Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Die Angriffswaffen.
Frankreich, die Oriflamme (auri flamma), hervor, die von 1124--1415
dem französischen Heere voranflatterte. Sie war ursprünglich die
Kriegsfahne der Abtei St. Denis in der Form des alten labarum
Konstantins und bestand aus einem Blatte von roter Seide, welches
unterhalb in 5 Spitzen endete und mit grünen Fransen besäumt war.
So ist sie abgebildet in einem Glasgemälde in der Kathedrale zu
Chartres aus dem 13. Jahrhundert. (Fig. 591.) Mit der allmählichen
Verbreitung und Erstarkung des Lehenswesens vervielfältigten sich
die Formen der Fahnen nach Grösse und Bedeutung. Zur Haupt-
fahne, dem Reichsbanner, des Kaisers und der Könige gesellten sich
die Lehensfahnen und die Ritterfahnen mit ihren Fähnlein, welche
[Abbildung] Fig. 595.

Verwundeter Träger eines Drachens. Aus der
Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.

alle seit dem 11. Jahrhundert gewisse feststehende Abzeichen an sich
trugen. In den ersten Kreuzzügen wurde dem Christenheer ein
Heerbanner von Seide mit dem weissen Kreuze im roten Felde voran-
getragen.

Das älteste deutsche Reichsbanner war rot und mit dem Bilde
des Erzengels Michael geschmückt, erst von Kaiser Sigismund an mit
dem Reichsadler. Von Mailand ausgehend, bürgerte sich im 11. Jahrh.
bei den Streitvölkern der italienischen Städte, aber auch in England
und selbst bei den Sarazenen der vierräderige Fahnenwagen, der
carroccio, ein, der von Ochsen oder Stieren gezogen wurde und auf

II. Die Angriffswaffen.
Frankreich, die Oriflamme (auri flamma), hervor, die von 1124—1415
dem französischen Heere voranflatterte. Sie war ursprünglich die
Kriegsfahne der Abtei St. Denis in der Form des alten labarum
Konstantins und bestand aus einem Blatte von roter Seide, welches
unterhalb in 5 Spitzen endete und mit grünen Fransen besäumt war.
So ist sie abgebildet in einem Glasgemälde in der Kathedrale zu
Chartres aus dem 13. Jahrhundert. (Fig. 591.) Mit der allmählichen
Verbreitung und Erstarkung des Lehenswesens vervielfältigten sich
die Formen der Fahnen nach Gröſse und Bedeutung. Zur Haupt-
fahne, dem Reichsbanner, des Kaisers und der Könige gesellten sich
die Lehensfahnen und die Ritterfahnen mit ihren Fähnlein, welche
[Abbildung] Fig. 595.

Verwundeter Träger eines Drachens. Aus der
Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.

alle seit dem 11. Jahrhundert gewisse feststehende Abzeichen an sich
trugen. In den ersten Kreuzzügen wurde dem Christenheer ein
Heerbanner von Seide mit dem weiſsen Kreuze im roten Felde voran-
getragen.

Das älteste deutsche Reichsbanner war rot und mit dem Bilde
des Erzengels Michael geschmückt, erst von Kaiser Sigismund an mit
dem Reichsadler. Von Mailand ausgehend, bürgerte sich im 11. Jahrh.
bei den Streitvölkern der italienischen Städte, aber auch in England
und selbst bei den Sarazenen der vierräderige Fahnenwagen, der
carroccio, ein, der von Ochsen oder Stieren gezogen wurde und auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0522" n="504"/><fw place="top" type="header">II. Die Angriffswaffen.</fw><lb/>
Frankreich, die Oriflamme (auri flamma), hervor, die von 1124&#x2014;1415<lb/>
dem französischen Heere voranflatterte. Sie war ursprünglich die<lb/>
Kriegsfahne der Abtei St. Denis in der Form des alten labarum<lb/>
Konstantins und bestand aus einem Blatte von roter Seide, welches<lb/>
unterhalb in 5 Spitzen endete und mit grünen Fransen besäumt war.<lb/>
So ist sie abgebildet in einem Glasgemälde in der Kathedrale zu<lb/>
Chartres aus dem 13. Jahrhundert. (Fig. 591.) Mit der allmählichen<lb/>
Verbreitung und Erstarkung des Lehenswesens vervielfältigten sich<lb/>
die Formen der Fahnen nach Grö&#x017F;se und Bedeutung. Zur Haupt-<lb/>
fahne, dem Reichsbanner, des Kaisers und der Könige gesellten sich<lb/>
die Lehensfahnen und die Ritterfahnen mit ihren Fähnlein, welche<lb/><figure><head><hi rendition="#g">Fig</hi>. 595.</head><p><hi rendition="#g">Verwundeter Träger eines Drachens</hi>. Aus der<lb/>
Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.</p></figure><lb/>
alle seit dem 11. Jahrhundert gewisse feststehende Abzeichen an sich<lb/>
trugen. In den ersten Kreuzzügen wurde dem Christenheer ein<lb/>
Heerbanner von Seide mit dem wei&#x017F;sen Kreuze im roten Felde voran-<lb/>
getragen.</p><lb/>
          <p>Das älteste deutsche Reichsbanner war rot und mit dem Bilde<lb/>
des Erzengels Michael geschmückt, erst von Kaiser Sigismund an mit<lb/>
dem Reichsadler. Von Mailand ausgehend, bürgerte sich im 11. Jahrh.<lb/>
bei den Streitvölkern der italienischen Städte, aber auch in England<lb/>
und selbst bei den Sarazenen der vierräderige Fahnenwagen, der<lb/>
carroccio, ein, der von Ochsen oder Stieren gezogen wurde und auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[504/0522] II. Die Angriffswaffen. Frankreich, die Oriflamme (auri flamma), hervor, die von 1124—1415 dem französischen Heere voranflatterte. Sie war ursprünglich die Kriegsfahne der Abtei St. Denis in der Form des alten labarum Konstantins und bestand aus einem Blatte von roter Seide, welches unterhalb in 5 Spitzen endete und mit grünen Fransen besäumt war. So ist sie abgebildet in einem Glasgemälde in der Kathedrale zu Chartres aus dem 13. Jahrhundert. (Fig. 591.) Mit der allmählichen Verbreitung und Erstarkung des Lehenswesens vervielfältigten sich die Formen der Fahnen nach Gröſse und Bedeutung. Zur Haupt- fahne, dem Reichsbanner, des Kaisers und der Könige gesellten sich die Lehensfahnen und die Ritterfahnen mit ihren Fähnlein, welche [Abbildung Fig. 595. Verwundeter Träger eines Drachens. Aus der Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.] alle seit dem 11. Jahrhundert gewisse feststehende Abzeichen an sich trugen. In den ersten Kreuzzügen wurde dem Christenheer ein Heerbanner von Seide mit dem weiſsen Kreuze im roten Felde voran- getragen. Das älteste deutsche Reichsbanner war rot und mit dem Bilde des Erzengels Michael geschmückt, erst von Kaiser Sigismund an mit dem Reichsadler. Von Mailand ausgehend, bürgerte sich im 11. Jahrh. bei den Streitvölkern der italienischen Städte, aber auch in England und selbst bei den Sarazenen der vierräderige Fahnenwagen, der carroccio, ein, der von Ochsen oder Stieren gezogen wurde und auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/522
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/522>, abgerufen am 25.11.2024.