Auf den ältesten Helmen des 16. Jahrhunderts befindet sich nur eine über das Scheitelstück von vorn nach rückwärts laufende, wulstförmige Erhöhung, die ersten Anfänge des Kammes. In der Folge wird diese immer höher aufgetrieben und wird damit zum ausgesprochenen Kamme. Um 1570 wächst der Kamm besonders in Italien zu riesiger Höhe. Eine barocke Phantasie führt dahin, die Visiere auch in Form eines abschreckenden Antlitzes zu bilden; man hiess derlei Visiere Teufelsschembart. Überhaupt führten die damaligen Helmvarianten, hauptsächlich nach der Gestalt der Visiere, eigene Namen wie Totenkopf, Affenvisier u. dergl. (Fig. 30.)
Um 1500 wird der geschlossene Helm in seiner Zusammen- setzung wesentlich vereinfacht. Die Öffnung desselben erfolgt lediglich
[Abbildung]
Fig. 29
a. Geschlossener Helm ältester Form mit absteck- barem aufschlächtigen Visier, Anschnallbart und Stielscheibe. Den Hals deckt noch ein Panzergehänge, eine Art Halsbrünne. Um 1490. Italienisch. Armeria Reale zu Turin. Seitenansicht.
[Abbildung]
Fig. 29
b. Rückseite mit geöffneten Backenstücken und ge- öffnetem Visier.
von dem seitlichen Visierkloben aus, indem Kinnreff und Visier auf- geschlagen den Raum geben, um beim Aufsetzen den Kopf durch- zulassen. Das Nackenstück erscheint nun geschoben, die Stielscheibe verschwindet. Aus dieser Übergangsform bildet sich um 1530 der geschlossene Helm neuerer Form. An Maximiliansharnischen sehen wir den Helm von der einfachsten Konstruktion. Eigenartig erscheint derselbe durch sein rückwärts sehr stark ausgetriebenes Scheitelstück,
I. Die Schutzwaffen.
Auf den ältesten Helmen des 16. Jahrhunderts befindet sich nur eine über das Scheitelstück von vorn nach rückwärts laufende, wulstförmige Erhöhung, die ersten Anfänge des Kammes. In der Folge wird diese immer höher aufgetrieben und wird damit zum ausgesprochenen Kamme. Um 1570 wächst der Kamm besonders in Italien zu riesiger Höhe. Eine barocke Phantasie führt dahin, die Visiere auch in Form eines abschreckenden Antlitzes zu bilden; man hieſs derlei Visiere Teufelsschembart. Überhaupt führten die damaligen Helmvarianten, hauptsächlich nach der Gestalt der Visiere, eigene Namen wie Totenkopf, Affenvisier u. dergl. (Fig. 30.)
Um 1500 wird der geschlossene Helm in seiner Zusammen- setzung wesentlich vereinfacht. Die Öffnung desselben erfolgt lediglich
[Abbildung]
Fig. 29
a. Geschlossener Helm ältester Form mit absteck- barem aufschlächtigen Visier, Anschnallbart und Stielscheibe. Den Hals deckt noch ein Panzergehänge, eine Art Halsbrünne. Um 1490. Italienisch. Armeria Reale zu Turin. Seitenansicht.
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Fig. 29
b. Rückseite mit geöffneten Backenstücken und ge- öffnetem Visier.
von dem seitlichen Visierkloben aus, indem Kinnreff und Visier auf- geschlagen den Raum geben, um beim Aufsetzen den Kopf durch- zulassen. Das Nackenstück erscheint nun geschoben, die Stielscheibe verschwindet. Aus dieser Übergangsform bildet sich um 1530 der geschlossene Helm neuerer Form. An Maximiliansharnischen sehen wir den Helm von der einfachsten Konstruktion. Eigenartig erscheint derselbe durch sein rückwärts sehr stark ausgetriebenes Scheitelstück,
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I. Die Schutzwaffen.
Auf den ältesten Helmen des 16. Jahrhunderts befindet sich
nur eine über das Scheitelstück von vorn nach rückwärts laufende,
wulstförmige Erhöhung, die ersten Anfänge des Kammes. In der
Folge wird diese immer höher aufgetrieben und wird damit zum
ausgesprochenen Kamme. Um 1570 wächst der Kamm besonders in
Italien zu riesiger Höhe. Eine barocke Phantasie führt dahin, die
Visiere auch in Form eines abschreckenden Antlitzes zu bilden; man
hieſs derlei Visiere Teufelsschembart. Überhaupt führten die
damaligen Helmvarianten, hauptsächlich nach der Gestalt der Visiere,
eigene Namen wie Totenkopf, Affenvisier u. dergl. (Fig. 30.)
Um 1500 wird der geschlossene Helm in seiner Zusammen-
setzung wesentlich vereinfacht. Die Öffnung desselben erfolgt lediglich
[Abbildung Fig. 29 a. Geschlossener Helm ältester Form mit absteck-
barem aufschlächtigen Visier, Anschnallbart und Stielscheibe. Den
Hals deckt noch ein Panzergehänge, eine Art Halsbrünne. Um 1490.
Italienisch. Armeria Reale zu Turin. Seitenansicht.]
[Abbildung Fig. 29 b. Rückseite mit geöffneten Backenstücken und ge-
öffnetem Visier.]
von dem seitlichen Visierkloben aus, indem Kinnreff und Visier auf-
geschlagen den Raum geben, um beim Aufsetzen den Kopf durch-
zulassen. Das Nackenstück erscheint nun geschoben, die Stielscheibe
verschwindet. Aus dieser Übergangsform bildet sich um 1530 der
geschlossene Helm neuerer Form. An Maximiliansharnischen sehen
wir den Helm von der einfachsten Konstruktion. Eigenartig erscheint
derselbe durch sein rückwärts sehr stark ausgetriebenes Scheitelstück,
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/60>, abgerufen am 24.11.2024.
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