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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Tiere, ebenfalls noch sehr niedrig und zum Teil der Gasträa
noch ziemlich nahe verwandt, einige schwimmend, einige kriechend,
ein Gewimmel von Gestalten, das doch im ganzen ein festes
Wort umfaßt: Wurm. Wuchs die Gasträa als Polyp an
und streckte den Mund mit Fangarmen bewehrt nach oben, so
siehst du im Wurm dieselbe Gasträa, wie sie sich auf einseitige
Fortbewegung, sei es geradeaus schwimmend, sei es kriechend
gleichsam selber im Körperbau erst recht konsequent ein¬
gestellt hat.

Der Körper streckt sich, der Mund bleibt immer genau
vorne, hinten aber stellt sich allmählich ein After ein, so daß
der Körper aus einem Becher ein Rohr wird. Und je mehr
sich Organe durch Arbeitsteilung noch in der Zellmasse dazu
finden, -- bei Würmern und Wurmnachfolgern, seien es
Sinnesorgane (Augen, Ohren u. a.), seien es besondere Aus¬
scheidungsapparate, seien es Gefäße für zirkulierende Nährsäfte
(Blut) oder endlich gar äußere Bewegungsorgane wie Flossen
und schließlich Beine: desto deutlicher ordnen sich alle diese
hinzutretenden Organe paarweise an den Seiten, gleichsam
doppelseitig an. Der Darm bleibt als lange Hauptachse des
Leibes, -- rechts und links aber gruppieren sich die übrigen
Organe zweiseitig nach demselben Prinzip der bequemsten
Anordnung für einseitige Vorwärtsbewegung, das jeder Bau¬
meister einem Schiff oder Wagen heute noch zu Grunde legt.
Betrachte dich: du selber bist noch in dieser Weise zweiseitig
gebaut, -- als lange Streckpflaume, die nur einen Magen
mit Mund, Darm und After in der Mitte, aber rechts und
links je einen Arm und je ein Bein, je eine Niere, je einen
Samenapparat oder je einen Eierstock trägt, die rechts und
links je ein Ohr hat zum Hören nach beiden Seiten und deren
Gehirn sogar in zwei Hälften sich sondert. Du hast das alles
so: denn du selber stammst ja letzten Endes direkt vom zwei¬
seitig symmetrischen Wurme ab. Der Wurm aber, indem die
Gasträa sich in ihn verwandelte, mußte diese Anordnung erst

Tiere, ebenfalls noch ſehr niedrig und zum Teil der Gaſträa
noch ziemlich nahe verwandt, einige ſchwimmend, einige kriechend,
ein Gewimmel von Geſtalten, das doch im ganzen ein feſtes
Wort umfaßt: Wurm. Wuchs die Gaſträa als Polyp an
und ſtreckte den Mund mit Fangarmen bewehrt nach oben, ſo
ſiehſt du im Wurm dieſelbe Gaſträa, wie ſie ſich auf einſeitige
Fortbewegung, ſei es geradeaus ſchwimmend, ſei es kriechend
gleichſam ſelber im Körperbau erſt recht konſequent ein¬
geſtellt hat.

Der Körper ſtreckt ſich, der Mund bleibt immer genau
vorne, hinten aber ſtellt ſich allmählich ein After ein, ſo daß
der Körper aus einem Becher ein Rohr wird. Und je mehr
ſich Organe durch Arbeitsteilung noch in der Zellmaſſe dazu
finden, — bei Würmern und Wurmnachfolgern, ſeien es
Sinnesorgane (Augen, Ohren u. a.), ſeien es beſondere Aus¬
ſcheidungsapparate, ſeien es Gefäße für zirkulierende Nährſäfte
(Blut) oder endlich gar äußere Bewegungsorgane wie Floſſen
und ſchließlich Beine: deſto deutlicher ordnen ſich alle dieſe
hinzutretenden Organe paarweiſe an den Seiten, gleichſam
doppelſeitig an. Der Darm bleibt als lange Hauptachſe des
Leibes, — rechts und links aber gruppieren ſich die übrigen
Organe zweiſeitig nach demſelben Prinzip der bequemſten
Anordnung für einſeitige Vorwärtsbewegung, das jeder Bau¬
meiſter einem Schiff oder Wagen heute noch zu Grunde legt.
Betrachte dich: du ſelber biſt noch in dieſer Weiſe zweiſeitig
gebaut, — als lange Streckpflaume, die nur einen Magen
mit Mund, Darm und After in der Mitte, aber rechts und
links je einen Arm und je ein Bein, je eine Niere, je einen
Samenapparat oder je einen Eierſtock trägt, die rechts und
links je ein Ohr hat zum Hören nach beiden Seiten und deren
Gehirn ſogar in zwei Hälften ſich ſondert. Du haſt das alles
ſo: denn du ſelber ſtammſt ja letzten Endes direkt vom zwei¬
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[206/0222] Tiere, ebenfalls noch ſehr niedrig und zum Teil der Gaſträa noch ziemlich nahe verwandt, einige ſchwimmend, einige kriechend, ein Gewimmel von Geſtalten, das doch im ganzen ein feſtes Wort umfaßt: Wurm. Wuchs die Gaſträa als Polyp an und ſtreckte den Mund mit Fangarmen bewehrt nach oben, ſo ſiehſt du im Wurm dieſelbe Gaſträa, wie ſie ſich auf einſeitige Fortbewegung, ſei es geradeaus ſchwimmend, ſei es kriechend gleichſam ſelber im Körperbau erſt recht konſequent ein¬ geſtellt hat. Der Körper ſtreckt ſich, der Mund bleibt immer genau vorne, hinten aber ſtellt ſich allmählich ein After ein, ſo daß der Körper aus einem Becher ein Rohr wird. Und je mehr ſich Organe durch Arbeitsteilung noch in der Zellmaſſe dazu finden, — bei Würmern und Wurmnachfolgern, ſeien es Sinnesorgane (Augen, Ohren u. a.), ſeien es beſondere Aus¬ ſcheidungsapparate, ſeien es Gefäße für zirkulierende Nährſäfte (Blut) oder endlich gar äußere Bewegungsorgane wie Floſſen und ſchließlich Beine: deſto deutlicher ordnen ſich alle dieſe hinzutretenden Organe paarweiſe an den Seiten, gleichſam doppelſeitig an. Der Darm bleibt als lange Hauptachſe des Leibes, — rechts und links aber gruppieren ſich die übrigen Organe zweiſeitig nach demſelben Prinzip der bequemſten Anordnung für einſeitige Vorwärtsbewegung, das jeder Bau¬ meiſter einem Schiff oder Wagen heute noch zu Grunde legt. Betrachte dich: du ſelber biſt noch in dieſer Weiſe zweiſeitig gebaut, — als lange Streckpflaume, die nur einen Magen mit Mund, Darm und After in der Mitte, aber rechts und links je einen Arm und je ein Bein, je eine Niere, je einen Samenapparat oder je einen Eierſtock trägt, die rechts und links je ein Ohr hat zum Hören nach beiden Seiten und deren Gehirn ſogar in zwei Hälften ſich ſondert. Du haſt das alles ſo: denn du ſelber ſtammſt ja letzten Endes direkt vom zwei¬ ſeitig ſymmetriſchen Wurme ab. Der Wurm aber, indem die Gaſträa ſich in ihn verwandelte, mußte dieſe Anordnung erſt

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/222>, abgerufen am 24.11.2024.