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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
staate zu machen. In der Erzeugung von Zier- wie von gemeinen
Waffen fühlte sich Frankreich von Mailand noch zu abhängig, darum
die wiederholte Bemühung der Könige vom Ende des 14. Jahr-
hunderts an, berühmte Waffenmeister Mailands ins Land zu ziehen,
um hier eine Schule zu bilden. Es ist dies ganz derselbe Weg, den
die Könige bei den höheren Künsten mit der Schule von Fontainebleau
einschlugen. Einen bedeutenden Aufschwung von 1410 an nahm die
Schule zu Lyon unter Karl VI., deren bedeutendste Meister die Mai-
länder Martin de Tras 1410--1435, der Tausiator Francois
Forcia
um 1537 und die Brüder Baptiste und Cäsar Gambeo
1543--1549 waren.*) Ludwig XI. machte 1466 erneuerte Anstren-
gungen, um Mailänder Meister an sich zu ziehen. Karl VIII. gründete
1490 zu Bordeaux eine neue Ansiedelung von Waffenschmieden, meist
aus Mailändern, unter denen Ambroise Caron zu grossem Ansehen
und Reichtum kam. Inzwischen war um 1540 die Waffenschmiede-
kunst Deutschlands zu hoher Entwickelung gekommen, und schnell
war Franz I. zur Hand, deutsche, namentlich Tiroler- und Augsburger
Plattner nach Frankreich zu ziehen. Diese Bemühungen der Könige
waren von guten Erfolgen begleitet, denn wir sehen im 16. Jahr-
hundert zahlreiche Franzosen in Spanien, Italien und in Deutschland
als Kunstarbeiter beschäftigt.

Von 1640 an hebt sich Frankreich mächtig in seiner industriellen
Kunst und damit auch in der Erzeugung kunstvoller Waffen, besonders
in Feuergewehren, Degen u. dgl. Es wird darin tonangebend zu
einer Zeit, in welcher die deutsche Kunstindustrie starr zu werden
droht, die italienische und spanische, obwohl sie noch über gewichtige
Namen verfügen, doch ersichtlich sich im Rückgange befinden. Zu
den ersten Meistern zählen die Büchsenmacher Bertrand Piraube
um 1670, Adrien Reynier, genannt le Hollandois, um 1724 und
Louis Renard, genannt Saint-Malo, um 1643. Allen voran dürfte
der schon früher genannte Philipp Cordier d'Aubigny, 1635--1665,
stehen, dessen Arbeiten zu den schönsten der Zeit zählen und der
auch der Erfindung des Flintenschlosses nicht ferne steht.

In den Niederlanden erscheint die Waffenerzeugung bis ans
Ende des 14. Jahrhunderts nicht bedeutender als etwa im nördlichen
Deutschland, doch hatten sich in den vielen Städten daselbst Zünfte
herangebildet, welche als tüchtig und befähigt angesehen werden
konnten. Wie überhaupt alle Künste und Gewerbe unter burgundischer
Herrschaft einen gewaltigen Aufschwung genommen hatten, so kam
auch um 1400 das Waffenhandwerk in den niederländischen Städten,
vom Hofe unterstützt, zu ungemeiner Blüte. Die erste Anregung
gaben die zahlreichen Turniere, die um diese Zeit zu besonderer Be-

*) Rondot, Natalis. Les artistes et les maeitres des metiers etrangers ayant
travaille a Lyon. Gazette de Beaux-Arts 1883.
Boeheim, Waffenkunde. 39

V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
staate zu machen. In der Erzeugung von Zier- wie von gemeinen
Waffen fühlte sich Frankreich von Mailand noch zu abhängig, darum
die wiederholte Bemühung der Könige vom Ende des 14. Jahr-
hunderts an, berühmte Waffenmeister Mailands ins Land zu ziehen,
um hier eine Schule zu bilden. Es ist dies ganz derselbe Weg, den
die Könige bei den höheren Künsten mit der Schule von Fontainebleau
einschlugen. Einen bedeutenden Aufschwung von 1410 an nahm die
Schule zu Lyon unter Karl VI., deren bedeutendste Meister die Mai-
länder Martin de Tras 1410—1435, der Tausiator François
Forcia
um 1537 und die Brüder Baptiste und Cäsar Gambeo
1543—1549 waren.*) Ludwig XI. machte 1466 erneuerte Anstren-
gungen, um Mailänder Meister an sich zu ziehen. Karl VIII. gründete
1490 zu Bordeaux eine neue Ansiedelung von Waffenschmieden, meist
aus Mailändern, unter denen Ambroise Caron zu groſsem Ansehen
und Reichtum kam. Inzwischen war um 1540 die Waffenschmiede-
kunst Deutschlands zu hoher Entwickelung gekommen, und schnell
war Franz I. zur Hand, deutsche, namentlich Tiroler- und Augsburger
Plattner nach Frankreich zu ziehen. Diese Bemühungen der Könige
waren von guten Erfolgen begleitet, denn wir sehen im 16. Jahr-
hundert zahlreiche Franzosen in Spanien, Italien und in Deutschland
als Kunstarbeiter beschäftigt.

Von 1640 an hebt sich Frankreich mächtig in seiner industriellen
Kunst und damit auch in der Erzeugung kunstvoller Waffen, besonders
in Feuergewehren, Degen u. dgl. Es wird darin tonangebend zu
einer Zeit, in welcher die deutsche Kunstindustrie starr zu werden
droht, die italienische und spanische, obwohl sie noch über gewichtige
Namen verfügen, doch ersichtlich sich im Rückgange befinden. Zu
den ersten Meistern zählen die Büchsenmacher Bertrand Piraube
um 1670, Adrien Reynier, genannt le Hollandois, um 1724 und
Louis Renard, genannt Saint-Malo, um 1643. Allen voran dürfte
der schon früher genannte Philipp Cordier d’Aubigny, 1635—1665,
stehen, dessen Arbeiten zu den schönsten der Zeit zählen und der
auch der Erfindung des Flintenschlosses nicht ferne steht.

In den Niederlanden erscheint die Waffenerzeugung bis ans
Ende des 14. Jahrhunderts nicht bedeutender als etwa im nördlichen
Deutschland, doch hatten sich in den vielen Städten daselbst Zünfte
herangebildet, welche als tüchtig und befähigt angesehen werden
konnten. Wie überhaupt alle Künste und Gewerbe unter burgundischer
Herrschaft einen gewaltigen Aufschwung genommen hatten, so kam
auch um 1400 das Waffenhandwerk in den niederländischen Städten,
vom Hofe unterstützt, zu ungemeiner Blüte. Die erste Anregung
gaben die zahlreichen Turniere, die um diese Zeit zu besonderer Be-

*) Rondot, Natalis. Les artistes et les maîtres des métiers étrangers ayant
travaillé à Lyon. Gazette de Beaux-Arts 1883.
Boeheim, Waffenkunde. 39
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[609/0627] V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. staate zu machen. In der Erzeugung von Zier- wie von gemeinen Waffen fühlte sich Frankreich von Mailand noch zu abhängig, darum die wiederholte Bemühung der Könige vom Ende des 14. Jahr- hunderts an, berühmte Waffenmeister Mailands ins Land zu ziehen, um hier eine Schule zu bilden. Es ist dies ganz derselbe Weg, den die Könige bei den höheren Künsten mit der Schule von Fontainebleau einschlugen. Einen bedeutenden Aufschwung von 1410 an nahm die Schule zu Lyon unter Karl VI., deren bedeutendste Meister die Mai- länder Martin de Tras 1410—1435, der Tausiator François Forcia um 1537 und die Brüder Baptiste und Cäsar Gambeo 1543—1549 waren. *) Ludwig XI. machte 1466 erneuerte Anstren- gungen, um Mailänder Meister an sich zu ziehen. Karl VIII. gründete 1490 zu Bordeaux eine neue Ansiedelung von Waffenschmieden, meist aus Mailändern, unter denen Ambroise Caron zu groſsem Ansehen und Reichtum kam. Inzwischen war um 1540 die Waffenschmiede- kunst Deutschlands zu hoher Entwickelung gekommen, und schnell war Franz I. zur Hand, deutsche, namentlich Tiroler- und Augsburger Plattner nach Frankreich zu ziehen. Diese Bemühungen der Könige waren von guten Erfolgen begleitet, denn wir sehen im 16. Jahr- hundert zahlreiche Franzosen in Spanien, Italien und in Deutschland als Kunstarbeiter beschäftigt. Von 1640 an hebt sich Frankreich mächtig in seiner industriellen Kunst und damit auch in der Erzeugung kunstvoller Waffen, besonders in Feuergewehren, Degen u. dgl. Es wird darin tonangebend zu einer Zeit, in welcher die deutsche Kunstindustrie starr zu werden droht, die italienische und spanische, obwohl sie noch über gewichtige Namen verfügen, doch ersichtlich sich im Rückgange befinden. Zu den ersten Meistern zählen die Büchsenmacher Bertrand Piraube um 1670, Adrien Reynier, genannt le Hollandois, um 1724 und Louis Renard, genannt Saint-Malo, um 1643. Allen voran dürfte der schon früher genannte Philipp Cordier d’Aubigny, 1635—1665, stehen, dessen Arbeiten zu den schönsten der Zeit zählen und der auch der Erfindung des Flintenschlosses nicht ferne steht. In den Niederlanden erscheint die Waffenerzeugung bis ans Ende des 14. Jahrhunderts nicht bedeutender als etwa im nördlichen Deutschland, doch hatten sich in den vielen Städten daselbst Zünfte herangebildet, welche als tüchtig und befähigt angesehen werden konnten. Wie überhaupt alle Künste und Gewerbe unter burgundischer Herrschaft einen gewaltigen Aufschwung genommen hatten, so kam auch um 1400 das Waffenhandwerk in den niederländischen Städten, vom Hofe unterstützt, zu ungemeiner Blüte. Die erste Anregung gaben die zahlreichen Turniere, die um diese Zeit zu besonderer Be- *) Rondot, Natalis. Les artistes et les maîtres des métiers étrangers ayant travaillé à Lyon. Gazette de Beaux-Arts 1883. Boeheim, Waffenkunde. 39

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/627>, abgerufen am 22.11.2024.