1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
kann. Einige Sammler üben die Vorsicht, sich den angebotenen Gegenstand auf kurze Zeit zu erbitten, um ihn von erprobten Kennern untersuchen zu lassen. Dagegen pflegen sich die Händler sanft zu wehren, indem sie vorgeben, das Stück nicht aus den Händen lassen zu können; andere wagen es auf das gute Glück hin, in der Hoff- nung, dass auch der Kenner sich täuschen lässt. Legen doch kleine Händler sehr häufig Museumsbeamten gut ausgeführte Fälschungen zur Beurteilung vor, um möglicherweise ein günstiges Urteil zu er- langen und auf dieses gestützt, dem Kunden gegenüber mit Sicher- heit auftreten zu können.
Was nun die Beurteilung des Wertes einer Waffe, bei der wir die Echtheit voraussetzen, anlangt, so kommt in erster Linie der historische Wert, ihre verbürgten Beziehungen zu einer historischen Person oder einer historischen Thatsache in Frage; dann folgt die Frage nach dem Meister, nach der Seltenheit des Stückes an sich, nach dem Kunstwert der Arbeit, endlich nach dessen Vollständigkeit. Was nicht unter einem der hier erwähnten Gesichtspunkte Interesse bietet, ist Ware von geringem Wert, die zwar als instruktives Material in öffentlichen Sammlungen nicht fehlen darf, aber nur im Zusammen- hange mit anderem eine waffengeschichtliche Bedeutung besitzt. Die hier angeführten Gesichtspunkte sollten ebensowohl für den Händler wie für den Käufer bei der Beurteilung des Preises allein massgebend sein. Das ist indes nicht der Fall, weil unsere geschichtlichen Kennt- nisse zur Stunde noch zu mangelhaft sind, um für eine angemessene Normierung der Preise in allen Fällen einen festen Anhalt zu bieten.
Bei der Lückenhaftigkeit unserer kunstgeschichtlichen Erkenntnis lässt sich eine Waffe nur in wenigen Fällen auf ihren Meister hin schätzen, überhaupt wird ihr Wert meist unterschätzt. Dem Verfasser erscheint zum Beispiel ein einfacher Haudegen mit einer zugehörigen Klinge des Spaniers Alonso de Sahagun oder des Italieners Andrea Ferraro wertvoller als der zierlichste -- ohne Marke; ein Harnisch mit dem Zeichen des Augsburger Matthäus Frauenbriss weit kost- barer als einer des gleichzeitigen Nürnbergers Mert Rotschmied; eine Arkebuse mit einem Laufe von dem älteren Brescianer Lazaro Cominazzo viel begehrenswerter als eine selbst künstlerisch schöner ausgestattete seines jüngeren Landsmannes Giovanni Francino u. s. w. Die Kenntnis der Meister und ihrer Marken ist im Verkehre noch nicht ins Konzept aufgenommen worden, weshalb die Grundlage für die Wertbestimmung noch ganz unsicher erscheint. Vielleicht tragen unsere Ausführungen und die am Schlusse gegebene Liste der Namen und Marken von Waffenschmieden, deren Zusammenstellung zumeist auf dem eigenen Studium des Verf. beruht, dazu bei, einen sichereren Massstab für den Wert alter Waffen zu schaffen.
1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
kann. Einige Sammler üben die Vorsicht, sich den angebotenen Gegenstand auf kurze Zeit zu erbitten, um ihn von erprobten Kennern untersuchen zu lassen. Dagegen pflegen sich die Händler sanft zu wehren, indem sie vorgeben, das Stück nicht aus den Händen lassen zu können; andere wagen es auf das gute Glück hin, in der Hoff- nung, daſs auch der Kenner sich täuschen läſst. Legen doch kleine Händler sehr häufig Museumsbeamten gut ausgeführte Fälschungen zur Beurteilung vor, um möglicherweise ein günstiges Urteil zu er- langen und auf dieses gestützt, dem Kunden gegenüber mit Sicher- heit auftreten zu können.
Was nun die Beurteilung des Wertes einer Waffe, bei der wir die Echtheit voraussetzen, anlangt, so kommt in erster Linie der historische Wert, ihre verbürgten Beziehungen zu einer historischen Person oder einer historischen Thatsache in Frage; dann folgt die Frage nach dem Meister, nach der Seltenheit des Stückes an sich, nach dem Kunstwert der Arbeit, endlich nach dessen Vollständigkeit. Was nicht unter einem der hier erwähnten Gesichtspunkte Interesse bietet, ist Ware von geringem Wert, die zwar als instruktives Material in öffentlichen Sammlungen nicht fehlen darf, aber nur im Zusammen- hange mit anderem eine waffengeschichtliche Bedeutung besitzt. Die hier angeführten Gesichtspunkte sollten ebensowohl für den Händler wie für den Käufer bei der Beurteilung des Preises allein maſsgebend sein. Das ist indes nicht der Fall, weil unsere geschichtlichen Kennt- nisse zur Stunde noch zu mangelhaft sind, um für eine angemessene Normierung der Preise in allen Fällen einen festen Anhalt zu bieten.
Bei der Lückenhaftigkeit unserer kunstgeschichtlichen Erkenntnis läſst sich eine Waffe nur in wenigen Fällen auf ihren Meister hin schätzen, überhaupt wird ihr Wert meist unterschätzt. Dem Verfasser erscheint zum Beispiel ein einfacher Haudegen mit einer zugehörigen Klinge des Spaniers Alonso de Sahagun oder des Italieners Andrea Ferraro wertvoller als der zierlichste — ohne Marke; ein Harnisch mit dem Zeichen des Augsburger Matthäus Frauenbriſs weit kost- barer als einer des gleichzeitigen Nürnbergers Mert Rotschmied; eine Arkebuse mit einem Laufe von dem älteren Brescianer Lazaro Cominazzo viel begehrenswerter als eine selbst künstlerisch schöner ausgestattete seines jüngeren Landsmannes Giovanni Francino u. s. w. Die Kenntnis der Meister und ihrer Marken ist im Verkehre noch nicht ins Konzept aufgenommen worden, weshalb die Grundlage für die Wertbestimmung noch ganz unsicher erscheint. Vielleicht tragen unsere Ausführungen und die am Schlusse gegebene Liste der Namen und Marken von Waffenschmieden, deren Zusammenstellung zumeist auf dem eigenen Studium des Verf. beruht, dazu bei, einen sichereren Maſsstab für den Wert alter Waffen zu schaffen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0599"n="581"/><fwplace="top"type="header">1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.</fw><lb/>
kann. Einige Sammler üben die Vorsicht, sich den angebotenen<lb/>
Gegenstand auf kurze Zeit zu erbitten, um ihn von erprobten Kennern<lb/>
untersuchen zu lassen. Dagegen pflegen sich die Händler sanft zu<lb/>
wehren, indem sie vorgeben, das Stück nicht aus den Händen lassen<lb/>
zu können; andere wagen es auf das gute Glück hin, in der Hoff-<lb/>
nung, daſs auch der Kenner sich täuschen läſst. Legen doch kleine<lb/>
Händler sehr häufig Museumsbeamten gut ausgeführte Fälschungen<lb/>
zur Beurteilung vor, um möglicherweise ein günstiges Urteil zu er-<lb/>
langen und auf dieses gestützt, dem Kunden gegenüber mit Sicher-<lb/>
heit auftreten zu können.</p><lb/><p>Was nun die Beurteilung des Wertes einer Waffe, bei der wir<lb/>
die Echtheit voraussetzen, anlangt, so kommt in erster Linie der<lb/><hirendition="#g">historische</hi> Wert, ihre verbürgten Beziehungen zu einer historischen<lb/>
Person oder einer historischen Thatsache in Frage; dann folgt die<lb/>
Frage nach dem Meister, nach der Seltenheit des Stückes an sich,<lb/>
nach dem Kunstwert der Arbeit, endlich nach dessen Vollständigkeit.<lb/>
Was nicht unter einem der hier erwähnten Gesichtspunkte Interesse<lb/>
bietet, ist Ware von geringem Wert, die zwar als instruktives Material<lb/>
in öffentlichen Sammlungen nicht fehlen darf, aber nur im Zusammen-<lb/>
hange mit anderem eine waffengeschichtliche Bedeutung besitzt. Die<lb/>
hier angeführten Gesichtspunkte sollten ebensowohl für den Händler<lb/>
wie für den Käufer bei der Beurteilung des Preises allein maſsgebend<lb/>
sein. Das ist indes nicht der Fall, weil unsere geschichtlichen Kennt-<lb/>
nisse zur Stunde noch zu mangelhaft sind, um für eine angemessene<lb/>
Normierung der Preise in allen Fällen einen festen Anhalt zu bieten.</p><lb/><p>Bei der Lückenhaftigkeit unserer kunstgeschichtlichen Erkenntnis<lb/>
läſst sich eine Waffe nur in wenigen Fällen auf ihren Meister hin<lb/>
schätzen, überhaupt wird ihr Wert meist unterschätzt. Dem Verfasser<lb/>
erscheint zum Beispiel ein einfacher Haudegen mit einer zugehörigen<lb/>
Klinge des Spaniers Alonso de Sahagun oder des Italieners Andrea<lb/>
Ferraro wertvoller als der zierlichste — ohne Marke; ein Harnisch<lb/>
mit dem Zeichen des Augsburger Matthäus Frauenbriſs weit kost-<lb/>
barer als einer des gleichzeitigen Nürnbergers Mert Rotschmied; eine<lb/>
Arkebuse mit einem Laufe von dem älteren Brescianer Lazaro<lb/>
Cominazzo viel begehrenswerter als eine selbst künstlerisch schöner<lb/>
ausgestattete seines jüngeren Landsmannes Giovanni Francino u. s. w.<lb/>
Die Kenntnis der Meister und ihrer Marken ist im Verkehre noch<lb/>
nicht ins Konzept aufgenommen worden, weshalb die Grundlage für<lb/>
die Wertbestimmung noch ganz unsicher erscheint. Vielleicht tragen<lb/>
unsere Ausführungen und die am Schlusse gegebene Liste der Namen<lb/>
und Marken von Waffenschmieden, deren Zusammenstellung zumeist<lb/>
auf dem eigenen Studium des Verf. beruht, dazu bei, einen sichereren<lb/>
Maſsstab für den Wert alter Waffen zu schaffen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[581/0599]
1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
kann. Einige Sammler üben die Vorsicht, sich den angebotenen
Gegenstand auf kurze Zeit zu erbitten, um ihn von erprobten Kennern
untersuchen zu lassen. Dagegen pflegen sich die Händler sanft zu
wehren, indem sie vorgeben, das Stück nicht aus den Händen lassen
zu können; andere wagen es auf das gute Glück hin, in der Hoff-
nung, daſs auch der Kenner sich täuschen läſst. Legen doch kleine
Händler sehr häufig Museumsbeamten gut ausgeführte Fälschungen
zur Beurteilung vor, um möglicherweise ein günstiges Urteil zu er-
langen und auf dieses gestützt, dem Kunden gegenüber mit Sicher-
heit auftreten zu können.
Was nun die Beurteilung des Wertes einer Waffe, bei der wir
die Echtheit voraussetzen, anlangt, so kommt in erster Linie der
historische Wert, ihre verbürgten Beziehungen zu einer historischen
Person oder einer historischen Thatsache in Frage; dann folgt die
Frage nach dem Meister, nach der Seltenheit des Stückes an sich,
nach dem Kunstwert der Arbeit, endlich nach dessen Vollständigkeit.
Was nicht unter einem der hier erwähnten Gesichtspunkte Interesse
bietet, ist Ware von geringem Wert, die zwar als instruktives Material
in öffentlichen Sammlungen nicht fehlen darf, aber nur im Zusammen-
hange mit anderem eine waffengeschichtliche Bedeutung besitzt. Die
hier angeführten Gesichtspunkte sollten ebensowohl für den Händler
wie für den Käufer bei der Beurteilung des Preises allein maſsgebend
sein. Das ist indes nicht der Fall, weil unsere geschichtlichen Kennt-
nisse zur Stunde noch zu mangelhaft sind, um für eine angemessene
Normierung der Preise in allen Fällen einen festen Anhalt zu bieten.
Bei der Lückenhaftigkeit unserer kunstgeschichtlichen Erkenntnis
läſst sich eine Waffe nur in wenigen Fällen auf ihren Meister hin
schätzen, überhaupt wird ihr Wert meist unterschätzt. Dem Verfasser
erscheint zum Beispiel ein einfacher Haudegen mit einer zugehörigen
Klinge des Spaniers Alonso de Sahagun oder des Italieners Andrea
Ferraro wertvoller als der zierlichste — ohne Marke; ein Harnisch
mit dem Zeichen des Augsburger Matthäus Frauenbriſs weit kost-
barer als einer des gleichzeitigen Nürnbergers Mert Rotschmied; eine
Arkebuse mit einem Laufe von dem älteren Brescianer Lazaro
Cominazzo viel begehrenswerter als eine selbst künstlerisch schöner
ausgestattete seines jüngeren Landsmannes Giovanni Francino u. s. w.
Die Kenntnis der Meister und ihrer Marken ist im Verkehre noch
nicht ins Konzept aufgenommen worden, weshalb die Grundlage für
die Wertbestimmung noch ganz unsicher erscheint. Vielleicht tragen
unsere Ausführungen und die am Schlusse gegebene Liste der Namen
und Marken von Waffenschmieden, deren Zusammenstellung zumeist
auf dem eigenen Studium des Verf. beruht, dazu bei, einen sichereren
Maſsstab für den Wert alter Waffen zu schaffen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/599>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.