Es finden sich daher an den verschiedenen Höfen eine solche Menge von Varianten, dass ihre vollständige Aufzählung einen bedeutenden Raum in Anspruch nehmen würde, ohne doch die Verständlichkeit im geringsten zu fördern. Wir beschränken uns demnach nur auf die Erklärung der Ausrüstung und Technik jener Rennen, welche sich in dem besten Turnierbuche jener Zeit finden, im Freidal.
Nach diesem für das deutsche Turnierwesen um 1480 mass- gebenden Kodex teilt sich das Rennen in folgende einzelne Arten:
1. Das Geschiftrennen, und dieses wieder in das Geschift- tartschen- und das Geschiftscheibenrennen,
2. das Scharf- oder Schweifrennen,
3. das Bundrennen,
4. das Anzogenrennen,
5. das Krönl (-rennen), endlich
6. das Feldrennen.*)
Das Geschiftrennen. Der Renner ist mit dem Rennzeug aus- gerüstet. Unter dem Rennzeug wird meistenteils ein stark wattiertes Wams getragen, dessen gepolsterte Ärmel das Armzeug ersetzen. Die Beine sind zuweilen geharnischt, öfter auch ohne Beinzeug, dann aber sind sie an den Oberschenkeln durch sogenannte Streiftartschen (Fig. 647) oder durch Dilgen (Fig. 648) geschützt, die an Riemen über den Sattel hängen. Die Sättel sind sehr klein und haben weder Vorder- noch Hintersteg. (Fig. 649.) Das Ross trägt die lederne Parsche, der Kopf ist geblendet.
Beim Geschifttartschenrennen erzielte ein gelungener Stoss auf die Renntartsche die Wirkung, dass diese von der Brust sich löste und mit einer Anzahl von eisernen, keilartig geformten Stücken, "Schiftkeilen", über den Kopf des Renners weg in die Luft flog. Diese Wirkung wurde durch einen Federmechanismus hervorgebracht, der auf der Rennbrustmitte angebracht war. Vor der Renntartsche befand sich eine Metallscheibe, die mittels eines starken Dornes, der, durch eine Durchlöcherung der Tartsche reichend, mit dem Mecha- nismus dahinter in Verbindung stand. Zwischen der Tartsche und der Maschine wurden nun konzentrisch die Schiftkeile derart eingepresst, dass diese durch den Druck, den sie auf die Tartsche ausübten, den Federmechanismus anspannten, und dieser zugleich die Keile in ihrer Pressung erhielt. Wurde durch den Stoss der Renn- stange die Federspannung aufgehoben, dann schleuderten zwei an den Enden mit Rädlein versehene Hebelarme die Tartsche nach aufwärts und drei kleinere Hebel befreiten die gespannten Schiftkeile aus ihrer
*) In dem bedeutend später gefertigten Turnierbuch Maximilians I., das von dem jüngeren H. Burgmayr herrührt, findet sich noch das Pfannenrennen. Das Anzogenrennen mit wollenen Kränzen (auf den Häuptern) und das welsch Rennen in dem Armetin.
III. Die Turnierwaffen.
Es finden sich daher an den verschiedenen Höfen eine solche Menge von Varianten, daſs ihre vollständige Aufzählung einen bedeutenden Raum in Anspruch nehmen würde, ohne doch die Verständlichkeit im geringsten zu fördern. Wir beschränken uns demnach nur auf die Erklärung der Ausrüstung und Technik jener Rennen, welche sich in dem besten Turnierbuche jener Zeit finden, im Freidal.
Nach diesem für das deutsche Turnierwesen um 1480 maſs- gebenden Kodex teilt sich das Rennen in folgende einzelne Arten:
1. Das Geschiftrennen, und dieses wieder in das Geschift- tartschen- und das Geschiftscheibenrennen,
2. das Scharf- oder Schweifrennen,
3. das Bundrennen,
4. das Anzogenrennen,
5. das Krönl (-rennen), endlich
6. das Feldrennen.*)
Das Geschiftrennen. Der Renner ist mit dem Rennzeug aus- gerüstet. Unter dem Rennzeug wird meistenteils ein stark wattiertes Wams getragen, dessen gepolsterte Ärmel das Armzeug ersetzen. Die Beine sind zuweilen geharnischt, öfter auch ohne Beinzeug, dann aber sind sie an den Oberschenkeln durch sogenannte Streiftartschen (Fig. 647) oder durch Dilgen (Fig. 648) geschützt, die an Riemen über den Sattel hängen. Die Sättel sind sehr klein und haben weder Vorder- noch Hintersteg. (Fig. 649.) Das Roſs trägt die lederne Parsche, der Kopf ist geblendet.
Beim Geschifttartschenrennen erzielte ein gelungener Stoſs auf die Renntartsche die Wirkung, daſs diese von der Brust sich löste und mit einer Anzahl von eisernen, keilartig geformten Stücken, „Schiftkeilen“, über den Kopf des Renners weg in die Luft flog. Diese Wirkung wurde durch einen Federmechanismus hervorgebracht, der auf der Rennbrustmitte angebracht war. Vor der Renntartsche befand sich eine Metallscheibe, die mittels eines starken Dornes, der, durch eine Durchlöcherung der Tartsche reichend, mit dem Mecha- nismus dahinter in Verbindung stand. Zwischen der Tartsche und der Maschine wurden nun konzentrisch die Schiftkeile derart eingepreſst, daſs diese durch den Druck, den sie auf die Tartsche ausübten, den Federmechanismus anspannten, und dieser zugleich die Keile in ihrer Pressung erhielt. Wurde durch den Stoſs der Renn- stange die Federspannung aufgehoben, dann schleuderten zwei an den Enden mit Rädlein versehene Hebelarme die Tartsche nach aufwärts und drei kleinere Hebel befreiten die gespannten Schiftkeile aus ihrer
*) In dem bedeutend später gefertigten Turnierbuch Maximilians I., das von dem jüngeren H. Burgmayr herrührt, findet sich noch das Pfannenrennen. Das Anzogenrennen mit wollenen Kränzen (auf den Häuptern) und das welsch Rennen in dem Armetin.
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III. Die Turnierwaffen.
Es finden sich daher an den verschiedenen Höfen eine solche Menge
von Varianten, daſs ihre vollständige Aufzählung einen bedeutenden
Raum in Anspruch nehmen würde, ohne doch die Verständlichkeit
im geringsten zu fördern. Wir beschränken uns demnach nur auf
die Erklärung der Ausrüstung und Technik jener Rennen, welche
sich in dem besten Turnierbuche jener Zeit finden, im Freidal.
Nach diesem für das deutsche Turnierwesen um 1480 maſs-
gebenden Kodex teilt sich das Rennen in folgende einzelne Arten:
1. Das Geschiftrennen, und dieses wieder in das Geschift-
tartschen- und das Geschiftscheibenrennen,
2. das Scharf- oder Schweifrennen,
3. das Bundrennen,
4. das Anzogenrennen,
5. das Krönl (-rennen), endlich
6. das Feldrennen. *)
Das Geschiftrennen. Der Renner ist mit dem Rennzeug aus-
gerüstet. Unter dem Rennzeug wird meistenteils ein stark wattiertes
Wams getragen, dessen gepolsterte Ärmel das Armzeug ersetzen. Die
Beine sind zuweilen geharnischt, öfter auch ohne Beinzeug, dann aber
sind sie an den Oberschenkeln durch sogenannte Streiftartschen
(Fig. 647) oder durch Dilgen (Fig. 648) geschützt, die an Riemen
über den Sattel hängen. Die Sättel sind sehr klein und haben weder
Vorder- noch Hintersteg. (Fig. 649.) Das Roſs trägt die lederne
Parsche, der Kopf ist geblendet.
Beim Geschifttartschenrennen erzielte ein gelungener Stoſs
auf die Renntartsche die Wirkung, daſs diese von der Brust sich
löste und mit einer Anzahl von eisernen, keilartig geformten Stücken,
„Schiftkeilen“, über den Kopf des Renners weg in die Luft flog.
Diese Wirkung wurde durch einen Federmechanismus hervorgebracht,
der auf der Rennbrustmitte angebracht war. Vor der Renntartsche
befand sich eine Metallscheibe, die mittels eines starken Dornes, der,
durch eine Durchlöcherung der Tartsche reichend, mit dem Mecha-
nismus dahinter in Verbindung stand. Zwischen der Tartsche
und der Maschine wurden nun konzentrisch die Schiftkeile derart
eingepreſst, daſs diese durch den Druck, den sie auf die Tartsche
ausübten, den Federmechanismus anspannten, und dieser zugleich die
Keile in ihrer Pressung erhielt. Wurde durch den Stoſs der Renn-
stange die Federspannung aufgehoben, dann schleuderten zwei an den
Enden mit Rädlein versehene Hebelarme die Tartsche nach aufwärts
und drei kleinere Hebel befreiten die gespannten Schiftkeile aus ihrer
*) In dem bedeutend später gefertigten Turnierbuch Maximilians I., das von
dem jüngeren H. Burgmayr herrührt, findet sich noch das Pfannenrennen. Das
Anzogenrennen mit wollenen Kränzen (auf den Häuptern) und das welsch
Rennen in dem Armetin.
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/574>, abgerufen am 25.11.2024.
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