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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.

Der zur Zeit ungemein grosse Bedarf, sowie das grosse Talent
der Italiener für Handfertigkeiten waren Ursache, dass neben der
genannten noch zahlreiche Waffenwerkstätten in kleinen Städten ent-
standen, von denen einige grosse Bedeutung erlangten. So jene in
Lucca, der alten Eisenindustriestätte, in Neapel, in Pistoja, wo be-
sonders Gewehrläufe erzeugt wurden. Hervorragend in diesem Fa-
brikationszweige sind Maffia und Bastiano da Pistoja, von welchem
man noch hier und da Arbeiten antrifft. Von bemerkenswerten Waffen-
künstlern anderer Orte seien noch hervorgehoben Geronimo Spacini
in Bologna, Caremolo in Mantua, Serafino Bresciano in Brescia.

Schon vom Beginne des 16. Jahrhunderts an sammelten sich
zahlreiche Waffenschmiede in Rom, welche namentlich unter Julius II.
und Leo X. auch eine nicht gering zu schätzende künstlerische
Thätigkeit entfalteten. Die Leistungen lassen sich an vielen ausge-
zeichnet schönen Waffen, wie unter anderen an den geweihten
Schwertern ermessen, welche die Päpste an Könige und Fürsten zu
verschenken pflegten.

Die Waffenkünstler Italiens standen mitten im Kreise der grossen
Künstler der Renaissance, der Humanisten und Poeten und unmittel-
bar unter ihrem belebenden Einflusse; nicht so die Kunstwaffenschmiede
Spaniens, deren Erzeugnisse gleichwohl in Technik und Dekoration
hervorragten. An den schönen Prunkwaffen Spaniens haften keine
Namen von Kunstheroen wie in Italien, das spanische Kunstleben, an
sich mehr ausgeglichen, gab auch dem Kunsthandwerk ein gleich-
förmigeres Gepräge, aus welchem nur Reminiszenzen an den maurischen
Stil und starke Anklänge an die Italiener, speziell die Mailänder zu
entnehmen sind.

Die spanische Waffenindustrie konzentrierte sich vom Mittelalter
an, wie nahezu überall, um die Gewinnungsstätten ihres vorzüglichsten
Materiales, des Eisens, und da sehen wir drei Gebiete hervorragen,
jenes den Tajo entlang, von den Bergen von Toledo bis zu den Ab-
hängen des Gebirges der Sierra de S. Memede, jenes an der Küste
des Golfes von Biscaja, von Guipuzcoa bis in die Ebene von Leon
herab. Endlich das Gebiet von Murcia nördlich bis Albacete, süd-
lich bis Almeria reichend. Ersteres hatte als Hauptindustrieort Toledo,
das zweite Bilbao, Mondragon und Sahagun, das dritte Albacete und
Almeria. Isolierter von den Gewinnungsstätten lag ein hervorragender
Industrieort: Sevilla.

Waren die beiden südlichen Orte, Toledo und Albacete, durch die
Kunstfertigkeit der Mauren zu ungemeiner Bedeutung gelangt, so stellt
Bilbao sich als der Vorort einer Waffenfabrikation dar, die ihre Ur-
anfänge noch unter den Iberern sucht und die selbst von den Römern
und Galliern geschont wurde. Die Erzeugung war aber lange von
primitivster Art und blieb seit ältester Zeit die gleiche. Im Gebiet
von Murcia machten sich die Mauren nach ihrem Übertritte nach

V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.

Der zur Zeit ungemein groſse Bedarf, sowie das groſse Talent
der Italiener für Handfertigkeiten waren Ursache, daſs neben der
genannten noch zahlreiche Waffenwerkstätten in kleinen Städten ent-
standen, von denen einige groſse Bedeutung erlangten. So jene in
Lucca, der alten Eisenindustriestätte, in Neapel, in Pistoja, wo be-
sonders Gewehrläufe erzeugt wurden. Hervorragend in diesem Fa-
brikationszweige sind Maffia und Bastiano da Pistoja, von welchem
man noch hier und da Arbeiten antrifft. Von bemerkenswerten Waffen-
künstlern anderer Orte seien noch hervorgehoben Geronimo Spacini
in Bologna, Caremolo in Mantua, Serafino Bresciano in Brescia.

Schon vom Beginne des 16. Jahrhunderts an sammelten sich
zahlreiche Waffenschmiede in Rom, welche namentlich unter Julius II.
und Leo X. auch eine nicht gering zu schätzende künstlerische
Thätigkeit entfalteten. Die Leistungen lassen sich an vielen ausge-
zeichnet schönen Waffen, wie unter anderen an den geweihten
Schwertern ermessen, welche die Päpste an Könige und Fürsten zu
verschenken pflegten.

Die Waffenkünstler Italiens standen mitten im Kreise der groſsen
Künstler der Renaissance, der Humanisten und Poeten und unmittel-
bar unter ihrem belebenden Einflusse; nicht so die Kunstwaffenschmiede
Spaniens, deren Erzeugnisse gleichwohl in Technik und Dekoration
hervorragten. An den schönen Prunkwaffen Spaniens haften keine
Namen von Kunstheroen wie in Italien, das spanische Kunstleben, an
sich mehr ausgeglichen, gab auch dem Kunsthandwerk ein gleich-
förmigeres Gepräge, aus welchem nur Reminiszenzen an den maurischen
Stil und starke Anklänge an die Italiener, speziell die Mailänder zu
entnehmen sind.

Die spanische Waffenindustrie konzentrierte sich vom Mittelalter
an, wie nahezu überall, um die Gewinnungsstätten ihres vorzüglichsten
Materiales, des Eisens, und da sehen wir drei Gebiete hervorragen,
jenes den Tajo entlang, von den Bergen von Toledo bis zu den Ab-
hängen des Gebirges der Sierra de S. Memede, jenes an der Küste
des Golfes von Biscaja, von Guipúzcoa bis in die Ebene von Leon
herab. Endlich das Gebiet von Murcia nördlich bis Albacete, süd-
lich bis Almeria reichend. Ersteres hatte als Hauptindustrieort Toledo,
das zweite Bilbao, Mondragon und Sahagun, das dritte Albacete und
Almeria. Isolierter von den Gewinnungsstätten lag ein hervorragender
Industrieort: Sevilla.

Waren die beiden südlichen Orte, Toledo und Albacete, durch die
Kunstfertigkeit der Mauren zu ungemeiner Bedeutung gelangt, so stellt
Bilbao sich als der Vorort einer Waffenfabrikation dar, die ihre Ur-
anfänge noch unter den Iberern sucht und die selbst von den Römern
und Galliern geschont wurde. Die Erzeugung war aber lange von
primitivster Art und blieb seit ältester Zeit die gleiche. Im Gebiet
von Murcia machten sich die Mauren nach ihrem Übertritte nach

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[606/0624] V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. Der zur Zeit ungemein groſse Bedarf, sowie das groſse Talent der Italiener für Handfertigkeiten waren Ursache, daſs neben der genannten noch zahlreiche Waffenwerkstätten in kleinen Städten ent- standen, von denen einige groſse Bedeutung erlangten. So jene in Lucca, der alten Eisenindustriestätte, in Neapel, in Pistoja, wo be- sonders Gewehrläufe erzeugt wurden. Hervorragend in diesem Fa- brikationszweige sind Maffia und Bastiano da Pistoja, von welchem man noch hier und da Arbeiten antrifft. Von bemerkenswerten Waffen- künstlern anderer Orte seien noch hervorgehoben Geronimo Spacini in Bologna, Caremolo in Mantua, Serafino Bresciano in Brescia. Schon vom Beginne des 16. Jahrhunderts an sammelten sich zahlreiche Waffenschmiede in Rom, welche namentlich unter Julius II. und Leo X. auch eine nicht gering zu schätzende künstlerische Thätigkeit entfalteten. Die Leistungen lassen sich an vielen ausge- zeichnet schönen Waffen, wie unter anderen an den geweihten Schwertern ermessen, welche die Päpste an Könige und Fürsten zu verschenken pflegten. Die Waffenkünstler Italiens standen mitten im Kreise der groſsen Künstler der Renaissance, der Humanisten und Poeten und unmittel- bar unter ihrem belebenden Einflusse; nicht so die Kunstwaffenschmiede Spaniens, deren Erzeugnisse gleichwohl in Technik und Dekoration hervorragten. An den schönen Prunkwaffen Spaniens haften keine Namen von Kunstheroen wie in Italien, das spanische Kunstleben, an sich mehr ausgeglichen, gab auch dem Kunsthandwerk ein gleich- förmigeres Gepräge, aus welchem nur Reminiszenzen an den maurischen Stil und starke Anklänge an die Italiener, speziell die Mailänder zu entnehmen sind. Die spanische Waffenindustrie konzentrierte sich vom Mittelalter an, wie nahezu überall, um die Gewinnungsstätten ihres vorzüglichsten Materiales, des Eisens, und da sehen wir drei Gebiete hervorragen, jenes den Tajo entlang, von den Bergen von Toledo bis zu den Ab- hängen des Gebirges der Sierra de S. Memede, jenes an der Küste des Golfes von Biscaja, von Guipúzcoa bis in die Ebene von Leon herab. Endlich das Gebiet von Murcia nördlich bis Albacete, süd- lich bis Almeria reichend. Ersteres hatte als Hauptindustrieort Toledo, das zweite Bilbao, Mondragon und Sahagun, das dritte Albacete und Almeria. Isolierter von den Gewinnungsstätten lag ein hervorragender Industrieort: Sevilla. Waren die beiden südlichen Orte, Toledo und Albacete, durch die Kunstfertigkeit der Mauren zu ungemeiner Bedeutung gelangt, so stellt Bilbao sich als der Vorort einer Waffenfabrikation dar, die ihre Ur- anfänge noch unter den Iberern sucht und die selbst von den Römern und Galliern geschont wurde. Die Erzeugung war aber lange von primitivster Art und blieb seit ältester Zeit die gleiche. Im Gebiet von Murcia machten sich die Mauren nach ihrem Übertritte nach

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/624>, abgerufen am 22.11.2024.