mühungen macht die Erfindung des Flintenschlosses und die Umge- staltung des Schaftes nach französischem Muster ein Ende. So wie im westlichen Deutschland beeilen sich auch die österreichischen Büchsen- macher, die neuen Gewehrformen nachzuahmen, und nach wenigen Jahrzehnten, um 1680, arbeiten sie Ziergewehre für die Jagd, Pistolen und dgl., die den französischen an Güte nicht nachstehen, in der Zeichnung der Verzierungen aber diese nicht selten übertreffen. Zu den hervorragendsten Meistern zählen wir S. Hauschka und Neu- reiter in Prag, L. Becher in Karlsbad, G. Keiser in Wien, G. Dünkl in Schwatz u. a.
Zum Schluss wenden wir uns zum Oriente, der ja als die Wiege der Waffenschmiedekunst anzusehen ist. Von den Schneegebirgen des Himalaya zogen in der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christi die ersten Eisenschmiede in den Pendschab hinab, mächtig breitete sich in dessen Thälern die Waffenindustrie aus und von hier aus gelangte die Verarbeitung des Eisens zu Waffen nach Hinterindien, Siam, China, Japan einerseits, nach Persien, Arabien und Phönizien ande- rerseits. Zur Zeit Alexanders des Grossen besass indischer Stahl, der schon damals als Rohprodukt in den Handel kam, einen ungemein hohen Wert. Indisches Eisen wird der feinen Politur wegen, die es annahm, bei den Alten ferrum candidum*) genannt. Die berühmtesten Klingen lieferte das Gebiet von Bokhara, der Stahl aber gelangte dahin aus Missore, Lahore, teils auch aus Kutsch und aus den Blauen Bergen. Die indischen Waffen wurden in grossen Massen nach Europa ausgeführt, ein Teil über Adola, das heutige Aden; ein nicht minder bedeutender ging auf den Markt nach Damaskus. Nächst Indien ist Persien in der Klingenerzeugung zu hohem Ruhme gelangt, wiewohl auch hier meist indischer Stahl verarbeitet wurde. Grosses Ansehen genossen die Werkstätten von Khorassan, deren Hauptsitz die Stadt Mesched war, nicht minder geschätzt waren die Klingen aus Kerman, jene aus Schiras und Ispahan. Im Mittel- alter wurden auch die Panzer von Samarkand, die Klingen von Herat mit Auszeichnung genannt.
Für die Waffenerzeugung war seit dem Altertume auch Armenien ein klassisches Gebiet. Sein Ruhm schreibt sich von einer uralten Waffenschmiedfamilie her, den Yedi-Kardasch, den sieben Brüdern.**) Vom Mittelalter an ragen die Werkstätten von Erzerum, Tiflis und Akhlat durch ihre Erzeugnisse hervor, die selbst bis auf den Markt von Damaskus zu dringen vermochten.
Die bedeutsamste Stadt in der Geschichte der Waffen ist Da- maskus am Antilibanon. Die schönste, berühmteste und nach der Meinung der Orientalen auch die älteste, auf deren Markte die kost-
*)Beck, D. Ludw. Die Geschichte des Eisens. Braunschweig 1884.
**)Beck, l. c.
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
mühungen macht die Erfindung des Flintenschlosses und die Umge- staltung des Schaftes nach französischem Muster ein Ende. So wie im westlichen Deutschland beeilen sich auch die österreichischen Büchsen- macher, die neuen Gewehrformen nachzuahmen, und nach wenigen Jahrzehnten, um 1680, arbeiten sie Ziergewehre für die Jagd, Pistolen und dgl., die den französischen an Güte nicht nachstehen, in der Zeichnung der Verzierungen aber diese nicht selten übertreffen. Zu den hervorragendsten Meistern zählen wir S. Hauschka und Neu- reiter in Prag, L. Becher in Karlsbad, G. Keiser in Wien, G. Dünkl in Schwatz u. a.
Zum Schluſs wenden wir uns zum Oriente, der ja als die Wiege der Waffenschmiedekunst anzusehen ist. Von den Schneegebirgen des Himalaya zogen in der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christi die ersten Eisenschmiede in den Pendschab hinab, mächtig breitete sich in dessen Thälern die Waffenindustrie aus und von hier aus gelangte die Verarbeitung des Eisens zu Waffen nach Hinterindien, Siam, China, Japan einerseits, nach Persien, Arabien und Phönizien ande- rerseits. Zur Zeit Alexanders des Groſsen besaſs indischer Stahl, der schon damals als Rohprodukt in den Handel kam, einen ungemein hohen Wert. Indisches Eisen wird der feinen Politur wegen, die es annahm, bei den Alten ferrum candidum*) genannt. Die berühmtesten Klingen lieferte das Gebiet von Bokhara, der Stahl aber gelangte dahin aus Missore, Lahore, teils auch aus Kutsch und aus den Blauen Bergen. Die indischen Waffen wurden in groſsen Massen nach Europa ausgeführt, ein Teil über Adola, das heutige Aden; ein nicht minder bedeutender ging auf den Markt nach Damaskus. Nächst Indien ist Persien in der Klingenerzeugung zu hohem Ruhme gelangt, wiewohl auch hier meist indischer Stahl verarbeitet wurde. Groſses Ansehen genossen die Werkstätten von Khorassan, deren Hauptsitz die Stadt Mesched war, nicht minder geschätzt waren die Klingen aus Kerman, jene aus Schiras und Ispahan. Im Mittel- alter wurden auch die Panzer von Samarkand, die Klingen von Herat mit Auszeichnung genannt.
Für die Waffenerzeugung war seit dem Altertume auch Armenien ein klassisches Gebiet. Sein Ruhm schreibt sich von einer uralten Waffenschmiedfamilie her, den Yedi-Kardasch, den sieben Brüdern.**) Vom Mittelalter an ragen die Werkstätten von Erzerum, Tiflis und Akhlat durch ihre Erzeugnisse hervor, die selbst bis auf den Markt von Damaskus zu dringen vermochten.
Die bedeutsamste Stadt in der Geschichte der Waffen ist Da- maskus am Antilibanon. Die schönste, berühmteste und nach der Meinung der Orientalen auch die älteste, auf deren Markte die kost-
*)Beck, D. Ludw. Die Geschichte des Eisens. Braunschweig 1884.
**)Beck, l. c.
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[618/0636]
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
mühungen macht die Erfindung des Flintenschlosses und die Umge-
staltung des Schaftes nach französischem Muster ein Ende. So wie
im westlichen Deutschland beeilen sich auch die österreichischen Büchsen-
macher, die neuen Gewehrformen nachzuahmen, und nach wenigen
Jahrzehnten, um 1680, arbeiten sie Ziergewehre für die Jagd, Pistolen
und dgl., die den französischen an Güte nicht nachstehen, in der
Zeichnung der Verzierungen aber diese nicht selten übertreffen. Zu
den hervorragendsten Meistern zählen wir S. Hauschka und Neu-
reiter in Prag, L. Becher in Karlsbad, G. Keiser in Wien,
G. Dünkl in Schwatz u. a.
Zum Schluſs wenden wir uns zum Oriente, der ja als die Wiege
der Waffenschmiedekunst anzusehen ist. Von den Schneegebirgen
des Himalaya zogen in der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christi die
ersten Eisenschmiede in den Pendschab hinab, mächtig breitete sich
in dessen Thälern die Waffenindustrie aus und von hier aus gelangte
die Verarbeitung des Eisens zu Waffen nach Hinterindien, Siam,
China, Japan einerseits, nach Persien, Arabien und Phönizien ande-
rerseits. Zur Zeit Alexanders des Groſsen besaſs indischer Stahl, der
schon damals als Rohprodukt in den Handel kam, einen ungemein
hohen Wert. Indisches Eisen wird der feinen Politur wegen, die es
annahm, bei den Alten ferrum candidum *) genannt. Die berühmtesten
Klingen lieferte das Gebiet von Bokhara, der Stahl aber gelangte
dahin aus Missore, Lahore, teils auch aus Kutsch und aus den Blauen
Bergen. Die indischen Waffen wurden in groſsen Massen nach
Europa ausgeführt, ein Teil über Adola, das heutige Aden; ein
nicht minder bedeutender ging auf den Markt nach Damaskus.
Nächst Indien ist Persien in der Klingenerzeugung zu hohem Ruhme
gelangt, wiewohl auch hier meist indischer Stahl verarbeitet wurde.
Groſses Ansehen genossen die Werkstätten von Khorassan, deren
Hauptsitz die Stadt Mesched war, nicht minder geschätzt waren die
Klingen aus Kerman, jene aus Schiras und Ispahan. Im Mittel-
alter wurden auch die Panzer von Samarkand, die Klingen von
Herat mit Auszeichnung genannt.
Für die Waffenerzeugung war seit dem Altertume auch Armenien
ein klassisches Gebiet. Sein Ruhm schreibt sich von einer uralten
Waffenschmiedfamilie her, den Yedi-Kardasch, den sieben Brüdern. **)
Vom Mittelalter an ragen die Werkstätten von Erzerum, Tiflis und
Akhlat durch ihre Erzeugnisse hervor, die selbst bis auf den Markt
von Damaskus zu dringen vermochten.
Die bedeutsamste Stadt in der Geschichte der Waffen ist Da-
maskus am Antilibanon. Die schönste, berühmteste und nach der
Meinung der Orientalen auch die älteste, auf deren Markte die kost-
*) Beck, D. Ludw. Die Geschichte des Eisens. Braunschweig 1884.
**) Beck, l. c.
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/636>, abgerufen am 22.11.2024.
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