"Die Ungestalten seh ich an Als irden-schlechte Töpfe, Nun stoßen sich die Weisen dran Und brechen harte Köpfe."
Aus Goethes Faust (zweiter Teil).
Ich greife dir recht so ein Ungetüm erster Güte heraus, an dem du deine helle Freude haben sollst: den Bandwurm.
Aber vorher wenigstens noch einen herzhaften Schluck gleichsam für den schweren Weg. Wappne dich zum Drachen¬ kampf mit einem Gedanken, einem Problem.
Ehe ich dir das Liebesleben des Bandwurmes schildere, erlaube mir einen kurzen Exkurs in die gangbare Theorie von der Unsterblichkeit der Seele.
Erinnere dich an eines der stärksten Fundamente dieser Theorie, -- die Säule, auf die sie seit Jahrtausenden im Denken und in der Sehnsucht der Menschen so recht eigentlich immer wieder aufgestützt worden ist. Man will das Individuum, die Seele, das Ich des Einzelmenschen gerettet sehen nicht nur in der bedingten Weise, daß es in der Existenz von Kindern und Enkeln weiterlebt: sondern unmittelbar über den eigenen Tod hinaus. Und man folgt dabei einem an und für sich sehr schlichten Gedankengang. Gewiß, sagt man, es hat eine Be¬ rechtigung, zu behaupten: der Mensch lebt in seinen Kindern weiter. In den Kindern leben wenigstens teilweise und hier und da Eigenschaften, Stücke gleichsam unseres eigenen Ich weiter, gewisse Talente oft, gewisse Anlagen im guten und
„Die Ungeſtalten ſeh ich an Als irden-ſchlechte Töpfe, Nun ſtoßen ſich die Weiſen dran Und brechen harte Köpfe.“
Aus Goethes Fauſt (zweiter Teil).
Ich greife dir recht ſo ein Ungetüm erſter Güte heraus, an dem du deine helle Freude haben ſollſt: den Bandwurm.
Aber vorher wenigſtens noch einen herzhaften Schluck gleichſam für den ſchweren Weg. Wappne dich zum Drachen¬ kampf mit einem Gedanken, einem Problem.
Ehe ich dir das Liebesleben des Bandwurmes ſchildere, erlaube mir einen kurzen Exkurs in die gangbare Theorie von der Unſterblichkeit der Seele.
Erinnere dich an eines der ſtärkſten Fundamente dieſer Theorie, — die Säule, auf die ſie ſeit Jahrtauſenden im Denken und in der Sehnſucht der Menſchen ſo recht eigentlich immer wieder aufgeſtützt worden iſt. Man will das Individuum, die Seele, das Ich des Einzelmenſchen gerettet ſehen nicht nur in der bedingten Weiſe, daß es in der Exiſtenz von Kindern und Enkeln weiterlebt: ſondern unmittelbar über den eigenen Tod hinaus. Und man folgt dabei einem an und für ſich ſehr ſchlichten Gedankengang. Gewiß, ſagt man, es hat eine Be¬ rechtigung, zu behaupten: der Menſch lebt in ſeinen Kindern weiter. In den Kindern leben wenigſtens teilweiſe und hier und da Eigenſchaften, Stücke gleichſam unſeres eigenen Ich weiter, gewiſſe Talente oft, gewiſſe Anlagen im guten und
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„Die Ungeſtalten ſeh ich an
Als irden-ſchlechte Töpfe,
Nun ſtoßen ſich die Weiſen dran
Und brechen harte Köpfe.“
Aus Goethes Fauſt (zweiter Teil).
Ich greife dir recht ſo ein Ungetüm erſter Güte heraus,
an dem du deine helle Freude haben ſollſt: den Bandwurm.
Aber vorher wenigſtens noch einen herzhaften Schluck
gleichſam für den ſchweren Weg. Wappne dich zum Drachen¬
kampf mit einem Gedanken, einem Problem.
Ehe ich dir das Liebesleben des Bandwurmes ſchildere,
erlaube mir einen kurzen Exkurs in die gangbare Theorie von
der Unſterblichkeit der Seele.
Erinnere dich an eines der ſtärkſten Fundamente dieſer
Theorie, — die Säule, auf die ſie ſeit Jahrtauſenden im Denken
und in der Sehnſucht der Menſchen ſo recht eigentlich immer
wieder aufgeſtützt worden iſt. Man will das Individuum, die
Seele, das Ich des Einzelmenſchen gerettet ſehen nicht nur in
der bedingten Weiſe, daß es in der Exiſtenz von Kindern und
Enkeln weiterlebt: ſondern unmittelbar über den eigenen Tod
hinaus. Und man folgt dabei einem an und für ſich ſehr
ſchlichten Gedankengang. Gewiß, ſagt man, es hat eine Be¬
rechtigung, zu behaupten: der Menſch lebt in ſeinen Kindern
weiter. In den Kindern leben wenigſtens teilweiſe und hier
und da Eigenſchaften, Stücke gleichſam unſeres eigenen Ich
weiter, gewiſſe Talente oft, gewiſſe Anlagen im guten und
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/242>, abgerufen am 24.11.2024.
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