Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

pflanzungsorgane. Hier männliche, die für den ganzen
Stamm die genügende Portion Samenzellen abspalteten. Dort
weibliche, wo die Eierabspaltung en gros und für alle andern
Staatsbürger mit betrieben wurde.

Im Detail giebt es bei der Geschichte allerdings nun doch
noch mancherlei zu fragen. Das Freßorgan fraß fortan für
alle mit. Gut. Aber das hieß: es that die eigentliche grobe
Arbeit, der Gewinn aber kam auch allen übrigen Zellen und
Organen in Gestalt zwar indirekter, aber dabei doch auch höchst
realer Ernährung zu gute. Das Fortpflanzungsorgan (männ¬
lich oder weiblich oder auch gar zwitterig) that fortan ebenso
die grobe Fortpflanzungsarbeit für alle mit; strömte ihm nun
umgekehrt gleichsam von allen irgendwie die Kraft zu?

Hier beginnt ein Gebiet, das wir deshalb nicht vollkommen
klar für die Vergangenheit und Urentwickelung durchdenken
können, weil wir bei den höchstentwickelten Wesen von heute,
ja bei uns selbst jetzt noch immer nicht wissen, wie dort die
Dinge denn überhaupt liegen.

Die Frage ist an sich noch eine dunkle, inwiefern die ge¬
samte Zellmasse unseres Leibes mit der Neuproduktion in unseren
Geschlechtsorganen einzeln zusammenhängt. Steht trotz oder
gerade wegen aller Arbeitsteilung jede von den Myriaden
Zellen, die deinen Leib außerhalb der Geschlechtsorgane noch
zusammensetzen, doch in geheimem, innerstem Zusammenhang
mit diesem deinem Geschlechtsorgan und jeder einzelnen darin
produzierten Samenzelle? Diese Frage berührt aktuell und für
die höheren Organismen mit Einschluß deiner eigenen werten

pflanzungsorgane. Hier männliche, die für den ganzen
Stamm die genügende Portion Samenzellen abſpalteten. Dort
weibliche, wo die Eierabſpaltung en gros und für alle andern
Staatsbürger mit betrieben wurde.

Im Detail giebt es bei der Geſchichte allerdings nun doch
noch mancherlei zu fragen. Das Freßorgan fraß fortan für
alle mit. Gut. Aber das hieß: es that die eigentliche grobe
Arbeit, der Gewinn aber kam auch allen übrigen Zellen und
Organen in Geſtalt zwar indirekter, aber dabei doch auch höchſt
realer Ernährung zu gute. Das Fortpflanzungsorgan (männ¬
lich oder weiblich oder auch gar zwitterig) that fortan ebenſo
die grobe Fortpflanzungsarbeit für alle mit; ſtrömte ihm nun
umgekehrt gleichſam von allen irgendwie die Kraft zu?

Hier beginnt ein Gebiet, das wir deshalb nicht vollkommen
klar für die Vergangenheit und Urentwickelung durchdenken
können, weil wir bei den höchſtentwickelten Weſen von heute,
ja bei uns ſelbſt jetzt noch immer nicht wiſſen, wie dort die
Dinge denn überhaupt liegen.

Die Frage iſt an ſich noch eine dunkle, inwiefern die ge¬
ſamte Zellmaſſe unſeres Leibes mit der Neuproduktion in unſeren
Geſchlechtsorganen einzeln zuſammenhängt. Steht trotz oder
gerade wegen aller Arbeitsteilung jede von den Myriaden
Zellen, die deinen Leib außerhalb der Geſchlechtsorgane noch
zuſammenſetzen, doch in geheimem, innerſtem Zuſammenhang
mit dieſem deinem Geſchlechtsorgan und jeder einzelnen darin
produzierten Samenzelle? Dieſe Frage berührt aktuell und für
die höheren Organismen mit Einſchluß deiner eigenen werten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0200" n="184"/>
pflanzungsorgane</hi>. Hier männliche, die für den ganzen<lb/>
Stamm die genügende Portion Samenzellen ab&#x017F;palteten. Dort<lb/>
weibliche, wo die Eierab&#x017F;paltung <hi rendition="#aq">en gros</hi> und für alle andern<lb/>
Staatsbürger mit betrieben wurde.</p><lb/>
        <p>Im Detail giebt es bei der Ge&#x017F;chichte allerdings nun doch<lb/>
noch mancherlei zu fragen. Das Freßorgan fraß fortan für<lb/>
alle mit. Gut. Aber das hieß: es that die eigentliche grobe<lb/>
Arbeit, der Gewinn aber kam auch allen übrigen Zellen und<lb/>
Organen in Ge&#x017F;talt zwar indirekter, aber dabei doch auch höch&#x017F;t<lb/>
realer Ernährung zu gute. Das Fortpflanzungsorgan (männ¬<lb/>
lich oder weiblich oder auch gar zwitterig) that fortan eben&#x017F;o<lb/>
die grobe Fortpflanzungsarbeit für alle mit; &#x017F;trömte ihm nun<lb/>
umgekehrt gleich&#x017F;am von allen irgendwie die Kraft zu?</p><lb/>
        <p>Hier beginnt ein Gebiet, das wir deshalb nicht vollkommen<lb/>
klar für die Vergangenheit und Urentwickelung durchdenken<lb/>
können, weil wir bei den höch&#x017F;tentwickelten We&#x017F;en von heute,<lb/>
ja bei uns &#x017F;elb&#x017F;t jetzt noch immer nicht wi&#x017F;&#x017F;en, wie dort die<lb/>
Dinge denn überhaupt liegen.</p><lb/>
        <p>Die Frage i&#x017F;t an &#x017F;ich noch eine dunkle, inwiefern die ge¬<lb/>
&#x017F;amte Zellma&#x017F;&#x017F;e un&#x017F;eres Leibes mit der Neuproduktion in un&#x017F;eren<lb/>
Ge&#x017F;chlechtsorganen einzeln zu&#x017F;ammenhängt. Steht trotz oder<lb/>
gerade wegen aller Arbeitsteilung jede von den Myriaden<lb/>
Zellen, die deinen Leib außerhalb der Ge&#x017F;chlechtsorgane noch<lb/>
zu&#x017F;ammen&#x017F;etzen, doch in geheimem, inner&#x017F;tem Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
mit die&#x017F;em deinem Ge&#x017F;chlechtsorgan und jeder einzelnen darin<lb/>
produzierten Samenzelle? Die&#x017F;e Frage berührt aktuell und für<lb/>
die höheren Organismen mit Ein&#x017F;chluß deiner eigenen werten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0200] pflanzungsorgane. Hier männliche, die für den ganzen Stamm die genügende Portion Samenzellen abſpalteten. Dort weibliche, wo die Eierabſpaltung en gros und für alle andern Staatsbürger mit betrieben wurde. Im Detail giebt es bei der Geſchichte allerdings nun doch noch mancherlei zu fragen. Das Freßorgan fraß fortan für alle mit. Gut. Aber das hieß: es that die eigentliche grobe Arbeit, der Gewinn aber kam auch allen übrigen Zellen und Organen in Geſtalt zwar indirekter, aber dabei doch auch höchſt realer Ernährung zu gute. Das Fortpflanzungsorgan (männ¬ lich oder weiblich oder auch gar zwitterig) that fortan ebenſo die grobe Fortpflanzungsarbeit für alle mit; ſtrömte ihm nun umgekehrt gleichſam von allen irgendwie die Kraft zu? Hier beginnt ein Gebiet, das wir deshalb nicht vollkommen klar für die Vergangenheit und Urentwickelung durchdenken können, weil wir bei den höchſtentwickelten Weſen von heute, ja bei uns ſelbſt jetzt noch immer nicht wiſſen, wie dort die Dinge denn überhaupt liegen. Die Frage iſt an ſich noch eine dunkle, inwiefern die ge¬ ſamte Zellmaſſe unſeres Leibes mit der Neuproduktion in unſeren Geſchlechtsorganen einzeln zuſammenhängt. Steht trotz oder gerade wegen aller Arbeitsteilung jede von den Myriaden Zellen, die deinen Leib außerhalb der Geſchlechtsorgane noch zuſammenſetzen, doch in geheimem, innerſtem Zuſammenhang mit dieſem deinem Geſchlechtsorgan und jeder einzelnen darin produzierten Samenzelle? Dieſe Frage berührt aktuell und für die höheren Organismen mit Einſchluß deiner eigenen werten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/200
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/200>, abgerufen am 25.11.2024.