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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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einer Absonderungsstelle für Eizellen oder Samenstellen. Bloß:
diese Gasträa schwimmt nicht mehr. Sie hat sich an eine
sitzende, an irgend einer Unterlage (z. B. einem Pflanzen¬
blatt) haftende Lebensweise gewöhnt. Und -- im klaren
Zusammenhang damit -- sie hat sich statt des Bewegungs¬
apparates, der sie sonst vorwärts trieb und ihr die Nahrung
ins Maul schwimmen ließ, "Polypenarme" angeschafft, --
das heißt kleine Fortsätze um den Mund her, die ihr die Nah¬
rung fassen und in den Mund stopfen helfen.

Im einfachsten Bilde siehst du hier, wie die Entwickelung
über die Gasträa zunächst hinausgehen konnte. Es bildeten
sich festsitzende Magenpflaumen mit einem Kranz Fangarme um
den Mund: Polypen. Nur die Hydra lebt bei uns im Sü߬
wasser, -- die Masse der Polypen haust im Meer. Die
schöne bunte Seerose gehört hierher, die du im Aquarium
kennst. Zu riesigen Kolonien vereint stellen solche Polypen
die "Korallen" dar, und ihr Kalkgerüst, das sie absondern,
bildet dann den Schmuck deiner Frau, ebenso wie es im heißen
Tropenmeer große Inseln türmt und in Urtagen der Erd¬
geschichte Riffe gebaut hat, die wir heute als hohe Gebirge
anstaunen, wie z. B. die Dolomitspitzen unseres Alpengebiets.
Im weiteren Verlauf haben sich aus den Polypen dann die
Quallen oder Medusen entwickelt, und nahe ihnen verwandt sind
auch die Schwämme, d. h. nicht die so bezeichneten Pilze, sondern
die echten, denen du deinen Badeschwamm verdankst. Immer
bleibt dieser Typus sich aber im Wesen sehr erkennbar gleich:
immer bleibt der Leib, der sich aus der Gasträa entwickelt hat,
becherartig, nur im Munde geöffnet, im Gegenpol aber geschlossen
ohne After.

Indessen: der Polyp stellt dir nur die eine Möglichkeit
der Fortentwickelung von der Gasträa vor Augen. In dem¬
selben Teich, wo du die Hydra suchst, stößt du allerorten auf

einer Abſonderungsſtelle für Eizellen oder Samenſtellen. Bloß:
dieſe Gaſträa ſchwimmt nicht mehr. Sie hat ſich an eine
ſitzende, an irgend einer Unterlage (z. B. einem Pflanzen¬
blatt) haftende Lebensweiſe gewöhnt. Und — im klaren
Zuſammenhang damit — ſie hat ſich ſtatt des Bewegungs¬
apparates, der ſie ſonſt vorwärts trieb und ihr die Nahrung
ins Maul ſchwimmen ließ, „Polypenarme“ angeſchafft, —
das heißt kleine Fortſätze um den Mund her, die ihr die Nah¬
rung faſſen und in den Mund ſtopfen helfen.

Im einfachſten Bilde ſiehſt du hier, wie die Entwickelung
über die Gaſträa zunächſt hinausgehen konnte. Es bildeten
ſich feſtſitzende Magenpflaumen mit einem Kranz Fangarme um
den Mund: Polypen. Nur die Hydra lebt bei uns im Sü߬
waſſer, — die Maſſe der Polypen hauſt im Meer. Die
ſchöne bunte Seeroſe gehört hierher, die du im Aquarium
kennſt. Zu rieſigen Kolonien vereint ſtellen ſolche Polypen
die „Korallen“ dar, und ihr Kalkgerüſt, das ſie abſondern,
bildet dann den Schmuck deiner Frau, ebenſo wie es im heißen
Tropenmeer große Inſeln türmt und in Urtagen der Erd¬
geſchichte Riffe gebaut hat, die wir heute als hohe Gebirge
anſtaunen, wie z. B. die Dolomitſpitzen unſeres Alpengebiets.
Im weiteren Verlauf haben ſich aus den Polypen dann die
Quallen oder Meduſen entwickelt, und nahe ihnen verwandt ſind
auch die Schwämme, d. h. nicht die ſo bezeichneten Pilze, ſondern
die echten, denen du deinen Badeſchwamm verdankſt. Immer
bleibt dieſer Typus ſich aber im Weſen ſehr erkennbar gleich:
immer bleibt der Leib, der ſich aus der Gaſträa entwickelt hat,
becherartig, nur im Munde geöffnet, im Gegenpol aber geſchloſſen
ohne After.

Indeſſen: der Polyp ſtellt dir nur die eine Möglichkeit
der Fortentwickelung von der Gaſträa vor Augen. In dem¬
ſelben Teich, wo du die Hydra ſuchſt, ſtößt du allerorten auf

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[205/0221] einer Abſonderungsſtelle für Eizellen oder Samenſtellen. Bloß: dieſe Gaſträa ſchwimmt nicht mehr. Sie hat ſich an eine ſitzende, an irgend einer Unterlage (z. B. einem Pflanzen¬ blatt) haftende Lebensweiſe gewöhnt. Und — im klaren Zuſammenhang damit — ſie hat ſich ſtatt des Bewegungs¬ apparates, der ſie ſonſt vorwärts trieb und ihr die Nahrung ins Maul ſchwimmen ließ, „Polypenarme“ angeſchafft, — das heißt kleine Fortſätze um den Mund her, die ihr die Nah¬ rung faſſen und in den Mund ſtopfen helfen. Im einfachſten Bilde ſiehſt du hier, wie die Entwickelung über die Gaſträa zunächſt hinausgehen konnte. Es bildeten ſich feſtſitzende Magenpflaumen mit einem Kranz Fangarme um den Mund: Polypen. Nur die Hydra lebt bei uns im Sü߬ waſſer, — die Maſſe der Polypen hauſt im Meer. Die ſchöne bunte Seeroſe gehört hierher, die du im Aquarium kennſt. Zu rieſigen Kolonien vereint ſtellen ſolche Polypen die „Korallen“ dar, und ihr Kalkgerüſt, das ſie abſondern, bildet dann den Schmuck deiner Frau, ebenſo wie es im heißen Tropenmeer große Inſeln türmt und in Urtagen der Erd¬ geſchichte Riffe gebaut hat, die wir heute als hohe Gebirge anſtaunen, wie z. B. die Dolomitſpitzen unſeres Alpengebiets. Im weiteren Verlauf haben ſich aus den Polypen dann die Quallen oder Meduſen entwickelt, und nahe ihnen verwandt ſind auch die Schwämme, d. h. nicht die ſo bezeichneten Pilze, ſondern die echten, denen du deinen Badeſchwamm verdankſt. Immer bleibt dieſer Typus ſich aber im Weſen ſehr erkennbar gleich: immer bleibt der Leib, der ſich aus der Gaſträa entwickelt hat, becherartig, nur im Munde geöffnet, im Gegenpol aber geſchloſſen ohne After. Indeſſen: der Polyp ſtellt dir nur die eine Möglichkeit der Fortentwickelung von der Gaſträa vor Augen. In dem¬ ſelben Teich, wo du die Hydra ſuchſt, ſtößt du allerorten auf

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/221>, abgerufen am 24.11.2024.