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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Ich habe am Schluß der Zwergengeschichte dich schon auf
das Soziale verwiesen. Daß der Zwerg -- oder das Ur¬
wesen -- seine Samenzellchen und Eizellen nicht mehr gleich
wirklich von sich trieb, sondern zunächst bei sich behielt, war
im Grunde thatsächlich schon ein ganz schlichter sozialer Akt.

Solche sozialen Akte im erweiterten Sinne müssen aber
eben in der Zeit, als auch jene höchste Liebesstufe sich an¬
bahnte, ganz allgemein für das Leben der Einzellzwerge schon
hoch bedeutsam, ja entscheidend geworden sein. Ohne es zu
suchen, sind wir bei Betrachtung der noch lebend vorhandenen
Einzeller auf Erden vorhin schon auf eine solche allgemeine
Sozialthatsache gestoßen. Auf die Volvoxkugel. Was war das?

Ein paar tausend winziger Einzeller, als einzellige Indi¬
viduen noch gut kenntlich, bilden durch einen gewissen losen
Zusammenschluß eine verhältnismäßig große grüne Kugel, die
lebhaft bewegt wie ein einheitlicher Ganzorganismus durchs
Wasser schwimmt. Verstehe wohl: diese Zellen sind nicht im
Sinne eines Liebesaktes miteinander "verschmolzen", um so
aus tausend zusammenfließenden Einzelkügelchen eine große ein¬
heitliche Kugel zu schaffen, gleichsam eine einige kolossale
Massenliebeskugel. Es ist zwar, als hätten die Volvoxkerlchen
gewissermaßen etwas gelernt von der Liebe. Sie haben das
Prinzip aufgegriffen, das die Liebe so sehr deutlich lehrte: daß
man zu zweien weiter komme als allein. Aber sie haben es
diesmal nicht als eigentliches Liebesprinzip bis zum wahren
Verschmelzen getrieben. Sie haben sich bloß eng aneinander

Ich habe am Schluß der Zwergengeſchichte dich ſchon auf
das Soziale verwieſen. Daß der Zwerg — oder das Ur¬
weſen — ſeine Samenzellchen und Eizellen nicht mehr gleich
wirklich von ſich trieb, ſondern zunächſt bei ſich behielt, war
im Grunde thatſächlich ſchon ein ganz ſchlichter ſozialer Akt.

Solche ſozialen Akte im erweiterten Sinne müſſen aber
eben in der Zeit, als auch jene höchſte Liebesſtufe ſich an¬
bahnte, ganz allgemein für das Leben der Einzellzwerge ſchon
hoch bedeutſam, ja entſcheidend geworden ſein. Ohne es zu
ſuchen, ſind wir bei Betrachtung der noch lebend vorhandenen
Einzeller auf Erden vorhin ſchon auf eine ſolche allgemeine
Sozialthatſache geſtoßen. Auf die Volvoxkugel. Was war das?

Ein paar tauſend winziger Einzeller, als einzellige Indi¬
viduen noch gut kenntlich, bilden durch einen gewiſſen loſen
Zuſammenſchluß eine verhältnismäßig große grüne Kugel, die
lebhaft bewegt wie ein einheitlicher Ganzorganismus durchs
Waſſer ſchwimmt. Verſtehe wohl: dieſe Zellen ſind nicht im
Sinne eines Liebesaktes miteinander „verſchmolzen“, um ſo
aus tauſend zuſammenfließenden Einzelkügelchen eine große ein¬
heitliche Kugel zu ſchaffen, gleichſam eine einige koloſſale
Maſſenliebeskugel. Es iſt zwar, als hätten die Volvoxkerlchen
gewiſſermaßen etwas gelernt von der Liebe. Sie haben das
Prinzip aufgegriffen, das die Liebe ſo ſehr deutlich lehrte: daß
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[170/0186] Ich habe am Schluß der Zwergengeſchichte dich ſchon auf das Soziale verwieſen. Daß der Zwerg — oder das Ur¬ weſen — ſeine Samenzellchen und Eizellen nicht mehr gleich wirklich von ſich trieb, ſondern zunächſt bei ſich behielt, war im Grunde thatſächlich ſchon ein ganz ſchlichter ſozialer Akt. Solche ſozialen Akte im erweiterten Sinne müſſen aber eben in der Zeit, als auch jene höchſte Liebesſtufe ſich an¬ bahnte, ganz allgemein für das Leben der Einzellzwerge ſchon hoch bedeutſam, ja entſcheidend geworden ſein. Ohne es zu ſuchen, ſind wir bei Betrachtung der noch lebend vorhandenen Einzeller auf Erden vorhin ſchon auf eine ſolche allgemeine Sozialthatſache geſtoßen. Auf die Volvoxkugel. Was war das? Ein paar tauſend winziger Einzeller, als einzellige Indi¬ viduen noch gut kenntlich, bilden durch einen gewiſſen loſen Zuſammenſchluß eine verhältnismäßig große grüne Kugel, die lebhaft bewegt wie ein einheitlicher Ganzorganismus durchs Waſſer ſchwimmt. Verſtehe wohl: dieſe Zellen ſind nicht im Sinne eines Liebesaktes miteinander „verſchmolzen“, um ſo aus tauſend zuſammenfließenden Einzelkügelchen eine große ein¬ heitliche Kugel zu ſchaffen, gleichſam eine einige koloſſale Maſſenliebeskugel. Es iſt zwar, als hätten die Volvoxkerlchen gewiſſermaßen etwas gelernt von der Liebe. Sie haben das Prinzip aufgegriffen, das die Liebe ſo ſehr deutlich lehrte: daß man zu zweien weiter komme als allein. Aber ſie haben es diesmal nicht als eigentliches Liebesprinzip bis zum wahren Verſchmelzen getrieben. Sie haben ſich bloß eng aneinander

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/186>, abgerufen am 22.11.2024.