen die Würmer hier längere Zeit und ent¬ wickeln jedes für ſich jetzt beide Geſchlechtsteile am gleichen Leibe, ganz im Gegenſatz zu den getrenntgeſchlechtigen Eltern. Und erſt ihre, aus gegenſeitiger Doppelbegattung entſprießenden Jungen wandern wieder durch den Darm aus dem Froſche
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ſondern es finden ſich durchweg noch höchſt wirkſame beſondere
Begattungsapparate. Meiſt hat das Männlein an ſeiner Darm¬
pforte ein paar handfeſte Stacheln, die für gewöhnlich in einer
beſonderen Taſche liegen und nur zum Zweck hervorgeſtoßen
werden. Bisweilen erweitert ſich das ganze Leibesende auch
noch zu einer kleinen Glocke, die das Weibchen ſaugend umfaßt.
Kaum aber jetzt, daß bei unſerm Stabälchen die Flitter¬
ſtunde mit ihrem ganzen Apparat vorüber iſt, ſo beginnen im
Leibe des liebeſatten Weibchens Zeichen und Wunder der be¬
denklichſten Art. Wie alle ihresgleichen hat auch Frau Rhabditis
im Bauche einen regelrechten Fruchthalter, der nunmehr, nach
beendetem Akt, befruchtete Eier umſchließt. Nicht lange — und
die Eier ſind zu Jungen geworden, allerwinzigſten Rhabditis¬
lein, die ganz gut ſchon frei in die große Schlammſtube
hinausſpazieren könnten. Nichts aber davon. Sie ſind ihrer
nicht viele, höchſtens vier, oft iſt ſogar nur ein einziges da.
Aber ſie recken ſich, rollen ſich auf — ratſch, reißt die Wand
des Fruchthalters innen im Muttertier auseinander und jetzt
wird's ungemütlich.
Das heißt für die Mutter. Die kleinen Wurmpelikane
beginnen zu freſſen, zu freſſen im buchſtäblichen Sinne an den
Eingeweiden ihrer Mutter ſelbſt. Und ſie ruhen nicht eher,
als bis Mutter Rhabditis bis auf die Haut ausgefreſſen iſt
und nur noch als leere, tote Hülle um ihre mörderiſchen
Kinder hängt .....
Nach einer Weile wird dann auch die mütterliche Haut
geſprengt und die Rhabditisbrut ſchlängelt ſich in den Schlamm.
Noch geſchlechtslos, gelangt ſie aus ihm in die Lunge eines
Froſches. Schmarotzertiere von ſeltſam verwandelter Geſtalt
geworden, hauſen die Würmer hier längere Zeit und ent¬
wickeln jedes für ſich jetzt beide Geſchlechtsteile am gleichen
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Und erſt ihre, aus gegenſeitiger Doppelbegattung entſprießenden
Jungen wandern wieder durch den Darm aus dem Froſche
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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