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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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III. Die Turnierwaffen.
gefütterte Löcher; jene dienen zur Befestigung der Helmzier, diese
zum Anziehen der Lederriemchen der Harnischkappe. Die kurze,
einmal geschobene Brust ist nur vorne und an der linken Seite
bauchig gestaltet, an der rechten Seite bildet sie der Stangenführung
halber eine flache Wand. Der Rücken hat meist die gewöhnliche Form.
Der Helm wird an die Brust entweder mit drei Schrauben oder mit
Kloben befestigt; am Rücken erfolgt die Verbindung durch eine
vertikal stehende Schraube, die Helmzagelschraube. An der
rechtsseitigen Brustwand ist eine schwere Eisenschiene angeschraubt,
deren vorderes Ende an den Rüsthaken stösst; ihr rückwärtiges
Ende ist nach abwärts gekrümmt und bildet dort den Rasthaken
als Widerlager für die Stechstange. An der rechten Brustseite finden
sich zwei Löcher, zuweilen auch ein starker Ring, durch den die
Hanfstricke gezogen werden, mit denen die Stechtartsche an die
Brust gebunden wird. Ein birnförmiges Holzstück, durch das die
Stricke gezogen wurden, bildet für die Tartsche die Unterlage. An
die Brust schliesst sich ein Geschiebe, Magenblech genannt, mit
diesem stehen die Bauchreifen in Verbindung, deren Fortsetzung die
geschobenen oder auch steifen Beintaschen bilden. An den Rücken,
dessen Armlöcher weit ausgeschnitten sind, schliesst sich ein Fortsatz
aus Eisenblech, das "Schwänzel" genannt, auf dem beim Gesteche
der Rückteil des Stechzeuges am Sattel aufruht. Die Achseln haften
an den eisernen Bändern der Brust in Federbolzen, sie besitzen zu-
meist vorne nur sehr kleine oder gar keine, rückwärts aber sehr grosse
Flüge. Die Achselhöhlen werden durch manchmal übermässig grosse
Schwebescheiben gedeckt, welche an Lederriemen hängen. An
dem rechten Unterarmzeug findet sich zum Schutze der Armbeuge
zuweilen eine breite Stauche, ebenso auch am steifen Unterarm-
zeug
der Zügelhand, die in einer Hentze endet. Auf der rechten
Achsel erblickt man öfter einen stielartigen Ansatz; er dient als Halt-
punkt, wenn die Stange beim Eintritt zum Gestech auf der Schulter
getragen wird.

Noch sei bemerkt, dass zu dem Stechzeuge in der Regel steife,
faltige Schösschen aus Stoff getragen wurden, welche oft mit künst-
lichen Stickereien geziert waren.

Das Stechzeug ist um so älter, je steiler seine Helmwände laufen,
und um so jünger, je mehr sie sich enger an den Hals ziehen.

Zur Stechzeugausrüstung gehören die Stechtartsche, und die
Stechstange.

Die Stechtartsche, oberhalb rechteckig, unterhalb abgerundet
und etwas nach vorwärts geschweift, breit ca. 40 cm., hoch ca. 35 cm.,
ist aus hartem Holz mit einem Belage von viereckigen, mosaikartig
aneinander gereihten und mit Bolzen angehefteten Plättchen von
Hirschhorn, seltener von Bein gefertigt. Diese Plättchen sollten das
Brechen der Tartsche beim Stosse verhindern. Über das Ganze

III. Die Turnierwaffen.
gefütterte Löcher; jene dienen zur Befestigung der Helmzier, diese
zum Anziehen der Lederriemchen der Harnischkappe. Die kurze,
einmal geschobene Brust ist nur vorne und an der linken Seite
bauchig gestaltet, an der rechten Seite bildet sie der Stangenführung
halber eine flache Wand. Der Rücken hat meist die gewöhnliche Form.
Der Helm wird an die Brust entweder mit drei Schrauben oder mit
Kloben befestigt; am Rücken erfolgt die Verbindung durch eine
vertikal stehende Schraube, die Helmzagelschraube. An der
rechtsseitigen Brustwand ist eine schwere Eisenschiene angeschraubt,
deren vorderes Ende an den Rüsthaken stöſst; ihr rückwärtiges
Ende ist nach abwärts gekrümmt und bildet dort den Rasthaken
als Widerlager für die Stechstange. An der rechten Brustseite finden
sich zwei Löcher, zuweilen auch ein starker Ring, durch den die
Hanfstricke gezogen werden, mit denen die Stechtartsche an die
Brust gebunden wird. Ein birnförmiges Holzstück, durch das die
Stricke gezogen wurden, bildet für die Tartsche die Unterlage. An
die Brust schlieſst sich ein Geschiebe, Magenblech genannt, mit
diesem stehen die Bauchreifen in Verbindung, deren Fortsetzung die
geschobenen oder auch steifen Beintaschen bilden. An den Rücken,
dessen Armlöcher weit ausgeschnitten sind, schlieſst sich ein Fortsatz
aus Eisenblech, das „Schwänzel“ genannt, auf dem beim Gesteche
der Rückteil des Stechzeuges am Sattel aufruht. Die Achseln haften
an den eisernen Bändern der Brust in Federbolzen, sie besitzen zu-
meist vorne nur sehr kleine oder gar keine, rückwärts aber sehr groſse
Flüge. Die Achselhöhlen werden durch manchmal übermäſsig groſse
Schwebescheiben gedeckt, welche an Lederriemen hängen. An
dem rechten Unterarmzeug findet sich zum Schutze der Armbeuge
zuweilen eine breite Stauche, ebenso auch am steifen Unterarm-
zeug
der Zügelhand, die in einer Hentze endet. Auf der rechten
Achsel erblickt man öfter einen stielartigen Ansatz; er dient als Halt-
punkt, wenn die Stange beim Eintritt zum Gestech auf der Schulter
getragen wird.

Noch sei bemerkt, daſs zu dem Stechzeuge in der Regel steife,
faltige Schöſschen aus Stoff getragen wurden, welche oft mit künst-
lichen Stickereien geziert waren.

Das Stechzeug ist um so älter, je steiler seine Helmwände laufen,
und um so jünger, je mehr sie sich enger an den Hals ziehen.

Zur Stechzeugausrüstung gehören die Stechtartsche, und die
Stechstange.

Die Stechtartsche, oberhalb rechteckig, unterhalb abgerundet
und etwas nach vorwärts geschweift, breit ca. 40 cm., hoch ca. 35 cm.,
ist aus hartem Holz mit einem Belage von viereckigen, mosaikartig
aneinander gereihten und mit Bolzen angehefteten Plättchen von
Hirschhorn, seltener von Bein gefertigt. Diese Plättchen sollten das
Brechen der Tartsche beim Stoſse verhindern. Über das Ganze

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[539/0557] III. Die Turnierwaffen. gefütterte Löcher; jene dienen zur Befestigung der Helmzier, diese zum Anziehen der Lederriemchen der Harnischkappe. Die kurze, einmal geschobene Brust ist nur vorne und an der linken Seite bauchig gestaltet, an der rechten Seite bildet sie der Stangenführung halber eine flache Wand. Der Rücken hat meist die gewöhnliche Form. Der Helm wird an die Brust entweder mit drei Schrauben oder mit Kloben befestigt; am Rücken erfolgt die Verbindung durch eine vertikal stehende Schraube, die Helmzagelschraube. An der rechtsseitigen Brustwand ist eine schwere Eisenschiene angeschraubt, deren vorderes Ende an den Rüsthaken stöſst; ihr rückwärtiges Ende ist nach abwärts gekrümmt und bildet dort den Rasthaken als Widerlager für die Stechstange. An der rechten Brustseite finden sich zwei Löcher, zuweilen auch ein starker Ring, durch den die Hanfstricke gezogen werden, mit denen die Stechtartsche an die Brust gebunden wird. Ein birnförmiges Holzstück, durch das die Stricke gezogen wurden, bildet für die Tartsche die Unterlage. An die Brust schlieſst sich ein Geschiebe, Magenblech genannt, mit diesem stehen die Bauchreifen in Verbindung, deren Fortsetzung die geschobenen oder auch steifen Beintaschen bilden. An den Rücken, dessen Armlöcher weit ausgeschnitten sind, schlieſst sich ein Fortsatz aus Eisenblech, das „Schwänzel“ genannt, auf dem beim Gesteche der Rückteil des Stechzeuges am Sattel aufruht. Die Achseln haften an den eisernen Bändern der Brust in Federbolzen, sie besitzen zu- meist vorne nur sehr kleine oder gar keine, rückwärts aber sehr groſse Flüge. Die Achselhöhlen werden durch manchmal übermäſsig groſse Schwebescheiben gedeckt, welche an Lederriemen hängen. An dem rechten Unterarmzeug findet sich zum Schutze der Armbeuge zuweilen eine breite Stauche, ebenso auch am steifen Unterarm- zeug der Zügelhand, die in einer Hentze endet. Auf der rechten Achsel erblickt man öfter einen stielartigen Ansatz; er dient als Halt- punkt, wenn die Stange beim Eintritt zum Gestech auf der Schulter getragen wird. Noch sei bemerkt, daſs zu dem Stechzeuge in der Regel steife, faltige Schöſschen aus Stoff getragen wurden, welche oft mit künst- lichen Stickereien geziert waren. Das Stechzeug ist um so älter, je steiler seine Helmwände laufen, und um so jünger, je mehr sie sich enger an den Hals ziehen. Zur Stechzeugausrüstung gehören die Stechtartsche, und die Stechstange. Die Stechtartsche, oberhalb rechteckig, unterhalb abgerundet und etwas nach vorwärts geschweift, breit ca. 40 cm., hoch ca. 35 cm., ist aus hartem Holz mit einem Belage von viereckigen, mosaikartig aneinander gereihten und mit Bolzen angehefteten Plättchen von Hirschhorn, seltener von Bein gefertigt. Diese Plättchen sollten das Brechen der Tartsche beim Stoſse verhindern. Über das Ganze

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/557>, abgerufen am 22.11.2024.